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Die Familie Falk in Oberaußem und ihre Nachkommen

Ausarbeitung von Gerd Friedt, Textergänzungen und Seitenlayout U. Reimann

 

Als Begründer der kleinen jüdischen Gemeinschaft in Oberaußem ist der Pferdehändler / Kaufmann / Manufakturhändler Samuel Falk anzusehen. Er kam 1821 von Bergheim nach Oberaußem, wo 9 seiner 10 Kinder geboren wurden. Die Familie blieb 40 Jahre am Ort und wandte sich teilweise nach Bergheim zurück oder von dort nach Köln. Samuel Falk sowie sein Sohn Salomon waren Vorsteher der Jüdischen Gemeinde in Bergheim.

Samuel Falk lebte 1866 noch in Oberaußem und ging vor 1870 nach Bergheim zurück wo er 1876 verstarb. Sein Grabstein ist in Bergheim erhalten.

Die Familie Falk wohnte in Oberaußem an der Hauptstraße 18, heute Bergheimerstrasse. Das Haus befand sich zwischen der einstigen Brennerei Esser und dem damaligen Bauer, Gastwirt und Samenhändler Peter Wintz , im Volksmund „An Hündgens“, heute Wohnhaus und Blumengeschäft.

Der Enkelsohn von Samuel Falk war zwischen den beiden Weltkriegen, der bekannte liberale Politiker Bernhard Falk in Köln. Er erwähnt in seinen Lebenserinnerungen den Herkunftsort seines Vaters Salomon Falk wie folgt: „OBERAUSSEM, EIN KLEINER SCHLICHTER, WOHLHABENDER ORT BEI BERGHEIM, MIT SCHÖNEN OBSTGÄRTEN.“

 

Relevant für Oberaußem war aber nur Samuel Falk. Keines seiner Kinder blieb am Ort.

Nachfolgend die Personendaten der Familie Falk.

 

Falk Samuel

 

1818 Pferdehändler seit 1821-1866 Oberaußem

 

seit 1860 auch Makler und Manufakturhändler

 

Synagogenvorsteher

 

* 1795 Bergheim

 

+ 1876 Bergheim (G)

 

S.v. Sigismund/Selig Falk u. Bella Levy

oo 1818 in Linnich

Gella Kaufmann

 

* 1798 oder 1800 Linnich

 

(verschiedene Angaben)

 

+ 1862 Oberauße (G)

 

T.v. David Kaufmann u. Gudula Marx

 

aus Linnich

Die 10 Kinder von Samuel Falk und Gella Kaufmann

 

Wilhelma Falk

 

* 1820 Bergheim

 

 

 

 

 

 

Salomon Falk

 

Kaufmann

 

Synagogenvorsteher

 

ging 1870 nach Köln

 

* 1821 Oberaußem

 

+ 1886 Köln

oo 1866 in

 

Stadtoldenburg

Rosa Berend

 

* 1840 Bad Nenndorf

 

+ 1918 Köln

Veronika Falk

 

* 1823 Oberaußem

 

+ Düsseldorf

 

oo 1862 in Bergheim

 

Bendix Meyer

 

* 1829 Burgsteinfurt

 

+ 1880 Düsseldorf

Sara Falk

 

* 1828 Oberaußem

 

 

 

Gudula/Jetta Falk

 

* 1834 Oberaußem

 

oo 1870 in Bergheim

 

Alex Calmer

 

* 1838 Urdenbach

Sigismund Falk

 

Kaufmann

 

* 1836 Oberaußem

 

+1880 Bergheim

 

 

 

Valentin Falk

 

*1837 Oberaußem

 

 

 

Frederika Falk

 

*1840/2 Oberaußem

 

+1870 Bergheim

 

ledig

 

Eva Falk

 

*1832 Oberaußem

oo 1866 in Bergheim

Isaak Heinemann

 

Handelsmann

 

* 1834 Cappel/Lippe

Rosalie Falk

 

*1841 Oberaußem

 

Abstammung unklar

 

 

 

Falknachkommen aus der Oberaußemer Linie leben heute in Brasilien und in Australien.

 

Auf dem jüdischen Friedhof in Bergheim sind noch heute die Grabsteine von Samuel und Gella Falk zu sehen. Nachfolgend die Inschriften auf diesen Steinen mit der deutschen Übersetzungen.

