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Oberaußem zur Zeit der französischen Besetzung

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Mit dem Einmarsch der Franzosen in Bergheim kam es zu einigen Änderungen. Das noch heute an Bergheims Hauptstraße stehende alte Haus Füssenich wurde umbenannt. Während der französischen Besatzungszeit Zeit trug es den Namen „Hotel Stadt Paris“, später hieß es „Herzog von Wellington. Das später vom Schwiegersohn des Posthalters Weidenbach geführte Hotel an der Bergheim Hauptstraße hieß in der Franzosenzeit „Hotel de la Maison Rouge“. Das Aachener Tor diente den Franzosen als Kantonalgefängnis. Damals wurden zwei nach Westen gerichtet, größere Fenster über der Tordurchfahrt und im Südturm eingebaut. Leider gibt es wohl keine Ratsprotokolle über erste Begegnung des Bergheimer Bürgermeisters und der Ratsmitglieder mit den Revolutionstruppen. Es gibt Aufzeichnungen darüber, dass das Militär bereits nach zwei Tagen Richtung Köln weitergezogen ist.

 

Schlimmer erging es der Bevölkerung in unseren Heimatorten im Dezember 1794, als die Franzosenarmee, die die Festung Maastricht belagert und erobert hatte, mit 16.000 Mann hier durchzog. Sie hatte bei Kerpen „auf der Heide“ mehrere Tage kampierte. In allen Orten ringsum wurden Lebensmittel und Kleidungsstücke requiriert, denn die Soldaten waren in einem elendigen Zustand und schlecht ausgerüstet. Zur Verfeuerung wurden von den Franzosen Teile der hiesigen Gebüsche und Wälder einfach abgeholzt. Der Rückzug der Österreicher und der Durchzug der beiden französischen Heeresgruppen kosteten einige Gemeinden ihre Ernährungsvorräte, Saatgut, das Vieh sowie Pferde samt Wagen und Geschirr. Dies war ein so empfindlicher Verlust für die hiesige Bevölkerung, daß die Felder für das Jahr 1795 zum Teil nicht bestellt werden konnten. Infolgedessen litt die Menschen in dieser harten Zeit große Not. Die Preise für Roggen und Weizen stiegen für die meisten in unbezahlbare Höhen.

 

Der Kerpener Altchronist, Pfarrer J. F. Heyd, wurde am 30. Januar 1797, von den Franzosen zum Cantonals-Pfarrer und zum Schulpfleger des Landkreises Bergheim ernannt. Heyd schreibt zu den damaligen Zuständen für unser ganzes Kreisgebiet:

 

Auf dem Lande wurden Brot, Korn, Weizen, Fleisch, Heu, Hafer und Stroh requiriert; in den Städten Kleidungsstücke, Strümpfe, Schuhe etc. Es wurden Contributionen (Beiträge zu den Kriegskosten geforderte Geldsummen) ausgeschrieben und eine Zwangsanleihe unter dem Namen „gezwungenes Anlehn“ erhoben.

 

„Die Machthaber bey der Armee und in den eroberten Landen waren die Volksrepräsentanten, deren Proklamationen und Dekrete die Überschrift führten: „Freiheit, Gleichheit, Friede den Hütten, Krieg den Schlössern“. Sie versprachen, die Bauern sollten in Zukunft selbst Spargel und Blumenkohl essen, die sonst nur für Pfaffen und Junker gewachsen wären. Diesen beiden, bis dahin herrschenden Ständen, wurden ihre ehemaligen Privilegien genommen, die meisten von ihnen waren emigriert. Ihre Häuser und Güter hatte man kurzerhand in National-Eigentum umgewandelt. Alle einstigen Stände des Staates wurden aufgelöst. Die französische Armee und die Beamten wurden mit Papiergeld, Assignaten genannt bezahlt. Das ganze Land wurde damit überschwemmt, was großen Schaden brachte. Das Papiergeld war angeblich durch das in Frankreich beschlagnahmte Kirchengut gedeckt.

