Sport und Freizeit in Oberaussem nach 1960
Die Fußballspieler hatten plötzlich ganzjährig Duschmöglichkeiten und im Winter einen Trainingsraum. Mit der Fertigstellung dieser Sporthalle sorgte Gerhard Wintz für Aufsehen und lud die Dorfjugend ein, in der neuen Halle zu trainieren. Durch diese Aktion konnte die Zahl der Mitglieder verdreifacht werden, und dies war der Beginn einer neuen Leichtathletik-Periode in Oberaußem. Dies sprach viele Jugendliche mehr an als der Fußball, der sehr laut und alkoholintensiv war. Am 12. November 1961 erfolgte die Trennung von der Fußball Abteilung und die Gründung des VfL war dann abgeschlossen. Mit Gerhard Lessenich kam ein Mann von außerhalb, der sich um die Jugendarbeit und die allgemeine Ausbildung kümmerte. Das ganze Geschäft war von Anfang an überschattet von der mangelnden Chemie zwischen Jupp Müller, Gerhard Wintz und Gerhard Lessenich. Gerhard Wintz, aus einer alten ersten Oberaußemer-Familie, war der Meinung, dass er als Oberaußemer an der Spitze stehen müsse, um das Unternehmen zu führen.
Jupp Müller, als Fortunese, sonnte sich noch in seinen alten Kugelstoßerfolgen und übertraf mit seinen 1,90 m Höhe die anderen um eine Kopflänge. Und Gerhard Lessenich als neu hinzugekommenes Mitglied, die Frau kam aus Hüchelhoven, was wollte und konnte er schon wissen und auf die Beine stellen. Aber Gerhard Lessenich hatte eine Idee und vor allem den Ehrgeiz, etwas zu bewegen. Ehrgeiz auch im Hinblick auf seinen Sohn, der ein vernünftiger Kurzstreckenläufer war. Jedenfalls nahm das Ganze Gestalt an. Es wurde trainiert und zu Wettkämpfen in der Nachbarschaft gefahren. Natürlich waren die großen
leichtathletikveranstaltungen im Müngersdorfer Stadion in Köln ein Muss, und hier konnte man die Weltbesten bewundern. Olympiade in München, da waren wir, Wolfgang Hoch und ich, natürlich auch. Reiner Pütz und H. P. Hoffmeister aus Bergheim waren im deutschen Kader und haben uns Freikarten besorgt.
Ein wesentlicher Faktor in Oberaußem war die starke Laufmannschaft, die sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Dazu später mehr. Im Mehrkampf waren die Parotats und Uli Hermann von Büsdorf aktiv. Alfred Parotat war gut im Kugelstoßen und im Diskuswerfen. Wolfgang Hoch versuchte sich im Stabhochsprung und im Sperr-Wurf. Richard Munsbeck war auf den 200 m nicht schlecht und ein hervorragender Weitspringer. Rainer Pütz war später erfolgreich über 1000 m. Rudolf Fricke, ausgebildet von seinem Vater, dem Zahnarzt, war auf 100 m gut. Sein Bruder Walter, heute Zahnarzt, war ein guter Hochspringer. Das war natürlich nicht das gleiche Niveau wie Hans Peter Hoffmeister, der Kurzstreckenläufer von Jugend 07 Bergheim, mit dem wir befreundet waren. Später traf ich ihn in Israel, als er mit der Nationalmannschaft für den Winter trainierte. Nicht zu vergessen der sehr talentierte Langstreckenläufer Will Jungblut aus Niederaußem, dem das letzte Quäntchen Biss und Kampfgeist fehlte. Er, Reiner Pütz und Heinz Lenzen wechselten dann für kurze Zeit zu Jugend 07 Bergheim, wo es mehr Geld und Möglichkeiten gab. Durch meinen Freund, den Sportlehrer Franz Inden, hatten wir später ein gutes Verhältnis zum TV Bedburg. Der trockene technische Sport erforderte ein Höchstmaß an Ausbildung, Disziplin und Zweitbegabung. Das war nicht das, was die Oberaußem liebten und leisten konnten. Diese technischen Disziplinen waren nicht sehr erfolgreich, und das Hauptaugenmerk sollte auf dem Laufen liegen. Da half es auch nicht, dass der Sportstudent Hans Engels aus Bergheim als Trainer eingestellt wurde. Mit Lenzens Heinrich war um 1961/62 ein Mann in die Leichtathletik gekommen, der den Laufvirus für den Langstreckenlauf in die Mannschaft brachte und den VfL weit über die Region hinaus bekannt machen sollte. Der Laufvirus brachte auch neue Mitglieder in den Verein. Von 1967 bis 1974 schwelgten wir im öffentlichen Lauffieber und waren jedes Wochenende unterwegs. 