Samuel Falk, * 1795, Bergheim, + 1876 Bergheim

PO NIKBAR / SAMUEL BAR RAW PINCAS / AISCH TAM VE JASCHAR HALACH / JIR'AT ELOHIM COL JAMAV / ZADIK BE EMUNATO HEITO / NOLAD EREW SCHABATH KODESCH 6 KISLEW TAF KUF NUN HE / MET BE SIGNA VE SIWA TOWA / EREW SCHABATH KODESCH 13 TEWET TAF RESCH LAMET VAF LE PRAT KATAN / VE NIGBAR BE SCHEM TOW 16 TEWET / TEHI NESCHMATO ZRURA BEZROR HACHAJIM

 

Hier ist begraben / Samuel Sohn des Herr Pincas / ein Mann angenehm der geradlinig wandelte / Gottesfurcht übte er alle seine Tage / ein Gerechter in seinem Glauben er war / Er wurde geb. am Vorabend des heiligen Schabath den 6 Kislev, 555 / er starb in gutem Alter und guter Verfassung / am Vorabend des heiligen Schabath, den 13. des Monats Tewet, 636 der kleinen Zeitrechnung / und wurde begraben mit gutem Namen am 16. des Monats Tewet / Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens

Hier ruht der Kaufmann / Samuel Falk aus Bergheim / geboren den 21. November 1795 / gestorben den 29. Dezember 1876 / Friede seiner Asche .

Gella Falk, geb. Kaufmann,* 1798/1800 Linich, + 1862 Oberaußem

PO NIKBARAH / AISCHA HAZNUAH MARAT GEILCHE ESCHET / CAWOT SCHMUEL FALK MI OBERAUSSEM / MASEAH HEITA SCHLEMA KAPA PARSA / LE ANI'IM LATET LE EVJONIM / VE HALLELUJA BE SCHARIM MASEAH / META BEJOM 28 VE NIGBAR BEJOM.../ BE CHODESCH TAMUS BE SCHNAT TAF RESCH CHAP BET LE PRAT KATAN / TEHI NESCHMATO ZRURA BEZROR HACHAJIM

 

Hier ist begraben / eine demutsvolle Frau, Geilche Frau des / ehrbaren Samuel Falk, aus Oberaußem / ihre Taten waren vollständig, mit offener Hand verteilte sie an / die Armen und gab den Bedürftigen / an allen Toren lobt man ihre guten Taten / starb am Tag 28 und wurde begraben am Tag......../ des Monats Tamus im Jahre 622 der kleinen Zeitrechnung / Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens

Hier ruht / unsere liebe Mutter / Gella Falk / geb.28. März1898 / gest. 26 Juli 1862

 

 

Justizrat Bernhard Falk, Bergheim - Köln - Brüssel 1867-1944.

 

Gerd Friedt 2002

 