 

Der Jülicher Chronist Praeceptor Krantz (1792—1818) ereifert sich darüber wie folgt:

 

„Sie nannten ihr Papiergeld Assignat, zu deutsch: Anweisung auf des Landes Güter, die sie als Unterpfand für dieses Geld anwiesen. Es gab Assignaten von 10 Stüber, 1, 10, 20, 100, 1000 und mehreren Livres. Es gab auch falsche Assignaten, gleichwie es auch falsche klingende Münzsorten gibt. Assignaten von großen Summen, an deren Echtheit man zweifelte, ließ man auf dem ‚Bureau de verification des assignats‘ prüfen. Fand der Papier-Geldkenner sie falsch, so zerriß er selbige und die Stücke davon bekam der Eigentümer wieder.“ Schon 1794 hatten die Assignaten nur noch 20 % ihres Ausgabewertes und waren bald völlig wertlos. Auf Nichtannahme der Geldscheine stand eine erhebliche Geldstrafe.

 

Praeceptor Krantz teilt für das Jahr 1794 aus Jülich mit: „Am 31. Oktober nachmittags ward der Freiheitsbaum, nämlich eine Tanne, vor dem Rathause gepflanzet. Die Garnison war auf dem Markt aufgestellt, die Kriegs-Musik und das feierliche Glockenschlagen ließen sich dabei hören. Da der Baum stande, schrieen die Franzosen: „Es lebe die Republique.“ Endlich war in der Pfarrkirche ein Te Deum laudamus abgesungen, dem alle Bürgerliche und Militair-Obrigkeits-Personen beiwohnten. Einige Tage nach errichtetem Freiheitsbaum wurde die Jülicher Magistrat ab- und eine neue Regierung angesetzet und zware Notarien, Prokuratoren (Anwälte, Bevollmächtigte), Kaufleute und andere Partikuläre Personen (Einzelpersonen) machten selbige aus, nur wenige Mitglieder der alten Obrigkeit wurden in den Städten und Dörfern beibehalten, oder wieder angestellet.“

 

Auch in Bergheim hatte man in der Nähe der Kapelle einen Freiheitsbaum mit roter Jakobinermütze und der Trikolore errichtet, um den einige Anhänger der Franzosen ausgelassen tanzten und so manch einem Gegner mit harter Bestrafung drohten. In einem Bericht zu dieser Zeit heißt es: „Jeden juckte es am Halse, wenn er von der Guillotine, dem Revolutions-Mordinstrument, hörte.“

 

Hierzu ist noch folgende kleine Anekdote erhalten. Unter dem Bergheimer Freiheitsbaum hatte man eine kleine Rednerbühne aufgestellt. Als einmal ein Redner von dort aus, die neuen Errungenschaften der Revolution in höchsten Tönen lobte und anpries, brach plötzlich der Bretterboden der kleinen Tribüne ein. Unter dem höhnischen Gelächter der Zuhörer verschwand der Redner in der Tiefe. Die Freiheitsideen einiger Bergheimer Bürger waren durch diesen Zwischenfall aber keineswegs getrübt worden.

 

Zum Bergheimer Freiheitsbaum schreibt Delhoven am 24.12.1794 in seine Chronik:

 

24. Vorgestern wurde zu Bergheim der Freyheitsbaum errichtet, wozu alle Schefen und Vorstehern des Amts eingeladen wurden. Es wird daselbst grosse Tafel gehalten, wozu 50 Hammel und mehrere Kühe gemetzelt worden sind, Bier und Wein sind gleichfals angeschaft, und diese grosse Feyerlichkeit soll mit einem Ball geschlossen werden. Mit der Datumsangabe scheint Delhoven hier aber falsch zu liegen, weil Zeitungsberichte von damals die Errichtung des Bergheimer Freiheitsbaumes in den Oktober 1794 datieren.

 

In der zwanzigjährigen Besatzungszeit hatten die Franzosen im Rheinland und somit auch in unserem Heimatort eine neue Verwaltungsorganisation etabliert. Diese wirkt sich teilweise noch heute in unserem politischen Leben aus. Der einstige Altkreis Bergheim war im Jahre 1816 aus den beiden einstigen französischen Kantonen Bergheim und Kerpen, mit den Mairien als Bürgermeistereien gebildet worden. Aus der Franzosen-Zeit stammen auch die ersten Ansätze der hiesigen Industrialisierung — Braunkohlen- und Zuckerindustrie —.

