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Laudatio und Überreichung von Corinna Beck, stellvertretende Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland

 

Es gilt das gesprochene Wort

 

 

 

 

Rede von Frau Corinna Beck,

stellvertretende Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland,

anlässlich der Verleihung des Rheinlandtalers

an Herrn Gerd Friedt

am 26. Oktober 2006

im Kreishaus Bergheim

 

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie alle recht herzlich hier im Kreishaus Bergheim zu unserer heutigen Feierstunde. Die Verleihung des Rheinlandtalers ist für mich persönlich immer eine besonders angenehme Aufgabe. Ich lerne viele Menschen kennen, die sich auf ganz unterschiedlichen Feldern um die Kultur in unserem Rheinland verdient gemacht haben. Und nicht zuletzt ist es das vielfältige Engagement der Rheinländerinnen und Rheinländer, die diese Kultur so lebendig erhält. Mich beeindruckt dabei vor allem das Engagement und die Kreativität, die dabei an den Tag gelegt wird.

Deswegen freue ich mich natürlich ganz besonders, dass unser Rheinlandtaler seit Jahren einen so hervorragenden Ruf genießt. Auch ein wenig Stolz möchte ich nicht verhehlen. Stolz darauf, dass es der Landschaftsverband Rheinland ist, der diese Auszeichnung ins Leben gerufen hat und an verdiente Mitbürgerinnen und Mitbürger verleiht. Immerhin ist der Rheinlandtaler die einzigen Auszeichnung für kulturelle Verdienste im Rheinland.

Ich freue mich sehr, Herr Friedt, Sie heute in den Kreis der Persönlichkeiten aufnehmen zu dürfen, die wir mit dem Rheinlandtaler ehren. Dazu darf ich Ihnen auch den Dank und die herzlichen Grüße unseres Landesdirektors Udo Molsberger übermitteln. Sie, Herr Friedt, haben sehr engagiert einen Beitrag zur Kultur im Rheinland geleistet. Dafür möchten wir Ihnen heute danken.

Doch bevor Sie geehrt werden, möchten ich Ihnen, liebe Gäste, den Rheinlandtaler-Träger und sein Wirken vorstellen. Der Landschaftsverband Rheinland verleiht heute den Rheinlandtaler an Herrn Gerd Friedt, und es ist die Würdigung eines besonderen Schaffens auf dem Gebiet der landschaftlichen Kulturpflege, nämlich der Judaistik im weitesten Sinne.

Es ist Ihre eigene Vita, sehr geehrter Herr Friedt, die Auslöser Ihres Beschäftigungs- und Forschungsinteresses war und ist. 1945 wurden Sie in Köln geboren und absolvierten die Volksschule in Oberaußem. Von 1960 bis 1964 erfolgte Ihre Ausbildung zum Elektro-Maschinenbauer, und seit 1964 sind Sie ununterbrochen im Elektrofach tätig, seit 1980 am Institut für Physiologische Chemie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Doch diese wenigen Lebensdaten begründen noch nicht Ihr Interesse an der jüdischen Geschichte. Der Anstoß kam vielmehr durch Ihre langen Aufenthalte in Israel: Von 1968 bis 1979 kommen fast fünf Jahre zusammen, die Sie in diesem Land in einem Kibbuz verbrachten, der von deutschen Juden gegründet wurde. Auch hier arbeiteten Sie im Elektrofach, speziell für landwirtschaftliche Anlagen zuständig. Hier lebten Sie inmitten einer jüdischen Familie und lernten so Sitten und Gebräuche kennen. Und es ist sicher auch die Sprache, die Sie dem Land und den Menschen in besonderer Weise näher brachte: Sie lernten nämlich Hebräisch, ein wichtiger Schlüssel für das Lesen und Verstehen, aber auch für das Schreiben und Forschen, wie wir noch sehen werden.

Sie, sehr geehrter Herr Friedt, kamen mit vielen Juden in Kontakt, die aufgrund der grausamen Ereignisse während der nationalsozialistischen Diktatur ihre rheinische Heimat verlassen mussten, und Sie pflegen diese Beziehungen auch zu deren Kindern und Enkelkindern.