Bergheims Judenschaft hat in ihrer Nachkommenschaft einige große überörtliche Persönlichkeiten hervorgebracht, die allerdings weder in Bergheim geboren noch einen direkten Bezug außer ihrer Deszendenz zu Bergheim hatten. Dies war zum einen der Bankier Siegfried Falk, in Rheyd geboren, der im Düsseldorfer Geschäftsleben und der dortigen jüdischen Gemeinde eine herausragende Stellung inne hatte. Dies war eine Generation später, Prof. Amitai Etzioni, geb. als Werner Falk in Köln, der als sicherheitspolitischer Berater von US-Präsident Carter wirkte. In Bergheim geboren, dort gelebt und den grössten Teil seines Lebens im Rheinland verbracht und gewirkt hat, der in Bergheim zur Welt gekommene spätere Jurist und Politiker Bernhard Falk. Als am 26. März 1867 dem Ehepaar des Kaufmanns Salomon Falk und seiner Gattin Rosa Behrend im Bergheimerdorf ein Knabe mit dem Namen Bernhard Selmar geboren wurde, war diesem nicht in die Wiege gelegt, einer der bekannten rheinischen Politiker Kölns und der Rheinlande in der Zwischenkriegszeit zwischen erstem und zweiten Weltkrieg zu werden. Als ich Mitte der 1980 Jahre mit meinen Forschungen zur Bergheimer jüdischen Geschichte begann und die alte Bergheimer Bevölkerung befragte, war allen der Justizrat Falk in Köln ein Begriff. "Der hat Ehre für Bergheim und das Rheinland eingelegt" war der einstimmige Tenor der Aussagen, obwohl die Leute Bernhard Falk und seine Verbindung zu Bergheim nicht genau einordnen konnten. Versuche Kontakt zu seinen Kindern zu bekommen gelang mir zwar, aber das Ergebnis war unbefriedigend. Seine Schwiegertochter Grete Falk in Brasilien schickte mir zwar ein Foto des Schwiegervaters und wies mich auf seine Lebenserinnerungen im Bundesarchiv Koblenz hin. Auch wollte sie das Gästebuch des Hauses Falk dem Bundesarchiv überstellen. Der Sohn Bernhard Falks, Hermann Falk, welcher in Australien lebte, verweigerte jede Auskunft und Zusammenarbeit, seinen Vater betreffend. Dies war Anfangs für mich schwer verständlich, bis ich mir die Lebenserinnerungen von Bernhard Falk besorgte und ich die Haltung des Sohnes nach deren Studium nachvollziehen konnte. Eine wesentliche Schwierigkeit für eine Kurzbiographie über Bernhard Falk stellt der hier zur Verfügung stehende Platz dar. Fritz Wahl, ein Verwandter Falks, Schwager oder Neffe, hat dies mit seiner 17 Seiten umfassenden Darstellung über Bernhard Falk, in "Den unvergessenen Opfern des Wahns 1933 bis 1945, Lambert Schneider Heidelberg 1952" versucht, die auch nur in Ansätzen ein Bild dieses Patrioten vermitteln konnte und die wiederum auf Bernhard Falks Lebenserinnerungen basiert. Alle späteren Darstellungen zu Bernhard Falk liegen originär Fritz Wahls Ausführungen zu Grunde.

Ich möchte für diese kurze Darstellung, vor allem aber die druckwerten Lebenserinnerungen Bernhard Falks zu Rate ziehen, um Fritz Wahls Beitrag mit Fakten über Bergheim und die Falk-Familie zu ergänzen, die uns das Bild einer jüdischen Familie wiedergeben, die aus dem verschlafenen Bergheim, nach Köln übersiedelte. Diese Lebenserinnerungen, in Erzählform geschrieben, zeichnen sich durch viele Lücken aus und noch schlimmer, es fehlen die Daten zu vielen der dort angegebenen Ereignisse. Sie verdienen unbedingt einer wissenschaftlichen Aufarbeitung und Ergänzung.

 

Aus den Lebenserinnerungen von Bernhard Falk:

