Schmiede- und Metallbaubetrieb Decker in Oberaußem
Um die Jahrhundertwende, kam der aus dem zwischen Jülich und Düren gelegenen Schopphoven stammende Wanderschmiedegeselle Peter Decker nach Oberaußem.
Bei dem Oberaußemer Schmiedemeister Johann Rauwald, in der Büsdorfer Straße, hatte er Arbeit gefunden.
Peter Decker fand Gefallen an Oberaußem. Er hatte damals sicherlich auch schnell die guten Möglichkeiten zum Aufbau eines eigenen Betriebes in Oberaußem erkannt.
Sein handwerkliches Können brachte ihm nicht nur bei seinem Arbeitgeber Johann Rauwald Respekt und Achtung ein. Schnell hatte er sich auch ins Ortsleben integriert.
Das Bestreben nach einer Familie und deren gesicherter Versorgung, wahrscheinlich auch der Wunsch nach Selbstverwirklichung, hat ihn wohl letzten Endes dazu veranlasst, den Traum nach einem eigenen Schmiedebetrieb in die Tat umzusetzen.
Selbstbewußt gründete er im Jahre 1903, obwol es bereits zwei Schmieden im Ort gab, einen eigenen Schmiedebetrieb in Oberaußem.
Für den Aufbau von Betriebsgebäuden mit Wohnhaus, kaufte Peter Decker, vom damaligen Besitzer des Berenshofes, Wilhelm Heinrich Berens, (* 12.06.1841 - † 15.09.1903), ein Stück Land in Oberaußem an der Bahnstraße. Hier wurden dann die Betriebs- und Wohngebäude errichtet.
In seiner Zeit als Wandergeselle bei Johann Rauwald, hatte Peter Decker die aus Oberaußem, von der alten Burg in der Fortunastraße, stammende Gertrud Geurtz kennen und lieben gelernt.
Die beiden heirateten in der Oberaußemer Pfarrkirche St. Vinzentius.
Das Ehepaar bekam am 03.12.1910 einen Sohn. Der erhielt den gleichen Vornamen wie sein Vater, "PETER".
Erschwerend für eine rasche, positive Weiterentwicklung des neuen Huf- und Wagenschmiedebetriebes Decker, waren sicherlich die notvollen Jahre des ersten Weltkrieges und die folgende Zeit mit Inflation, Weltwirtschaftskriese und Politischem Chaos in Deutschland. Insgesamt betrachtend kann man aber festhalten, daß es danach zusehends bergauf ging.
Auch die in den Anfangsjahren von Peter Decker noch vorhandene örtlichen Konkurrenz, durch den 1904 von Jakob Oßdorf eröffneten Schmiedebetrieb in der unmittelbaren Nachbarschaft und die alte Dorfschmiede von Johann Rauwald, gab es Ende der 1920ziger Jahre nicht mehr.
Beide Schmiedebetriebe waren aufgrund von Nachwuchsproblemen und dem Alter der Inhaber eingestellt worden.
Etwa ab 1930 war die Schmiede von Peter Decker der einzige Betrieb dieser Art im rasch wachsenden Oberaußem.
Der Sohn des Ehepaares Peter und Gertrud Decker, Peter Decker Jun., hatte sich nach der Entlassung aus der Oberaußemer Volksschule, wie sein Vater, wohl auch zu dessen Freude, ebenfalls für den Beruf des Wagen- und Hufschmiedes entschieden.
Beim Schmiedebetrieb Schweren in Kerpen hatte er ab 1924 eine Lehre absolviert. Direkt zu Beginn der Lehrzeit, verlor er beim gemeinsamen Arbeiten mit seinem Meister am Amboss, durch einen abgesprengten Eisensplitter, ein Auge. Trotz dieses enormen Handicaps, brachte er seine Lehre erfolgreich zum Abschluss. Er arbeitete noch eine Zeit lang als Geselle im Betrieb Schweren.
Peter Decker Jun. hat 1936 die aus Büsdorf stammende Maria Moritz geheiratet. Die beiden bekamen 1940 einen Sohn. Er erhielt den Vornamen Karl Peter.
Leider blieb dem Firmengründer Peter Decker Sen. das Schicksal aber nicht allzu hold.