 

Die französischen Volksrepräsentanten bei den Armeen hatten schon im August 1794 angeordnet, daß in den eroberten Gebieten, alle bürgerlichen Beamten vorerst ihre Amtsgeschäfte weiter führen sollten. Die Umbildung der Verwaltung und Regierung zur Munizipalität dauerte jedoch nicht lange. Bereits bei den Römern regelte das Municipium das Rechtsverhältnis der Gemeinden. Hier verstand man unter Munizipalität die Gesamtheit der französischen Behörden. Der Gemeinderat hieß Munizipalrat. Ab 25. Oktober 1794 lautet die Bezeichnung der Dienststellen in Bergheim „municipalitè“. Es wurde eine neue Verwaltungsanordnung eingeführt. Diese hatte anfangs viele Schwächen und trug erheblich zu einer verwirrenden Übergangszeit bei. Es dauerte eine längere Zeit, bis die vor den Franzosen herrschenden Schichten, die versuchten ihre Ämter festzuhalten, beseitigt und ersetzt waren. Hier bleibt anzumerken, dass die Verwaltungsorgane, die von den Franzosen nach deren Einmarsch eingesetzt wurden, überwiegend aus Einheimischen bestanden, diese sich jedoch gegenüber den Truppenführern und französischen Agenten meist nicht durchzusetzen konnten.

 

Hierzu berichtet der Kantonalpfarrer Heyd: „Etwas mehr Ordnung war in die Regierung der eroberten Länder dadurch gebracht, daß zu Aachen eine Bezirksverwaltung niedergesetzt und das übrige Land in Munizipalitäten eingeteilt wurde. Letztere bestanden aus einem Präsidenten, zwei Assessoren und einem Secretaire. Ein Cantonsverwalter leitete die Geschäfte mehrerer Munizipalitäten. Die einzelnen Herrschaften hiesiger Gegend erhielten eine eigene Munizipalität“.

 

1791 war im Amte Bergheim Arnold Frh. Raitz von Frentz zu Schlenderhan Amtmann. Amtsverwalter war Ferdinand Schweren. Als Vogt und Kellner werden Ignatz Gartzen und dessen Nachfolger Anton Frentz genannt. Anton Frentz wird auch von Delhoven in seiner Chronik erwähnt, er ließ Reiter nach Dormagen schicken um ausstehende Zahlungen exekutieren zu lassen. Die Dormagener glaubten wegen ihrer Zuordnung vom Amt Bergheim zum Amt Kölln nichts mehr an Bergheim abführen zu müssen. Sie hatten sich mittels einer Klage beim Oberinspector in Kölln gegen die Forderung des Kellners Frentz von Bergheim gewehrt. Der Kellner von Bergheim hatte aber vom Oberinspector in Kölln Recht bekommen. Dormagen mußte die ausstehenden Abgaben an Bergheim bezahlen. In französischer Zeit waren folgend Leute in der Bergheimer Verwaltung tätig: S. A. Frentz (nicht zur Adels-Familie von Frentz gehörig) war maire (Bürgermeister) von Bergheim. Obersteuereinnehmer war Johann Jakob Meyer, Gerichtsschreiber Wolfgang Heidgens, Verwalter Theodor Covet, Amtsphysikus Ehlen. Rechtssachverständige waren damals: Konstantin Konrad Mauter, Theodor Correns, Aloys Rick und Josef Hons. Theodor Correns war zu dem noch am 13. Meßidor im 6. Jahre der Franzosen-Republik vom Zivil-Obertribunal zum Friedensrichter des Kantons Bergheim ernannt worden. Die Beisitzer dieses Friedensgerichtes waren Ferdinand Wahl aus Quadrath, Jakob Wallraf aus Ichendorf, Christian Coenen von der Pließmühle und Engelbert Müller aus Ichendorf. Die Sitzungen des Friedensgerichtes fanden jeden Mittwoch in Ichendorf statt. Notare in Bergheim waren 1791 Heinrich Böser und Leonhard Fleischheuer. Zur französischen Zeit hatte Heinrich Böser auch das Amt des stellvertretenden Präsidenten der Municipalverwaltung in Bergheim inne.