" Bergheim an der Erft ist eine kleine Kreisstadt, die behaglich in das Wiesental der Erft eingebettet ist. Neben Überresten von Mauern und Graben einer alten Festung, weist die Stadt noch eine stattliche Torburg nach der Jülicher Seite auf. In den Tagen meiner Kindheit stand in der Richtung auf Köln zu eine gleiche Torburg, die zum Teil von der Erft umflutet war und deshalb gute Verteidigungsmöglichkeiten bot. Sie ist schon vor Jahrzehnten den Ansprüchen des Verkehrs zum Opfer gefallen. Auf dem sogenannten Damm der Erft befindet sich der uralte Judenfriedhof mit verwitterten Grabsteinen und wildem Gerank von Busch und Strauchwerk. Hier liegen meine Vorfahren begraben, die seit unvordenklicher Zeit in Bergheim oder dem benachbarten Oberaussem wohnten, das heute im Mittelpunkt der blühenden rheinischen Braunkohlenindustrie liegt, aber in meiner Jugend nichts als ein schlichtes, wenn auch recht wohlhabendes Dorf mit schönen Obstgärten war. Sicherlich gehört die Bergheimer jüdische Gemeinde zu den ältesten der Rheinprovinz. Mein Urgroßvater (Seligmann Falk) hat sich zu den Chisrhenanen (pro französische Vereinigung zur Zeit Napoleons) bekannt. Mein Vater ist in Oberaussem, ich bin in Bergheim geboren. Mein Vater war ein rechtlicher und des überall geachteter, fleissiger und ernster Mann. (Salomon Falk bekleidete als Nachfolger seines Vaters, Samuel Falk, den Posten des Gemeindevorstehers der jüdischen Gemeinde in Bergheim). Meine Mutter stammte aus Bad Nenndorf. Sie hieß Rosa Behrend. Ihre Familie läst sich in Nenndorf und Rodenberg bis zum Jahre 1680 in ununterbrochener Linie verfolgen. Über die Familie meiner Grossmutter väterlicherseits besitze ich kaum irgendwelche Anhaltspunkte. Sie hiess Kaufmann und stammte aus Linnich (Der Vater von Gella Kaufmann, David Kaufmann stammte aus Sindorf und geht in die alten rechtsrheinischen Zündorfer Familien zurück. Die Mutter Gudula Marx stammt aus der in Linnich ansässigen Familie des Schagen Marx, dessen Nachkommen wir auch in Bedburg finden und die über die Familie Mendel in Bergheim wiederum mit den Falks verwandt waren). Mütterlicher Seite stammt meine Mutter aus der angesehenen Familie Rothschild in der Stadt Oldenburg bei Braunschweig, die ihre Herkunft in ununterbrochener Reihe von Rabbiner Joseph ben Isaac Halevy Aschkenasy nachweisen kann, der 1550 Rabbiner in Bonn und um 1570 Rabbiner in Metz war. (Nach Streitigkeiten in Metz ging Isaac Halevy nach Frankfurt). Er starb 1628 in Frankfurt. Meine Mutter hat ihre Jugendjahre in Stadtoldenburg im Hause ihres kinderlosen Oheims Ephraim Rothschild verbracht. Dieser hat im 80. Lebensjahr eine Geschichte seines Hauses geschrieben. Meine Mutter war eine wirklich fromme Frau. Sie hat meinen Vater fast 32 Jahre überlebt.(Salomon Falk 1826 Bergheim-1886 Köln, Rosa Falk, geb. Behrend 1840 Nenndorf-1918 Köln, Pfeilstrasse 33). Sie war zwar, besonders in ihren letzten Lebensjahren nicht selten bitter und vergrämt, konnte aber auch recht heiter sein. Ihr Lieblingsschriftsteller, der ihr Trost gab, war Fritz Reuter. Bei aller Herzensgüte verlangte sie von mir mit grossem Nachdruck die Ausübung der gleichen Religiosität zu der sie sich bekannte und hingab. Dies sei sie dem Andenken an meinen Vater schuldig, der allerdings in diesen Dingen viel duldsamer als meine Mutter gewesen ist. Dies führte zu ernsten Auseinandersetzungen und auch zu komischen Szenen, die einer gewissen Komik nicht entbehrten. So zum Beispiel, wenn meine Frau und ich krampfhaft bemüht waren den Schein aufrecht zu erhalten, als ob wir die mosaischen Speisegesetze befolgten und unsere Kinder die Befolgung der Zeremonialgesetze zur strengen Pflicht machten. Um des lieben Friedens Willen mussten wir die Wahrheit bisweilen auf den Kopf stellen. Mein Elternhaus war nicht nur ein streng religiöses, sondern auch von Liebe zum deutschen Vaterland und von Bewunderung für seine Großtaten erfüllt. Meine Kindheit fiel ja in die Zeit des Krieges mit Frankreich und der Wiedererstehung des Deutschen Reiches in seiner Blüte. Meine Eltern waren bewusste deutsche Patrioten. Der Zionismus, der gerade in den Anfängen erkennbar war, hätte nie in mein Elternhaus einziehen können. Ausser der „Allgemeinen Zeitung des Judentums", wurde „Die Gartenlaube" und die „Kölnische Zeitung" gehalten. Mein Elternhaus zeigte sich dem Stil des deutschen gebildeten und liberalen Bürgertums verhaftet. Sie hatten noch den Geist der Kleinstaaterei mit seinen Zoll- und Wirtschaftsbeschränkungen gespürt und dann den enormen Aufschwung der Industrialisierung Deutschlands erlebt. Auch war ihnen die Emanzipation der Juden, die durch Mendelsohn begonnen, durch Rieser und Humboldt weiter geführt, stets präsent. In Vater der 1826 geboren worden war, lebte noch die Verehrung zu Napoleon I fort, obwohl schon zwei weitere Generationen ins Land gezogen waren. Wir wurden als Kinder zur Bescheidenheit erzogen. Unser Handeln wurde am Wert für die Allgemeinheit gemessen. Mein schriftgelehrter Vater wusste seine Ermahnungen mit hebräischen Zitaten zu belegen, stellte aber an uns, seine Kinder, keine zu hohen Anforderungen in diesen Dinge .Im Jahre 1870 zog die Familie nach Köln. (In Bergheim war es 1868 unter der Ägide des Vorstehers Salomon Falk zwischen denn Familien Cohen und Falk zu nicht endenden Streitereien innerhalb der Jüdischen Gemeinde gekommen war, die vom Präsidenten der Rheinprovinz durch ein Machtwort geschlichtet werden mussten. Bernhard Falk blieb der Gemeinde seiner Väter, Bergheim, treu und unterstützte sie wenn nötig mit Spenden). Von 1876 bis 1878 lebten wir in Stadtoldenburg, um dann nach Köln zurückzukehren. Die geschäftlichen Erwartungen in der Firma Rothschild, der Familie meiner Mutter, entsprachen nicht den Erwartungen meines Vaters. Er kam mit Land und Leuten nicht zurecht, wobei ein dort ausgeprägter Antisemitismus sein übriges tat. In Köln habe ich die Volkschule besucht und mich mit anderen Knaben auf Plätzen und Platten herumgetummelt. Antisemitismus war mir nicht bekannt, bis ich nach Stadtoldenburg kam. Nach der Rückkehr von dort wurde ich als Quartaner in das Apostelgymnasium aufgenommen. Hier gewann ich nicht nur Freunde, sondern wurde auch einer erfreulichen klassischen Bildung teilhaftig. Hier lernte ich die griechischen und römischen Meister kennen, an denen ich große Freude hatte, die ich leider nicht auf meine Kinder übertragen konnte. Vom späteren Weihbischof Müller lernte ich französisch und hebräisch. Mit großer Verehrung denke ich an den Direktor, Prof. Bigge, des Lehrers der Grossherzogin (Luise) von Baden, der Schwester Kaiser Wilhelms .Er ist es gewesen der mir die Liebe zur Geschichtswissenschaft mitgab die in späteren Jahren mein politisches Denken bestimmte. Nie wieder im Leben habe ich so eine echte und ernste Toleranz gegenüber Andersgläubigen kennen gelernt wie an diesem katholischen Gymnasium an der Apostelkirche zu Köln. Ich war in beiden Primen der einzige Jude. Hier legte ich 1885 das Abitur unter Entbindung der mündlichen Prüfung ab".

