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Flakstellungen um Oberaussem

Erich Reimann, am 8,8 cm-Flakgeschütz sitzend, mit seinen Kameraden in einer Flakstellung Sommer 1940. Von Juni 1940 bis April 1941 war Erich Reimann in den Oberaußemer Flakstellungen, Am Kämpchen und Landstraße nach Fortuna stationiert.

 

Während des 2. Weltkrieges befanden sich um Oberaussem herum mehrere Flakstellungen. Die immer weniger werdenden Zeitzeugen wissen noch, wo diese Stellungen waren und wie sie ausgesehen haben.

Uli Reimann hat sich mit diesem Thema befasst und die Schilderungen seiner Mutter aufgeschrieben.

Noch vorhandene Fotos vermitteln Momentaufnahmen der damaligen Zeit.

 

 

Wehrmacht und Flak-Stellungen von 1939 bis 1945 um Oberaußem, sowie persönliche Erlebnisse in den Kriegsmonaten und danach.


Erinnerungen von Agnes Reimann geb. Schmitz

Ulrich Reimann 2005

 

Aufgrund seiner geografischen Lage im Rheinischen Braunkohlenrevier, mit den direkt angrenzenden Braunkohlen – Betrieben, wie der Fortuna – Grube, den Brikettfabriken Fortuna und Fortuna-Nord sowie den Kraftwerken Fortuna, war Oberaußem in der Zeit des 2. Weltkrieges sehr umfangreich in die zu schützenden deutschen Industriestandorte eingebunden. Zum Schutz vor Fliegerangriffen auf diese für die Kriegsführung überlebenswichtigen Energieerzeugungsanlagen waren im Ort Fortuna, dem Kloster Bethlehem und um Oberaußem herum, von der Deutschen Wehrmacht zahlreiche Wehrmachtsstellungen eingerichtet worden. In Folge dessen gab es von Ende 1939 bis im März 1945 in unserem Ort zahlreiche Einquartierungen deutscher Soldaten. Kurz nach Ausbruch des Krieges im September 1939 kamen Soldaten der Infanterie nach Oberaußem. Fast in jedem Haus im Dorf, selbst im Pfarrhaus, bei dem damals gerade neu in Oberaußem eingeführten Pfarrer, Johannes Oehm wurden Soldaten einquartiert. Bei diesen Männern handelte es sich überwiegend um Schlesier. Es gab einen sehr guten Kontakt zur Zivilbevölkerung. Diese Soldaten rückten dann nach Pfingsten 1940, zu den beginnenden Kämpfen an die Westfront aus Oberaußem ab. Es gab schlesische Soldaten dieser Einheit, die in Oberaußem ihr privates Glück fanden und nach dem Kriege hier heimisch wurden. Zum Beispiel der vor allem in der katholischen Bevölkerung Oberaußems bekannte und sehr geschätzte Kurt Stieber, der nach seiner Hochzeit mit Margarete Abts von der Mittelstraße, sein Leben hier verbrachte und jahrzehntelang eine tragende Säule der hiesigen Pfarrgemeinde und des Kirchenchores war.

Die ersten Flak-Soldaten der deutschen Luftwaffe wurden im Juni 1940, direkt nach dem 1. Frankreichfeldzug der Deutschen Wehrmacht, in Oberaußem stationiert. Es handelte sich überwiegend um Leute aus dem Kölner Raum. Sie fuhren noch über das Wochenende zu ihren Familien nach Hause. Kurze Zeit später, Ende Juli 1940 erfolgte ein Austausch der Flaksoldaten. Es folgten Angehörige der 9. Batterie des II. Flakregimentes 24, Menden, das am 1.10. 1936 in Menden / Westfahlen aufgestellt worden war.

Die einzelnen Flak – Stellungen in Oberaußem, Fortuna und im Kloster Bethlehem waren gut ausgebaut. Teilweise hatte man sie zum Schutz vor Fliegerangriffen in den Boden, in ausgehobene Gruben, die mit Holzstämmen ausgekleidet waren versenkt. Zum Teil befanden sich in ihrer Nähe eigene, kleine Holzgebäude, die von den direkt dem Geschütz zugeordneten Flak-Soldaten bewohnt wurden und auch als Lagerraum dienten.