Über sich selbst haben Sie gesagt: „Als Nichtjude dürfte ich einer der wenigen sein, die Judentum pur erlebt haben und der die Reste des ehemaligen deutschen Judentums noch intensiv kennen lernen durfte“. Diese Jahre in Israel haben Sie geprägt und nicht nur Ihr Interesse, sondern Ihre tiefe Zuneigung geweckt. Sie selbst haben dies sehr eindringlich Ihrem besten Freund gegenüber einmal so formuliert, und Ihre Worte verdeutlichen Ihre besondere Motivation und Ihren Zugang: „Wenn ich heute über jüdische Ortsgeschichte, Personen und Begebenheiten arbeite, so ist dies ein Stück Dank an meine alten Freunde, die rheinländischen Juden in Israel und in aller Welt, und zugleich ein Stück Erinnerungsarbeit über fast 300 Jahre jüdisches Leben im linken Rheinland, welches sich nicht auf zwölf Jahre Nazidiktatur komprimieren lässt. Hier in Israel konnte ich verlorenes Vertrauen in das, was Heimat am Rhein und an der Erft war, vorsichtig und mit viel Geduld wieder aufbauen.“

Seit 1975 arbeiten Sie, sehr geehrter Herr Friedt, zu den unterschiedlichsten Themen, deren Gegenstand die jüdische Geschichte ist und von denen ich einige hier besonders erwähnen möchte:

· Die Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Bergheim

· Die jüdischen Friedhöfe in Bergheim, Niederaußem und Paffendorf. Eine Bestandsaufnahme

· Die Familie Kommerzienrat Adolf Silverberg in Bedburg

· Juden in Bedburg an der Erft – Spurenfragmente einer Minderheit.

Allein diese Titel zeigen den weiten Bogen, aber auch die Akribie Ihres Ansatzes. Sie haben sich dem Judentum im Altkreis Bergheim verschrieben. Und so ist es Ihnen möglich, gleichsam wie mit einer Sonde in die Details vorzudringen. Dadurch ist es Ihnen möglich, Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen zu einem großen Bild zusammenzutragen. Sie haben sich mit den Biographien großer jüdischer Persönlichkeiten, wie mit Dr. Moshe Levi, einem Arzt des 18. Jahrhunderts in Bergheim, befasst, aber auch mit Justizrat Bernhard Falk, vor allem aber auch mit hebräischen Epitaphen, mit den Grabsteinen auf den jüdischen Friedhöfen an der Erft. Sie sind einer der wenigen, lieber Herr Friedt, der diese Spuren der Geschichte, eben weil Sie Hebräisch können, zu lesen und zu deuten versteht. Dies haben Sie vielen Historikern voraus. Sie gehen im wahrsten Sinne an die Quellen und sind nicht auf Ergebnisse aus zweiter Hand angewiesen. Das macht die Authentizität Ihrer Arbeit aus.

Diese Feststellung führt zu einer besonderen Quellengattung, nämlich den wenigen noch vorhandenen Beschneidungsbüchern aus dem Raum um Köln. Sie haben diese aus einer rabbinischen Kursive transkribiert, übersetzt und publiziert. Bislang haben Sie drei Beschneidungsbücher auf diese Weise erforscht, und nur Eingeweihte wissen, was dies an Fleiß und Mühe erfordert. Auch erinnere ich an Ihre genealogische Forschungen, die nur vor dem Hintergrund detailreichen Fachwissens möglich sind. Uneigennützig stellen Sie ihre Kenntnisse zur Verfügung, und Ihr Rat ist gefragt, wie die Dankesworte in vielen Publikationen beweisen. Immer wieder verweisen die Judaisten im Rheinland auf Ihre Fachkompetenz und Ihr Engagement, das sich auch auf den Erhalt der kleinen jüdischen Landfriedhöfe im Rheinland erstreckt.

Sehr geehrter Herr Friedt! Seit über 20 Jahren leben Sie nun schon in München, und doch haben Sie sich ein Herz für das Rheinland bewahrt, sind Sie Rheinländer durch und durch. Jedes Jahr opfern Sie Teile Ihres Jahresurlaubs, um hier im Rheinland für Ihre Forschungen zu recherchieren, Archive aufzusuchen und Friedhöfe aufzunehmen. Ihnen und Ihrem unermüdlichen Einsatz ist es zu verdanken, dass etliche der jüdischen Familienarchive und Bibliotheken wieder nach Deutschland zurückkehrten und Ihrer Obhut anvertraut wurden. Sie haben dafür gesorgt, dass heute in Bergheim und Bedburg Gedenktafeln an die Synagogen erinnern. Die Namensgebung des Silverberggymnasiums in Bedburg geht auf Ihre Initiative zurück. Noch vieles mehr ließe sich aufzählen.

Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass Sie für Ihr Tun bereits mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurden und Ihnen die Obermayrstiftung in den USA ihre Anerkennung ausgesprochen hat.

So ist es nur folgerichtig, dass ich Sie heute für Ihre Verdienste um die landschaftliche Kulturpflege mit dem Rheinlandtaler des Landschaftsverbands Rheinland auszeichnen darf, gemäß seinem Motto „Qualität für Menschen“.

Sie haben, sehr geehrter Herr Fried, sehr viel für die Menschen auf einem wichtigen Forschungsgebiet getan, Sie sind sehr nah bei den Menschen, und ich wünsche Ihnen für Ihr weiteres Wirken und Ihr Engagement allen Erfolg. Ich möchte Ihnen nun den Rheinlandtaler verleihen und verlese dazu den Text der Urkunde.