Der weitere Lebensweg

Seiner Neigung nach wäre Falk gerne in den Heeresdienst eingetreten oder hätte Geschichtswissenschaft studiert. Da die Eltern nicht vermögend genug waren ihm dies zu ermöglichen, immatrikulierte er sich 1885 als Student der Jurisprudenz in Bonn, wo er bis auf seine geliebte militärische Dienstzeit, beim Infanterie Leibregiment München, seine ganze Studienzeit verbrachte. Im Anschluss an sein Studium verbrachte er 1888, sechs Monate als Referendar am Amtsgericht Lindlar und drei Monate in Mülheim/Rhein. 1893 erfolgte das große Staatsexamen und die anschließende Verlobung mit Else Wahl (1872-1955). Die Hochzeit Falks mit Else Wahl dürfte 1894/5 stattgefunden haben. Falk ließ sich dann als Anwalt am Landgericht (Wuppertal) Elberfeld, der Heimat seiner Braut nieder, deren Vater, Kommerzienrat Hermann Wahl, zu den angesehensten Bürgern Barmens zählte. Die Familie Wahl stammte aus Zweibrücken, wo der erste bekannte Wahl Faktor des Herzogs war. 1898 beantragte Falk seine Zulassung ans Oberlandesgericht Köln. Hier am Oberlandesgericht Köln lebte noch die Tradition des alten rheinischen Apellhofs fort. Stolzes Selbstbewusstsein, Gleichwertigkeit, bedeutende Rechtskenntnisse und große Allgemeinbildung zeichnete die Anwälte dieses Gerichtes aus.