 

1795 bestanden zwischen Maas und Rhein acht Bezirksverwaltungen (Bezirke, arrondissements), denen eine Zentralverwaltung in Aachen übergeordnet war. Ab Mai 1796 wurden für die bisherige Verwaltungsorganisation, in Coblenz und Aachen zwei Generaldirektionen eingerichtet, die ausschließlich von Franzosen geführt wurden. Es entstand eine heillose Lage, die sich erst ab Februar 1797 besserte. Ein neuer Oberbefehlshaber, Lazare Hoche, hatte die Regierungsgewalt übernommen. Auf seinen Befehl hin übernahmen die vor 1794 tätigen Regierungsbehörden, Magistrate und Gerichtsinstitutionen wieder ihre Funktionen. Auch die alten Landstände traten wieder zusammen, um über eine bessere Versorgung und Unterhaltung des notleidenden Heeres zu beraten. General Hoche installierte über den verschiedenen Regierungen, als allein zuständige Zentrale, eine rein französische Mittelkommission, die sogenannte commission intermediaire. Sie residierte in Bonn. Hoche erhielt vom regierenden Direktor den Auftrag, in den niederrheinischen Landen einen „cisrhenanischen“ Pufferstaat ins Leben zu rufen. Hierzu erließ die Mittelkommission in Bonn, am 15. September 1797 eine Verfügung über die Befreiung von Zehnten und Feudallasten. Am 22. September wurde aus dem Jülicherlande ein selbständiger Bezirk mit dem Sitz in Düren gebildet. Die Akzeptanz für diesen Pufferstaat war in der Bevölkerung aber sehr gering. Nur an drei Orten des Herzogtums Jülich, in Bergheim an der Erft, in Enzen und in Groß-Altendorf kam es zur Pflanzung eines cisrhenanischen Freiheitsbaumes.

 

In Bergheim gab es eine Minorität für die Cisrhenanische Republik, die sich mit Hilfe des französischen Militärs durchsetzte und Anschluß an die Cisrhenanen in der Stadt Köln fand. Mit den Gesinnungsgenossen der zukünftigen Republik-Hauptstadt Köln, schloß die kleine republikanische Bergheimer Gruppe eine Verbrüderung.

 

Am 10. Oktober beauftragte das Bergheimer Förderationsbureau den Notar H. Boeser, alle hiesigen Einwohner zu ihrer Einstellung zur neuen Republik zu befragen. Durch eigenhändige Unterschrift sollten die Einwohner ihre Stellungnahme dokumentieren.

 

Führer der Bergheimer Cisrhenanen, die nur eine geringe Minderheit der damals 450 Einwohner waren S. Sieger sowie der Advokat G. Rick und sein Sohn. Von den 450 Einwohnern hatten sich bei der Umfrage des Notars Boeser nur 19 für die Republik erklärt. Als die Führer der Bergheimer Cisrhenanen danach versuchten, das von ihnen erwünschte Stimmergebnis durch den Einsatz von Gewaltmitteln zu erzwingen, wurden sie am 13. Oktober von der Bezirksregierung in Düren eindringlich zur Ruhe aufgefordert. Darauf wandte sich Sieger mit einem vom Magistrat der Stadt Köln erhaltenen Empfehlungsschreiben an den französischen General Jacobe` Trigny. Dieser empfing den Bergheimer Bürger persönlich und versicherte ihm, die Bergheimer sollten am 19. Oktober (28. Vendemaire) den ersehnten Freiheitsbaum mit seiner vollen Unterstützung pflanzen dürfen.

 

Ein Kölner Rats-Protokoll vom 22. Oktober, aus dem Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf besagt darüber: „Nachdem die vom Distriktsbureau zu Köln durch eine Deputation überbrachte Freiheitsfahne in Kenten angekommen, wurde sie von sämtlichen Freiheitsfreunden von Bergheim und umliegenden Gemeinden mit feierlicher Musik und unter dem Geläute aller Glocken, Begleitung der französischen Gendarmerie und Infanterie und Vorfahrung des Freiheitsbaums in Bergheim eingeführt, allwo im Beisein zweier Kommandierten des französischen Militärs von zweien Freiheitsfreunden, Bürgern Joseph Legt und Wilhelm Merkenich, zur feierlichen Pflanzung des Freiheitsbaumes die Beamten, Bürgermeister und sämtliche Einwohner eingeladen wurden. Auf welche Einladung die Bürger hiesiger Stadt erschienen, Vogt Gartzen, Amtsverwalter Schweren und Bürgermeister Puff hieselbst aber unter dem Vorwand ausschlugen, daß sie keine Föderation kennten, sohin sich dadurch als öffentliche Feinde des Volkes erklärt. Hierauf wurde fortgefahren und durch die Menge des Volkes, der Freiheitsbaum, unter dem Klange der Musik und beständigem Zurufen: „Es lebe die Französische Republik, es lebe die Cisrhenanische Republik!“ mit einhelligem Jubel errichtet.