Im Jahr 1940 wurde er von einem Oberaußemer Landwirt, zur Beseitigung eines Radschadens an einem Pferdefuhrwerk, ins Glessener Feld gerufen. Während seiner Arbeit, scheuten die noch am Wagen eingespannten Pferde und gingen durch. Hierbei geriet Peter Decker unter das Fuhrwerk. Er erlitt lebensgefährliche Verletzungen, von denen er sich nie mehr richtig erholte.
Mit der Ausübung seines geliebten Berufes war es seit dem Unfall vorbei gewesen.
Im Jahre 1942 ist Peter Decker Sen. an den Unfallfolgen gestorben.
Nach dem Unfall war sein Sohn Peter in den elterlichen Betriebes eingestiegen und hatte nach dem Tod seines Vaters, die Betriebsführung übernommen.
Der zweite Weltkrieg brachte auch für die Dorfschmiede Decker harte Überlebensbedingungen mit sich.
Um die Werkzeuge und Maschinen vor der Konfiszierung durch den Nazistaat zu retten, hatte Familie Decker diese in ihrem Garten, in eingegrabenen Ölfässern versteckt.
Direkt nach dem Ende des unseligen Völkermordens, ging es aber rasch wieder aufwärts. Es gab ja nun aufgrund der gewaltigen Kriegsschäden allerorts, genügend Arbeit beim Wiederaufbau.
Ende der 1940ger Jahre, stellte Peter Decker, den mit seinen Eltern in Oberaußem gelandeten, aus dem Riesengebirge stammenden, kriegsvertriebenen Schmiedegesellen Gottfried Schröter als Arbeitskraft ein. Der verstand sein Fach und bildete rasch mit seinem Meister ein gutes Gespann.
Erinnerungen an die Dorfschmiede Decker
Textauszug, Erinnerungen von Dieter Germund, Oberaußem
" [...] Ein Besuch in unserer Dorfschmiede war für mich ein Erlebnis. Der Schmiedemeister, Herr Decker, war der Onkel meines Cousins Helmut. Wenn ich in der Schmiede etwas zu besorgen hatte, sah ich Herrn Decker und seinen Gesellen gerne bei der Arbeit zu. Am liebsten beim Pferdebeschlagen. Dazu kamen die Pferde in ein Gestell (Notstall). Zuerst wurden die abgelaufenen Eisen losgemacht. Dann wurden die langen Hufnägel mit dem Nageleisen herausgezogen. Die Pferde taten mir leid, Herr Decker beteuerte jedoch, dass die Prozedur völlig schmerzfrei verlaufe. Waren die Eisen gelöst, musste der gesamte Huf beschnitten werden. Das Pferd stand indes auf drei Beinen, das vierte war hochgebunden. Der Geselle machte sich am Schmiedefeuer zu schaffen, in der Glut lag schon das neue Hufeisen zum Erhitzen. Eine gewaltige Hitze war nötig, bis das Eisen rotglühend wurde. Den notwendigen Sauerstoff lieferte ein Blasebalg. Inzwischen war der Meister mit dem Beschneiden des Hufes fertig. Der Geselle nahm das Hufeisen aus der Glut. Es wurde an den Huf angepasst. Es zischte und stank nach verbranntem Horn. Anschließend, wenn das Eisen richtig saß, wurden Hufnägel in die vorgesehenen Löcher geschlagen.[...]"
Nebenstehend einige, zu Dieter Germunds Beschreibung passende Fotos aus der Schmiede Decker. Schmiedmeister Peter Decker und sein Geselle Gottfried Schröter beim Pferdebeschlagen.
Schlossermeister Karl Peter Decker, die dritte und leider auch die letzte Generation im Oberaußemer Familienbetrieb
In Oberaußem auf dem Tonnenberg, in unmittelbarer Nähe der alten Windmühle, befand sich in der Zeit zwischen 1930 und 1961, ein für die zivile Luftfahrt gebautes, sogenanntes Streckenfeuer, im Volksmund auch als „Der Leuchtturm“ bekannt.