Schon in Elberfeld war Bernhard Falk Mitglied der nationalen liberalen Partei gewesen, der er sich dann in Köln anschloss. Diese Partei kämpfte gegen den verknöcherten ostelbischen Konservatismus und das Grossagrariertum, der das Rückgrat desselben bildete. Das Verhältnis dieser Partei zur Sozialdemokratie behagte Falk nicht, weil es zu sehr auf die Interessen der Großindustrie ausgerichtet war. Auch störte er sich am Dreiklassenwahlrecht. Da der Liberalismus in sich stark zersplittert war, kam es im Köln der Jahrhundertwende zu einer oppositionellen Jugendgruppe, den Jungliberalen, die sich rasch im Rheinland und im Reich ausbreitete. Bernhard Falk gehörte zu den Mitbegründern dieser Bewegung und wurde in Köln deren Leiter. Diese Bewegung schloss sich der Nationalliberalen Partei an und wirkte dort als Gärmittel. 1908 wurde Falk in die Kölner Stadtverordnetenversammlung gewählt und konnte hier seine Neigung, etwas fürs Allgemeinwohl zu tun, ausleben. Im Laufe der Zeit wurde seine Mitarbeit überall in Anspruch genommen und seine Ausführungen in der Vollversammlung, frei gesprochen, blieben selbst bei den Gegnern nie ohne Eindruck. Diese Jahre der Glanzzeit Kölns wurden vom Ausbruch des ersten Weltkrieges gestört und der Hauptmann der Landwehr, Bernhard Falk, rückte als einer der ersten zu seinem Truppenteil in Zweibrücken ein. Falk, der seit 1915 Vorsitzender der liberalen Fraktion der Stadt Köln war, zahlte in diesem Krieg durch den Tod seines ältesten Sohnes Alfred und in Folge des Krieges durch Suizid seines seelisch zerrütteten zweiten Sohnes Fritz (1933) einen hohen Preis. Die Stadt Köln forderte 1917 Bernhard Falk für den Dienst in der Stadt an. Große Versorgungsprobleme innerhalb der Stadt nahm Falks Schaffenskraft bis Ende des Krieges in Anspruch. Das Kriegsende, der unerwartete Zusammenbruch, die Flucht des Kaisers und der Dank des Vaterlandes zerstörten in Bernhard Falk den Glauben an Monarchie und Kaiser. Der Kaiser, dem noch die absolute Loyalität seiner Eltern gehörte, spielte plötzlich keine Rolle mehr.

Falk wurde es sehr schnell klar, dass nur durch die Einheit des Reiches in Form einer Republik dessen Fortbestand gesichert war. Auch galt es die Zersplitterung des liberalen fortschrittlichen Lagers zu überwinden und so war es kein Wunder, dass Falk zu den eifrigsten Befürwortern der 1918 ins Leben gerufenen Demokratischen Partei gehörte. Andere fortschrittliche Kräfte wie der Verleger Neven-Dumont wandten sich der Deutschen Volkspartei zu. 1919 wurde Falk mit dem hohen Anteil von 73 000 Stimmen in die Nationalversammlung zu Weimar gewählt. In der Nationalversammlung arbeite Falk als Berater zur Abfassung der Reichsverfassung und an Gesetzen zur Durchführung des Friedens mit den Nachbarn. Falk war es klar und es gab keine andere Alternative, als dass sich Sozialdemokraten, Zentrum und Demokratische Partei zur gemeinsamen Arbeit in der sogenannten Weimarer Koalition zusammenschlossen. Der Versuch in Verhandlungen mit Stresemann und anderen Parteien, Demokraten und Volkspartei zu vereinen, schlug fehl. Die Position der Volkspartei war zu weit rechts, um eine Vereinigung mit den anderen Parteien durchzusetzen. Falk betonte immer die Ernsthaftigkeit der politischen Arbeit die in Weimar geleistet worden war. Die Abfassung einer Verfassung unter bürgerkriegsähnlichen Zuständen, der Putsch von Soldaten, die Notlage, die in den Rheinlanden herrschte, waren in ihrer Tragweite dem hohen Hause in Weimar nicht klar.