Bewaffnet waren die Einzelflakstellungen um Oberaußem mit einrohrigen 8,8 cm – Geschützen. Zur Bedienung dieser schnellschießenden leichteren Geschütze gehörten jeweils fünf Mann. Alle Geschütz-Stellungen waren über ein Kommunikationsnetz (Feldtelefone, Funk, Kradmelder) untereinander, mit örtlichen Leitstellen und einer Zentralleitstelle verbunden. Die zentrale Leit- und Kommandostelle zum Schutz der Braunkohlenbetriebe befand sich meines Wissens nach 1940 im Ort Fortuna, am dortigen alten Wasserturm. Örtliche Leitstellen der Wehrmacht bzw. der Flak, gab es in Oberaußem in der Fortunastraße, auf dem Driesch und in den letzten Kriegsmonaten in der Mittelstraße im Haus von Heinrich Wintz.

Mir bekannte Einzel-Flakstellungen, in der direkten Umgebung von Oberaußem, gab es an folgenden Plätzen:

· auf dem Driesch, in der Nähe des heutigen Hauses von Hermann Tripp,

· am Kämpchen, oberhalb der dortigen Häuser der Familien Hoppen und Haug,

· auf dem Rott, zwischen dem heutigen Waldfriedhof und der Kippe,

· im Feld Richtung Glessen, in der Nähe der alten Mühle, heute Waldsiedlung,

· ca. 200 m hinter dem damaligen Bahnübergang Bergheimerstraße, rechts an der alten Landstraße zwischen Oberaußem und Fortuna.

Sowie:

· Am Anfang des Bethlehemer Waldes

· Im Kloster Bethlehem

· In Fortuna, in der Nähe des Wasserturmes

Eine ebenfalls zum Luftverteidigungssystem gehörende große Scheinwerferstellung befand sich in Oberaußem auf dem Tonnenberg, oberhalb des heutigen Schießstandes der Schützenbruderschaft.

Einer der ersten Flaksoldaten aus Menden, die nach in Oberaußem verlegt wurden, war mein späterer Ehemann, der aus Braunsberg in Ostpreußen stammende „Erich Reimann“. Mit seinen Kameraden Erich Matz, Georg Wessel, Hans Westhoff, Hans Stürz sowie ihrem Zugführer, dem damaligen Leutnant Jupp Friedrichs, war er ab Ende Juli 1940 in der Flakstellung am Kämpchen stationiert. Später, 1941 nach einer Beförderung, war er dann als Geschützführer in der Stellung an der Landstraße nach Fortuna eingesetzt. Diese Luftwaffen-Soldaten hatten wie ihre Vorgänger ebenfalls schnell gute Beziehungen zur Bevölkerung von Oberaußem geknüpft. So wie mein Mann und ich haben noch einige andere Soldaten dieser Einheit hier ihre späteren Ehefrauen kennengelernt, eine Familie gegründet und sind nach dem Ende des Krieges mit ihren Familien in Oberaußem heimisch geworden. Mit zunehmender Dauer des Krieges spürte man dessen Folgen auch in Oberaußem. Die Gefahr von Angriffen wuchs ständig. Den ersten Luftangriff mit Zivilopfern und zerstörten Häusern gab es dann in der Nacht vom 2. August 1940. Nach Meinung der Bevölkerung hatte der Luftangriff den Kraftwerken Fortuna gegolten. Die Bomben schlugen aber auf der Fortunastraße, nicht weit von unserem zu Hause ein. Zwei mir gut bekannte Frauen, Katharina und Barbara Friedt kamen dabei ums Leben. Mehrere Häuser waren zerstört bzw. stark beschädigt worden. Die Flak-Soldaten, u.a. mein späterer Ehemann Erich Reimann, den ich gerade ein paar Tage kannte, mußten nach diesem Angriff mithelfen, die Opfer zu bergen und etwas aufzuräumen. Nach diesem traurigen Einsatz, hatte dann mein Vater, meinen Mann das erstemal in unser Haus gebeten. Die Bevölkerung mußte praktisch seit diesem Angriff bis zum Ende des Krieges immer öfter die Luftschutzbunker aufsuchen. Es gab in den folgenden Kriegsjahren einige Bombenangriffe mit Zerstörung, Toten und Verletzten, z. B. am 3. Dezember 1944 als Adam Bock von der Bahnstraße bei einem solchen Angriff ums Leben kam.