10 km, Halbmarathon, Marathon in Essen am Baldeneisee und die 120 km in Biel / Schweiz (Weitz Walter und Reiner Wintz). Von Dortmund bis Erpel, von Aachen bis Wiehl sind wir im ganzen Rheinland gelaufen. Hier wurden respektable Leistungen erbracht und in der deutschen Bestenliste von 1970 wird die Marathonmannschaft Lenzen / Lessenich und Friedt vom VfL Oberaußem als Marathonteam genannt. Hier erinnern wir an die alten Größen der Langlaufdisziplinen wie August Blummensaat aus Essen und Robert Bechem, den Läufer und Alpinisten aus Aachen / Nideggen, mit denen wir sportliche und freundschaftliche Beziehungen hatten. Das Ganze war aber nicht nur auf Leistung ausgerichtet, sondern hat auch dazu geführt, dass die ältere Bevölkerung freitags in die Turnhalle oder auf den Sportplatz ging, um Sport und körperliches Training zu betreiben. Dort waren wir auch ohne Turnhalle Trendsetter. Natürlich fehlte auch der gemütliche Teil in der Kneipe bei Kathi Überschaer nicht. Nach 1970 zerfiel der alte Stamm wie die Parotats und Richard Munsbeck. Umzug, Heirat als der Lauf der Dinge bringt. Jupp Müller und Gerhard Wintz hatten sich zurückgezogen und Gerhard Lessenich starb plötzlich. Heinz Lenzen, Willi Jungblut und Reiner Pütz in Bergheim. Die Spitzen-Leichtathletik war ohnehin eingemottet worden, und unser Schwerpunkt lag auf dem Laufen in jeder freien Minute und freitags in der Turnhalle, dem sportlichen Körpertraining, dem Ausdauer- und Kreistraining, Basketball, Hand- und Fußball. Das Ergebnis: junge Männer, die ihre Kraft und ihr Testosteron zeigen. Im Sommer verbrachten wir jede freie Minute im 1968 fertiggestellten Fortunabad, wo wir nicht anders konnten als Sport zu treiben. Wir hätten uns nie träumen lassen, ein eigenes Schwimmbad vor der Haustür zu haben. Tischtennis, Volleyball und Badminton, Schwimm- und Tauchwettbewerbe. Um 1975 spaltete sich mit der Gründung des OVV (Volleyball) die übrige Mannschaft um Walter Weitz und Reiner Wintz vom VfL ab und gründete einen Turn- und Laufverein Oberaußem, der dann freitags an der Abtsackerstraße weiter trainieren konnte. Damit endete die VfL-Männer- und Spitzenathletik in Oberaußem. Die Frauen sind dem VfL bis heute treu geblieben.
Hier in Fortunabad traf sich eine illustre Menge von so weit weg wie Köln, und die Tischtennis-Turniere waren bekannt. Ein Direktor von Toyota Deutschland und ehemaliger Tischtennisprofi trainierte dort kostenlos mit uns. Das waren tolle Zeiten.
Hier einige Anmerkungen zum Schwimmbad. Die ersten Jahre waren etwas chaotisch bis Rudi Witschke aus Leverkusen die Leitung des Bades übernahm. Nachdem wir in Kinderzeiten nach Niederaussem ins Schwimmbad gingen oder fuhren, später bis nach Bergheim mussten, war ein eigenes Bad vor der Haustüre ein unvorstellbarer Vorteil und Glück. Dieses Bad ward auf der Stelle von allen Bevölkerungsschichten angenommen und gut frequentiert. In aller Hergottsfrühe die alten Semester zum Gesundheitsschwimmen. Tagsüber Schulen und Familien. Im Sommer waren wir täglich bis zum Schluss und in der Winterzeit mindestens 3 - 4 mal dort anwesend. In Erinnerungen sind mir die tollen Sonntagnachmittage als wir stundenlang bis in den Abend mit Willi Jäger trainierten und Blödsinn machten. Hier genossen wir Heimvorteil und manch kleines Privileg. Auch nachts wurde das Freibad, zum Leidwesen der Schwimmmeister, von uns frequentiert. Mit gutem Gewissen kann ich sagen das wir nie etwas zerstört oder Chaos hinterlassen haben.