Hierbei handelte es sich um einen Stahlgittermast von ca. 21 m Gesamthöhe, der mit einer elektrisch betriebenen Scheinwerfereinrichtung ausgestattet war. Sinn und Zweck des Turmes bestand darin, als Streckenleuchtfeuer, den auf der festen Nachtflugstrecke Flugstrecke Köln – Brüssel verkehrenden Flugzeugen, eine zusätzliche, sichere Orientierungshilfe zu geben. Man kann die Aufgaben des Turmes in etwa mit denen der wohl allgemein besser bekannten festen Leuchttürme an den Meeresküsten, zur Orientierung der Schifffahrt vergleichen.
Im Zuge der Bebauung des Geländes auf dem Tonnenberg, im Umfeld des Leuchtturmes und der alten Windmühle, sowie der Erfordernis etwas gegen den sich nach dem Kriege hier entwickelten, mit großen Gefahren für die Kinder verbundenen, wilden „Abenteuerspielplatz Leuchtturm - alte Windmühle“ zu unternehmen, beschloss der Gemeinderat von Oberaußem 1961 den Abriss des Turmes.
Hierzu ein Auszug aus dem Protokoll der Gemeinderatssitzung in Oberaußem vom 16.02.1961
Betrifft: Abbruch des Leuchtturmes in Oberaußem.
Der Leuchtturm ist zum Abbruch freigegeben worden. Der Schmiedemeister Peter Decker ist bereit, den Leuchtturm ohne Entschädigung bodengleich zu beseitigen. Auf Empfehlung des Hauptausschusses wird beschlossen, dem Schmiedemeister Decker, den Leuchtturm zum Abbruch entschädigungslos zu überlassen. Kosten und Gefahr der Demontage gehen zu Lasten des Schmiedemeisters Decker. Peter Decker erhielt daraufhin einen dementsprechenden Auftrag.
Im Laufe des Jahres 1961 verschwand dann mit dem Abbruch des alten Leuchtturmes durch die Oberaußemer Firma Peter Decker ein weiteres bekanntes Wahrzeichen unseres Ortes.
In ihrem Privatleben engagieren sich Karl Peter Decker und seine Frau Rosmarie intensiv im Oberaußemer Vereinsleben. Er liebt die Musik. Bereits seit seiner Jugendzeit spielt er leidenschaftlich gerne auf seinem Akordeon. Jahrelang trat er, zusammen mit Peter Lokum, Willi Wimmer, Matthias Kamp, Jakob Kamp und Albert Rupp, als Gesangsgruppe im Karneval auf.
Besonders aktiv ist er im Männergesangverein Erhohlung und bei den Vereinigten Karnevals Freunden Oberaußem.
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Nach 115 Jahren Betriebsbestehen, haben Karl Peter und Rosemarie Decker, den in Oberaußem beliebten und geschätzten Handwerksbetrieb, zum Ende des Jahres 2018 für immer geschlossen.
Dieser schwerwiegende Schritt, ist ihrem Alter und wohl auch dem Fehlen eines Nachfolgers geschuldet.
Das komplette Betriebsgelände mit Gebäuden kaufte der Besitzer des ehemaligen Wohnhauses Decker, daß bereits nach dem Tode von Peter Decker, Anfang der 2000er Jahre verkauft wurde.
Nun ist das komplette einstige Anwesen Dorfschmiede Decker, mit Wohnhaus und Betriebsgebäude, wieder vereint in der Hand eines Besitzers.
Zur Erinnerung an das alte Handwerk des Hufschmieds, hat Karl Peter Decker, die bereits von seinem Großvater und seinem Vater verwendeten Originalwerkzeuge zur Pferdebeschlagung, aufgehoben und dekorativ auf Holztafeln befestigt.
Diese Zeitzeugnisse hat er 2019, nach der Aufgabe seines Betriebes, dem Stadtteilforum-Oberaussem e.V., als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.
Desweiteren erhielten der Verein die komplette Schmiedeeinrichtung mit der Esse (Schiedefeuer), dem Blasebalg, dem Amboss mit Hilfsgeräten u. a. Teilen.
Quellen:
Alte Dokumente der Familie Decker
Festschrift 50-jähriges Vereinsjubiläum Gesangverein Erhohlung
Privatfotos Familie Decker
Fotos Amboss u. Neubau alte Schmiede sowie Einweihung: Stadtteilforum-Oberaussem e.V.
Erinnerungen von Dieter Germund
Recherchen, Texte, Fotos, Layout: Ulrich Reimann 2019