Als später die deutsche Luftabwehr nicht mehr so richtig funktionierte, konnten es sich die Alliierten erlauben, auch tags über unser Gebiet zu überfliegen und auch anzugreifen. So erinnert sich sicher auch macheiner an den sogenannten „Eisernen Gustav“. So nannte die Bevölkerung ein alliiertes Aufklärungsflugzeug, dass damals fast täglich abends gegen 22 Uhr über unseren Ort hinwegflog.

In den letzten Kriegsmonaten waren in Oberaußem zusätzlich einige schwere Artillerie-Einheiten stationiert. Sie hatten die Aufgabe, die aus Richtung Jülich anrückenden Amerikaner aufzuhalten. Ein Ari-Geschütz war direkt am Ausgang des uns zugeteilten Luftschutzbunkers unter dem Friedhof, im Schlundweg aufgebaut. Ein weiteres schweres Geschütz war auf dem Tonnenberg in der Nähe der alten Windmühle, etwa wo heute die Friedensschule steht, stationiert. Dadurch, dass die Ende Februar 1945 anrückenden Amerikaner von diesen Artillerie-Einheiten von Oberaußem aus unter Beschuß genommen wurden, sahen die sich wohl dazu genötigt, ihrerseits Oberaußem ab dem 27. Februar unter tagelanges Artilleriefeuer zu legen und sturmreif zu schießen. Dies bedeutete für die Oberaußemer Bevölkerung eine große Leidenszeit. Man konnte sich praktisch nur noch in den Bunkern des Ortes aufhalten und einigermaßen sicher fühlen. Zahlreiche Soldaten und Zivilisten fanden in einer doch kurzen Zeit noch den Tod. Viele Gebäude im Ort wurden zerstört oder stark beschädigt.


Am 13. Februar 1945, mitten im Angriffswirbel der Alliierten, ist mein 2. Sohn, Ulrich Reimann geboren. Es war am Abend, fast zur gleichen Stunde, in der Dresden von den Engländern in Schutt und Asche gebombt wurde.


In der Nacht vom 20. zum 21. Februar 1945 wurden wir durch ein fürchterlichen Lärm aufgeschreckt. Wie wir dann schnell erfuhren, war ein schweres Flugzeug in den Garten der Familie Brüggen von der Kirchstraße, abgestürzt, also nicht weit weg von unserem Haus. Meiner Kenntnis nach hatte es sich um einen schweren englischen Bomber gehandelt, der wie hier im Ort damals geglaubt wurde, von einer deutschen Flakbatterie , die wohl bei Großkönigsdorf stationiert war, angeschossen worden war und hier abgestürzt ist. Mindestens zwei, es könnten auch drei gewesen sein, der Besatzungsmitglieder wurden tot aus dem völlig zerstörten Flugzeugwrack geborgen. Sie wurden auf dem Friedhof in Oberaußem, direkt an der Mauer, rechts neben dem großen Haupttor beerdigt. Damals war man der Meinung gewesen, bei der Bomberbesatzung habe es um Engländer gehandelt. Ein Crewmitglied war mit dem Fallschirm aus der brennenden Maschine abgesprungen. Er wurde am nächsten Tag gefunden, gefangengenommen und nach einem Tag im „Oberaußemer Gefängnis“, im Keller der Volksschule, von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) abgeholt. Was aus ihm geworden ist weiß ich nicht. Angehörige der toten Piloten sind nach dem Kriege nach Oberaußem gekommen um ihre Lieben zu holen. Wie inzwischen bekannt ist, wurden ihre sterblichen Überreste von hier zu einem Soldatenfriedhof bei Rheinberg überführt, wo sie ihre letzte Ruhe fanden.


Praktisch von der Geburt meines Sohnes an, bis die Amerikaner am 2. März 1945 Oberaußem besetzten, waren wir fast ständig im Luftschutzbunker unter dem Friedhof, dessen Eingang ja nur ca. 100 m vom Haus meiner Eltern entfernt war. Unser Haus selbst wurde neben anderen Häusern in unserer Straße, durch den Ari-Beschuss der Amerikaner stark beschädigt. Das Dach war so zerstört, dass die oberen Schlafzimmer nur noch den freien Himmel als Decke hatten. Auch die Oberaußemer Pfarrkirche hatte in diesen Februartagen noch schwere Ari-Treffer mit gravierenden Schäden erhalten.