 

Das „Frankfurter Journal“ vom 28. Oktober berichtete aber Gegensätzliches. Die Bauern der nächsten Ortschaften waren zwar zu dieser Feierlichkeit eingeladen worden, aber keiner war gekommen. Außer denen, die den Baum gesetzt hatten, waren nur 40 Dragoner zu deren Schutz anwesend.

 

Das Kölner Ratsprotokoll besagt über die Weiterentwicklung: „Unmittelbar darauf wurde die Verbrüderung der Stadt Köln und Bergheim nach dem Köln-Bonner Vorbild vollzogen. Am 21. Oktober erschien eine aus dem Advokaten Rick und seinem Agenten Grabler bestehende Deputation in der Sitzung des Kölner Magistrats, berichtete über das Ergebnis vom 19. Oktober und erklärte, „von ihren Kommittenten beauftragt zu sein, die Konföderationsfahne als ein Zeichen ihrer mit hiesiger Stadt feierlich abzuschließenden brüderlichen Vereinigung zu übergeben, fest vertrauend, die hiesige Stadt werde nicht abgeneigt sein, diesen Antrag gütig aufzunehmen und mit ihnen gemeinschaftlich zu trachten, alles mögliche zum Besten des allgemeinen Wohles beizutragen.“

 

Nach einer Ansprache des Präsidenten des Magistrates, P. J. Zurhoven, wurde die Konföderationsfahne freundlichst angenommen und nach den wiederholten Ausrufen: Es lebe die Fränkische, es lebe die Cisrhenanische Republik! der Bruderkuß unter beständigem Händeklatschen der anwesenden Bürger öffentlich gewechselt.

 

Die anschließend von den Bergheimer Föderierten und vom Kölner Magistrat unternommenen Schritte, um von der Mittelkommission die Bestätigung ihrer Wünsche zu erhalten, offenbarten indessen, daß der Plan der Cisrhenanischen Republik und demgemäß auch die Rolle der Stadt Köln als ihrer angeblichen Hauptstadt bereits keine Lebenskraft mehr besaßen.

 

Das Bergheimer Fest der Aufrichtung des Freiheitsbaumes hatte jedoch noch ein Nachspiel. Nach einem Bericht aus dem Herzogtum Jülich, vom 19. November, teilt das „Frankfurter Journal“ vom 28. November mit, das Fest in Bergheim habe 400 Reichstaler gekostet, deren Zahlung die Bürgerschaft verweigere, „weil sie ihrerseits an dem Freiheitsfeste nicht den mindesten Anteil genommen“. Die Bergheimer Cisrhenanen beschwerten sich bei der Mittelkommission und baten sie, „wider eine solche undankbare Bürgerschaft die unverzügliche Exekution eintreten zu lassen“. Allein wider Erwarten erfolgte darauf von der Mittelkommission folgende ganz gerechte Antwort: Nach der ihr von Hoche erteilten Vorschrift dürfe sie die Revolution in den eroberten Ländern anders nicht unterstützen, als sofern es der erklärte wahre Wille eines Volkes sei, frei zu sein. Da sich aber jetzt ergebe, daß die zu Bergheim wie an anderen Orten versuchte Revolution dem Willen und den Wünschen der Bürger geradezu widerstrebe, die Mittelkommission also hierin von Rick und Consorten durch falsche Vorstellungen betrogen worden, so sehe sie sich nicht imstande, der begehrten Exekution wider die Bürger zu willfahren, sondern müsse es der französischen Militärbehörde überlassen, für den Kostenbetrag von 400 Reichstaler diejenigen Personen anzuhalten, welche den militärischen Beistand nachgesucht hätten. In Gefolg dessen ist denn auch wirklich der „Irichs“, weil bei den übrigen Revolutionären nichts zu holen war, für die 400 Reichstaler exequiert, ihm jedoch freigelassen worden, seine Entschädigung wider seine Mitgesellen bestens nachzusuchen.“