Der Traditionsverein Erftstolz Niederaussem war mit seiner Schwimmabteilung natürlich dort im Fortunabad permanent präsent. Ich erinnere mich noch gut an, Hans Peter Wolle Junior, der Sohn des Niederaussemer SPD Ortvorstehers, ein talentiertes Schwimmtalent, der vom Olympiateilnehmer Madsen aus Norwegen trainiert wurde. Es war nicht nur das Bad was die Menschen anzog, sondern auch die Infrastruktur. Das war zum ersten die Gastronomie / Eisdiele und später ein kleiner SPA mit Sauna, Massage und Fuß wie Nagelpflege. Die tollen Snacks, Milchshakes und Eiskreationen waren was neues und wurden natürlich von uns ausprobiert. Initiiert wurde dies von Frauke und Walter Seidel, Flüchtlingen aus Cottbus in der Lausitz. Die hatten Ideen und den Mut etwas zu riskieren. Walter Seidel ein Bergbauingenieur, ein nicht ganz leichter alles besser wissender Charakter, hatte auch unbestreitbare Verdienste bei der Einführung des Tennissports in der neuen Tennishalle zu Niederaussem. Ausserdem konnte Walter organisieren und die Leute an die Wand reden. Frauke war eine emanzipierte Frau, eine Fußpflegerin die sich nicht den Käse vom Brot nehmen ließ. Der SPA war ihr Werk, das sie mit grossem Stolz gerne zeigte. Die beiden brachten etwas neuen wohltuenden Wind in den dörflichen Muff. Das wurde zum Beispiel im Oktober 1979 eine mir unvergessene riesige Wahlparty aus Anlass des Sieges von Willi Brandt zum Bundeskanzler im Vorraum des Bades und der Eisdiele gefeiert. Gastronomie, die Seidels. Das war u. a. Walters Verdienst und ein SPD Heimspiel. Auf die Idee muss man zuerst einmal kommen. Wahlparty im Schwimmbad. Dann die illustren wunderschön dekorierten abendlichen Sommerfeste, am Fuße der Freitreppe des Hallenbades zum Freibad, verbunden mit Modenschau, Tombola und Tanz. Gastronomie die Seidels. Die Modeschau zog das Textilgeschäft (Betty Barclay Moden) Scheuren aus Glessen und Oberaussem durch. Jupp Scheuren ein gestandener Karnevals und Sitzungspräsident, zeigte auch hier als Conferencier einer Modeschau was er für Fähigkeiten hatte. Die Kapelle mit Julius Jelonek, Willi Schütz und den Kampbrüdern begeisterten mit ihrem Potpourri an alten und zeitgemässen Musikstücken. Die spielten jedes Wochenende bei Reiner Schepmann, dem Wirt und Trendsetter in Niederaussem, für die reifere Jugend zum Tanz auf. Im alten Kino Niederaussem wurde dann später eine Disco eingerichtet die mehr die Jugend ansprach. Dies alles war einmal und kommt nie wieder. Soweit zum Fortunabad.
Einige von uns besuchten später den von Werner Lehmann initiierten und 1976 von Peter Langnickel geleiteten Trainerlehrgang.
Mit der Zeit vor 1975 führte das Freitags-Training auch zu Aggression und Reibung, die das Ganze in Frage stellen sollte. Es war Dampf im Topf. Es fehlte ein Ziel und eine Richtung.
Damals hatte Edmund Wintz, Eddi, eine Freundin (seine spätere Frau Rosi) in Pulheim-Stommeln und besuchte die dortigen Volleyballspieler, die in der Bundesliga spielten. Es handelte sich um eine Gruppe von Akademikern, von denen einige beim Bundesstraßenbauamt angestellt waren. Einige dieser großen Spieler wurden aus Schlesien vertrieben und in die Heimat zurückgeschickt und brachten den dort beliebten Sport in den Westen. Volleyball war damals hier im Westen noch eine Nischensportart. Die Trainingsbedingungen in Stommeln waren nicht gut, und Eddi brachte die Mannschaft zu einem Probetraining nach Oberaußem, wo neben dem Schwimmbad eine Dreifach-Turnhalle zur Verfügung stand. Später hatten wir drei Turnhallen zur Verfügung. Die Jungs konnten begeistern und einige der Oberaußemer, wie Hans Griese und Wolfgang Hoch +, fingen Feuer und sahen eine sportlich geordnete Perspektive. Sie kamen zusammen, trainierten gemeinsam und irgendwann 1975 wurde der Oberaußemer Volleyballclub OVV gegründet. Die Gründer waren u.a. Eddi Wintz, Hannes Griese, Wolfgang Hoch und ich selbst. Dieser Verein hatte viele Höhen und Tiefen, konnte aber dennoch vor allem die Jugend begeistern. Mit der Zeit begannen mehrere Männer-, Frauen-, Jugend- und gemischte Mannschaften im Rheinland zu spielen. Ich erinnere mich noch, wie wir mit der Jugend nach Bonn eingeladen wurden, um die Vorrundenspiele der Bundesliga zu organisieren. Das war etwas ganz Besonderes für unsere Kinder, die ich damals trainierte, und sie waren so stolz wie Oskar auf das Lob der Profis. Aus der Gründergeneration ist Eddi Wintz auch heute noch, im Jahr 2020, fest in die Aktivitäten des Vereins eingebunden.