Die Besatzung durch fremde Truppen, zudem eine Ablehnung Preußens führte in den Köpfen vieler Rheinländer zu separatistischen Tendenzen, die in einer unabhängigen Republik geendet hätte. Als in den Novembertagen 1918 Frohberger von der Kölnischen Volkszeitung, Zentrumsanhänger und Dorten, der Führer der Wiesbadener Separatisten, dem französischen General Mangin eine Denkschrift mit den Voraussetzungen zur Separierung der Rheinlande übergaben, lehnte dieser ab, wenn die Grundlage keine Abtrennung vom Reich sei. Dorten in Übereinstimmung mit dem Franzosen verfasste eine Bekanntmachung an die Rheinländer, die zu Tumulten in Wiesbaden und zu Arbeitsniederlegungen in Köln führte. Falk stand an der Spitze der Gegner zu diesen Entwicklungen. Hier war er es gerade, der vor einer Loslösung der Rheinlande vom Reich warnte. In seiner viel beachteten Rede im November 1919 vor der Nationalversammlung rechnete er in leidenschaftlicher Form mit jeglicher Art von Separatismus ab. Außer den Separatisten gab es noch die Legalisten, die sich aus dem Zentrum speisten. Sie wären mit der Separierung der Rheinlande einverstanden gewesen, wenn Frankreich ihnen die konfessionellen Schulen erhalten hätte, deren Auflösung sie durch das Reich und Preußen befürchteten. Je chaotischer und bedrängter die Situation im Rheinland wurde, desto mehr stemmte sich Bernhard Falk gegen eine Loslösung vom Reich. 1921/22 marschierten Franzosen und Belgier ins Ruhrgebiet ein, was die Briten mit großer Sorge sahen. Fast die gesamte Bevölkerung reagierte auf den Aufruf der Reichsregierung mit passivem Widerstand und das wirtschaftliche Leben kam zu erliegen. Die Geldentwertung führte zu unermesslichem Leiden in der Bevölkerung. Die Franzosen organisierten Separatistenbanden aus kriminellen Elementen und liess diese auf die streikende Bevölkerung los. Einschreitende Polizei wurde entwaffnet und eingesperrt. Angesichts dieser Zustände bildeten die Kölner Vorsteher der politischen Parteien einen Fünfer Ausschuss, der den Kampf gegen diese Zustände aufnahm. Bernhard Falk als Führer der rheinischen Demokraten bemerkte später zu dieser Entwicklung: " Mit fester Hand haben wir in die Speichen des Rades eingegriffen, das über die Heimat wegrollen sollte und wir es schließlich zum Stillstand zwangen. Leider kann hier nicht diese ganze dramatische Entwicklung aufgezeigt werde.

Am 31. Januar 1926 schlug in der Kölner Zone die Stunde der Befreiung. Der preußische Innenminister Sewering würdigte später die Verdienste des Fünfer Ausschusses und dankte dem verehrten Herr Justizrat Falk für alles was er in dieser schweren Zeit für die rheinische Heimat getan hat. Nicht nur Bernhard Falk stand im öffentlichen Leben an exponierter Stelle. Auch seine Gattin, die unvergessene Else Falk, geb. Wahl bekleidete von 1920 bis 1933 das Amt der Vorsitzenden des Stadtverbandes Kölner Frauenvereine und war in einer Reihe von Frauenorganisationen tätig. Else Falk legte 1918 die Grundlagen für die heutige Blindenbibliothek Kölns. Alle, die diese Frau noch gekannt haben, sprachen voller Hochachtung von ihr. Sie starb 1956 in Sao Paulo. Hier sei angemerkt, dass Bernhard Falk neben seiner Gattin ein unermüdlicher Streiter für die Emanzipation der Frauen auf allen Gebieten gewesen ist. Von 1921 bis 1924 war Bernhard Falk Mitglied im Preußischen Staatsrat. Von 1924 bis 1932 gehörte er dem preußischen Landtag an. Mit dem Eintritt in diesen Landtag, musste laut den gesetzlichen Bestimmungen die Mitgliedschaft im Staatsrat aufgegeben werden. Auch legte Falk freiwillig sein Mandat im Provinziallandtag nieder, um sich der neuen Aufgabe widmen zu können. Hier bekleidete er den Posten des Vorsitzenden der Demokratischen Partei. In dem Parteienwirrwarr und Gezänk dieser Jahre fiel Bernhard Falk immer wieder als der große Vermittler zwischen Länder und Reichsinteressen auf. Im Konkordat zwischen Reich und Vatikan, dessen Positionen durch das Zentrum gestützt wurde, sowie in Fragen der konfessionellen Schule, vertrat Falk anlässlich eines Empfangs bei Ministerpräsident Braun gegenüber dem Nuntius Pacelli, dem späteren Papst  Pius XII, den ablehnenden Standpunkt der Demokraten bezüglich den Fragen über die Konfessionsschulen mit aller Entschiedenheit. Falk, der als Abgeordneter für Köln berufen war und der mit Konrad Adenauer, dem späteren Bundeskanzler gut bekannt war, stellte immer wieder die Arbeit in der Kommunalpolitik als beste Schule für die späteren Aufgaben in Land und Reich dar. Die Entwicklung Kölns zur modernen Stadt hatte Bernhard Falk mitgestaltet. Es ist heute unvorstellbar, welche Stürme der Entrüstung im katholischen Köln der Plan für die Errichtung eines Krematoriums aus der Rothschild´schen Stiftung über 1 Million Reichsmark hervorrief und letztendlich mit Hilfe dieser Stiftung und zu dieser Zeit nicht errichtet wurde. Lediglich die Stadt Krefeld errichtete zu jener Zeit ein Krematorium. Eingemeindung der Ortsteile Mühlheim und Kalk, der Bau der Hängebrücken über den Rhein, Verkehrsverbesserungen der verbauten Innenstadt, Verbesserungen des Strassen- und Eisenbahnwesens, sowie die  Energieversorgung der Stadt trugen unübersichtlich Spuren von Falks Handschrift.