 

Zu den damals neuorganisierten 41 Kantonen des Roerdepartements zählte seit dem 15. Juni 1798 auch der Kanton Bergheim. Jedem Kanton waren ein Kommissar des Vollziehenden Direktoriums und eine Munizipalverwaltung vorgesetzt. Die einzelnen Gemeinden erhielten als Organe der Vollziehenden Gewalt einen Munizipal-Agenten. An deren Stelle traten durch das Gesetz vom 17. Februar 1800 die Maires. Das Departement leitete der Präfekt in Aachen, das Arrondissement in Köln der Unterpräfekt. In allen Verwaltungsbezirken gab es Räte, die zu den Sonderbedürfnissen Stellung nehmen konnten.

 

Ab Januar 1795 verlangte die französische Regierung von der rheinischen Bevölkerung Zustimmungserklärungen (Reunionsadressen), für eine Vereinigung des Rheinlandes mit der Französischen Republik. Nur einige Behörden, aber nicht die Bevölkerung, gaben solche Erklärungen ab. Seit dem 13. November 1797 hatten die rheinischen Republikaner, Konstitutionelle Zirkel usw. mit Abgabe dieser Erklärungen begonnen. Sie stellten aber nur einen kleinen Bruchteil der Bevölkerung dar.

 

Aus den heute in den „Archives Nationales“ in Paris aufbewahrten, abgegebenen Adressen geht hervor, daß von den 41 Kantonen des Departements de la Roer, 9 Kantone keine Zustimmungserklärungen eingesandt hatten. In den übrigen Kantonen war das Resultat sehr unterschiedlich.

 

Einer der neun Kantone die keine Zustimmungserklärungen abgegeben hatten, war Bergheim. Nach einer Übersicht des Roerdepartements, umfaßte der Kanton Bergheim im Jahre 1798 neben dem Hauptort Bergheim noch folgende Orte:

 

Auenheim, Bedburg, Büsdorf, Caster, Angelsdorf, Elsdorf, Epprath, Esch, Fliesteden, Frauweiler, Garsdorf, Glessen, Glesch, Grottenherten, Harff, Hohenholz, Hüchelhoven, Ichendorf, Kenten, Kirdorf, Kirchherten, Kirchtroisdorf, Kleintroisdorf, Königshoven, Lipp, Mellendorf (Millendorf), Morken, Mülhaus (?)‚ Niederembt, Niederhausen (Niederaußem), Oberembt, Oberhausen (Oberaußem), Omagen, Paffendorf, Pütz, Quadrath, Rath, Rheidt, Wiedenfeld, Zieverich.

 

Der Kanton Bergheim hatte 10.365 Einwohner; Kommissär des Direktoriums bei der Kantonsverwaltung war seit dem 15. März 1798 H. G. Rick aus Bergheim. Am 15. April 1798 bildete sich in Bergheim ein profranzösischer Konstitutioneller Zirkel. Trotzdem ging aus Bergheim keine Reunionsadresse ein.

 

Hieraus kann man ableiten, dass auch die Bewohner von Bergheim und Oberaußem durch die Verweigerung der Zustimmungsadressen, gegen eine Vereinigung ihrer Heimat mit Frankreich gewesen sind.

 

In Paris wurde am 9. November 1799, nach einem Staatsstreich, Napoleon erster Konsul der Republik. 1802 wurde Napoleon dann vom französischen Volke zum Konsul auf Lebenszeit gewählt. 1804 läßt er sich zum Kaiser der Franzosen krönen. Unter ihm gibt es eine Neuordnung des Steuerwesens, ein neues Gesetzbuch, daß am 21. März 1804 verkündet wurde — der Code Civil, auch Code Napoleon genannt —‚ in dem die Neuerungen der Revolution verankert waren. Das ab 1804 unter Napoleon in Frankreich geltende bürgerliche Recht, hatte bis zur Einführung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches, am 1. Januar 1900 u. a. auch in dem linksrheinischen Teil von Rheinpreußen mit nachhaltiger Wirkung Gültigkeit.