Erst mit der Einnahme von Oberaußem durch die Amerikaner am 2. März 1945, endete die Zerstörung des Ortes und das damit auch verbundene Sterben von Zivilisten und Soldaten durch direkte Kampfhandlungen. Die deutschen Soldaten hatten sich kurz vorher in Richtung Köln zurückgezogen.

Auch die schreckliche Zeit des Bunkerlebens fand damit für die Menschen von Oberaußem ein Ende.

Als die ersten amerikanischen Fußtruppen im Ort einzogen waren und einige davon ein par Tage in unserem Haus Quartier bezogen hatten, erlebten wir was der Krieg der Zivilbevölkerung trotz Einstellung der Kampfhandlungen noch antun konnte. Man konnte sich damals des Eindruckes nicht erwehren, dass es sich bei den ersten eingerückten amerikanischen Soldaten, überwiegend um jüdische Männer mit deutscher Abstammung gehandelt haben muß, die wahrscheinlich von Rachegefühlen geleitet, gegenüber der deutschen Bevölkerung, zerstörungs- und plünderungswütig waren. Dies haben wir auch persönlich erfahren müssen. Nachdem unser Haus wieder geräumt war, mußten wir feststellen, dass fast unser ganzes Hab und Gut, u.a. auch kostbare alte Familienstücke, an denen meine Eltern besonders gehangen hatten, gestohlen bzw. mutwillig zerstört worden waren. Hierzu muß man allerdings anmerken, dass aber nicht klar zu erkennen war, wer damals mehr geplündert und gestohlen hat, die Amerikaner oder deutsche Landsleute. In unserem Haus war fast nichts mehr heil geblieben, selbst die Innenwände waren nicht verschont worden. Sie waren mit Farben und zum Teil mit Fäkalien beschmiert worden.

Nachdem die ersten amerikanischen Soldaten einige Tage nach der Besetzung von Oberaußem weitergezogen waren, änderte sich die Situation langsam zum Besseren. Die nachfolgenden Amerikaner waren doch anständiger im Umgang mit der Zivilbevölkerung. Einige haben dann sogar der Bevölkerung bei der Nahrungsbeschaffung, der Organisation des täglichen Lebens, Transporten und der Beseitigung von Schäden an den Häusern geholfen. Ein Amerikaner, der mitbekommen hatte, dass wir kaum Nahrungsmittel hatten, hat daraufhin spontan sogar die Kuh eines Bauern von der Bergstraße, gegen dessen Willen gemolken, damit wir etwas Milch für die Ernährung der neugeborenen Kinder hatten. Mit dem Einzug dieser Amerikaner war dann für die Oberaußemer der schreckliche Krieg beendet.


Für meine Familie gab es dann einige Jahre nach dem Kriege doch noch ein direkt mit den Flakstellungen von Oberaußem verbundenes Ereignis. Kurz vor dem Bau der Friedensschule fanden meine Kinder an dieser Stelle, auf dem Feld des Peter Wintz – „Schusters Pitter“ - eine große Menge schwerer Ari-Granaten. Diese lagen versteckt zwischen alten, dort umherliegenden dicken Baumstämmen, überwuchert von Gestrüpp und meterhohen Brennnesseln. Sie waren noch originalverpackt in Ölpapier in Holzkisten. Erst das Missgeschick meines Sohnes, Ulrich Reimann führte zur Enddeckung des höchst brisanten Kriegserbes. Er war beim balancieren auf den Holzstämmen ausgerutscht und in die Brennnessel gefallen, direkt zwischen die Munitionskisten.

Die von uns über den gefährlichen Fund verständigten örtlichen Behörden, sorgten für eine erste Absicherung des Geländes. Wie damals durchaus bei Munitionsfunden üblich, erfolgte erst einmal eine Umzäunung der Fundstelle mit Stacheldraht. Des weiteren wurde ein Verbotsschild mit Hinweisen auf die Munition und die damit verbundene Lebensgefahr aufgestellt. Erst Wochen später wurde die allgemeine Gefahr beseitigt indem die Munition abtransportiert wurde. Danach konnten wir endlich wieder ruhiger schlafen.

 

 

Recherchen, Text, Fotos, Layout U. Reimann