Im preußischen Landtag gehörte die Gründung der preußischen Elektrizitätsgesellschaft als Ausgleich gegenüber den Privatmonopolen zu Falks größten Erfolgen. Die Versorgung der Bevölkerung mit elektrischer Energie, Wasser und Gas in den Händen des Staates erschien Falk ungeheuer wichtig. Am Ende seiner politischen Laufbahn musste er noch den Zerfall der politischen Kultur in der Weimarer Republik mit ansehen. Hiervon blieb auch seine eigene Partei nicht verschont. Infolge der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse erhielten die Kommunisten und Nationalsozialisten einen enormen Auftrieb. Das Unternehmertum und die Industrie unterstützten die Nationalsozialisten, um die linken gewerkschaftlichen Gruppierungen zu schwächen. Die Nationalsozialisten erstarkten und schwächten überall die bürgerlichen und liberalen Parteien. Auch das Zentrum, das einst durch seinen geschlossenen Willen zur stärksten politischen Kraft wurde, zersplitterte sich in ein Konglomerat verschiedenster Interessengruppierungen und arbeitete hierdurch den Nationalsozialisten zu.

Auf einer letzten Zusammenkunft der Demokratischen Fraktion in Bad Pyrmont sprach Falk die überlieferten Worte: "Mit Stolz und Genugtuung blicken wir auf die Jahre gemeinsamen Schaffens, auf unsere Leistungen und Erfolge zurück. Aufrecht sahen wir der Zukunft entgegen in Hoffnung und Glauben an Deutschland. Und diese Hoffnung ist mir geblieben. Ich lasse sie mir nicht nehmen. Bernhard Falk ging nach 1938 nach der Zerstörung seiner Wohnung ins Exil nach Brüssel. Ohne seine beiden überlebenden Söhne noch einmal gesehen zu haben, verstarb er 1944 seelisch und körperlich gebrochen in den Armen seiner Gattin und Mitstreiterin Else Falk. Aus Falks Erinnerungen im Exil geht ein Satz der Bitterkeit hervor, der sich auf denn Triumph der Rheinlandbefreiung 1926 bezieht: "Wie hätte ich damals ahnen können, dass ein Drittes Reich mir und den Meinen das Recht absprechen würde , uns als Deutsche zu fühlen". Beenden möchte ich diese Zeilen mit den Worten von Fritz Wahl: "Die Welt wird noch lange dem Rätsel nachgehen, wie das deutsche Volk dazu kommen konnte, sich und sein eigenes Geschick einer abenteuernden Horde wahnwitziger Konjunkturritter zu überantworten. Das Urteil der Geschichte wird hoch über die Vernichter des Reiches die Millionen ihrer Opfer erheben. Und zu diesen gehörte der rheinische Jude und deutsche Patriot Bernhard Falk".

 

 

 

Quellen:

Lebenserinnerungen des Bernhard Falk im Bundesarchiv Koblenz/Berlin

Fritz Wahl: Bernhard Falk ein rheinischer Patriot. Den unvergessenen Opfern des Wahns 1933 bis 1945, Lambert Schneider Heidelberg 1952.

Historisches Archiv der Stadt Köln, Dr. Huiskes: Informationen zur Familie Salomon Falk in Köln.

Helmut Falk +,Brüssel: Aussagen von 1979 zum Verhältnis Bernhard Falks zur Jüdischen Gemeinde in Bergheim.

Die in Klammer gesetzten Anmerkungen wurden vom Verfasser eingefügt.