 

Schon 1795 war die Zivilehe eingeführt und Gesetz geworden.

 

Auch im besetzten Rheinland waren die napolianischen Jahre 1804 bis 1811 für das Staatswesen von enormer Bedeutung. Es gab eine grundlegende Justizreform in den Bereichen Handelsgesetzbuch, Strafgesetzbuch, Zivil- und Strafprozesse. Die Schwurgerichte wurden eingeführt. Öffentliche und mündliche Verfahren ersetzten die bis dahin angewendeten geheimen und schriftlichen Verfahren. J. Hansen schreibt hierzu in seinem Werk zur Politischen Geschichte des Rheinlandes: „Die umständliche Vielgestalt der Vergangenheit wurde durch ein einheitliches, nicht nur klar und gemeinverständlich gefaßtes, sondern auch den realen Verhältnissen der Zeit und des Landes angemessenes Recht und eine übersichtliche Gerichtsverfassung ersetzt.“

 

Um die Gleichheit aller Bürger vor Recht und Gesetz durchzuführen, wurde auch im Kanton Bergheim anstelle des aufgelösten Schöffengerichts ein Friedensgericht gebildet. Es bestand aus dem Friedensrichter (Juge de Paix), zwei Assessoren und einem Gerichtsschreiber (Greffier). Die Befugnisse waren genau festgelegt und konnten von keinem Landesherrn willkürlich verändert werden. Die Bürger hatten nun erstmals die Möglichkeit, beim Tribunalgericht Berufung und beim Appellationsgericht Revision einzulegen. Damit war auch für Bergheim und Umgebung die Basis für eine sachliche Rechtsprechung gelegt. Nach dem noch vorliegenden französischen „Handbuch für Friedensrichter und Gerichtsschreiber“ aus dem Jahre 1807 wurde das Recht in französischer Sprache gesprochen. Im Friedensgerichtsbezirk Bergheim war laut dem französischen Jahrbuch des Departements de la Roer, im Jahre 1813 einer Namens Oeppen der Friedensrichter. Seine beiden Stellvertreter waren Constantin Garzen und Peter Neues. Der Gerichtsschreiber hieß Hons.

 

1796 war das gesamte Kirchengut einem Sequester („Verwahrung“) unterstellt worden. Den Pfarrern und Vikaren, sowie den Ordensleuten war eine geringe Pension zuerkannt worden. Es erfolgte das Verbot, Novizen in die Ordenshäuser aufzunehmen. Mit Dekret vom 9. Juli 1802 wurde die völlige Aufhebung aller geistlichen Genossenschaften angeordnet. Diese Anordnung einer Säkularisation (Verweltlichung) schloß die Einziehung des gesamten Kirchenvermögens ein. Die Verluste, die der Kirche durch Beschlagnahmung und entschädigungslose Enteignung des Kirchengutes entstanden sind enorm und wohl nicht mehr bezifferbar. Die Durchführung der Säkularisation, bei allen Abteien, Klöstern, Gütern, Kapitalien und Dotationen am 25. Februar 1803, war für den rheinischen Katholizismus ein furchtbarer Schlag.

 

Das Kölner Domkapitel war schon vor dem Einzug der Franzosen im Oktober 1794 nach Arnsberg geflüchtet. Die kirchliche Verwaltung des besetzten linksrheinischen Teils der Erzdiözese Köln, war von Arnsberg aus nicht möglich. Durch Konkordat und päpstliche Bulle wurde der linksrheinische Teil des Erzbistums Köln aufgehoben und dafür das Bistum Aachen errichtet. Die Aachener Diözese wurde entsprechend den Kantonen gegliedert, so daß sich die kirchlichen Verwaltungsbezirke grundsätzlich mit den Kantonen deckten. Im Jahre 1804 erfolgte durch den ersten Bischof von Aachen, Marcus Antonius Baerdolet, die Errichtung von 45 Haupt- und 504 Hilfspfarreien im Roerdepartement. Im Kanton Bergheim wurde die Pfarrei Bergheimerdorf am Kantonssitz Hauptpfarre. Die in diesem Kanton gelegenen weiteren 22 Kirchspiele blieben als sog. Sukkursalen (Hilfspfarren) bestehen und hatten „Desservants“ (Pfarrverwalter). Auenheim mußte trotz seines Alters auf die Pfarrechte zugunsten von Frauweiler verzichten (1804—1806). Glessen wurde am 16. April 1801 als Pfarre von Sinthern getrennt. Glesch erhielt 1802 selbständige Pfarrechte, die ihm aber 1808 zugunsten von Paffendorf wieder entzogen. Ebenso wurde Fliesteden mit Büsdorf (bis 1842) und Angelsdorf mit Esch (bis 1848) vereinigt. Seit 1804 waren die Zivilgemeinden zum Unterhalt ihrer Pfarrer verpflichtet, doch zahlreiche Ortsgeistliche waren, nachdem ihnen 1806 die Pfarrdotationen entzogen wurden, praktisch ohne Einkommen. Die meisten Gemeinden verfügten damals nicht über ausreichende Mittel, so daß viele Pfarrer in ständiger Not waren. Meist waren sie auf die Gebühreneinnahmen für ihre kirchlichen Dienste angewiesen. Mit der Verminderung der Anzahl der Hilfspfarreien 1807, erfolgte eine Neuregelung bei der Pfarrerbesoldung. Wenn die Gemeinden zahlungsunfähig waren, sollten die Pfarrer ein geringes Einkommen vom Staat erhalten. Vor der Bewilligung der kleinen Einkommen mußte der zuständige Kantonalpfarrer — in Bergheim Nikolaus Steiven —‚ einen Antrag stellen und dem zuständigen französische Verwaltungsbeamten von Klespe entsprechende Informationen einreichen. Dieser hatte hierfür einen umfangreichen Fragebogen an den Kantonalpfarrer geleitet, den die „Hilfspfarrer“ der Gemeinden ausführlich beantworten mußten. Bei dieser Gelegenheit hatte sich die Verwaltung nebenbei genaue Einsicht in die kirchlichen Verhältnisse verschafft.

 

Im Kanton Bergheim wurden darauf neben dem Kantonalpfarrer selbst, noch die Hilfspfarrer aus Auenheim, Büsdorf, Caster, Glessen und Fliesteden vom Staat bezahlt.

 

Nach der französischen Besatzungszeit erfolgte am 16. Juli 1821, durch eine Bulle von Papst Pius dem VII. die Aufhebung des Bistums Aachen. Die kirchliche Verwaltung des linksrheinischen Gebietes wurde wieder auf das Erzbistum Köln übertragen.

 

Ab 1802 wurden die Anordnungen der Säkularisation umgesetzt. Teile der kirchlichen und geistlichen Besitzungen wurden an französische Marschälle und Generale verschenkt oder zur Unterbringung von Veteranen verwendet. Der größte Anteil wurde aber öffentlich verkauft oder als französisches Staatsgut an die bisherigen Pächter verpachtet. Diese Staatsgutshöfe wurden nach der Vertreibung der Franzosen als Domänengüter vom preußischen Staat übernommen. Die meisten davon wurden in den 1820ger Jahren, mit Ausnahme großer Waldkomplexe, öffentlich verkauft.

 

1793 gab es im Kreise Bergheim folgende Stifte und Klöster:

 

Das Martinsstift in Kerpen, die Männerklöster Bethlehem bei Bergheim (Franziskaner), Bottenbroich (nur Rest des Prioratsbaues der Cisterzienser diente als Pfarrerwohnung), Bedburg (Augustiner) und Frauweiler (Augustiner) sowie das einziges Frauenkloster in Blatzheim (Cisterzienserinnen).

 

 

 

Straßenbau

 

Der seit 1804 in Frankreich herrschende Kaiser Napoleon hatte ja bekanntlich große, nach Osten gerichtete Eroberungsambitionen. Für das besetzte linksrheinische Gebiet forderte Napoleon zur Umsetzung seiner Pläne den großzügigen Ausbau des Straßennetzes. Es wurden strategische Aufmarschstraßen „Chausseen“ gebaut. Eine der damals ausgebauten Chausseen war die alte Römerstraße Köln—Bergheim—Jülich. Eine andere die Straße Köln—Kerpen—Düren. Die Straße Paris—Jülich—Bergheim—Köln hatte laut dem Correspondenzbuch der Mairie Esch ab 1. Januar 1813 die Bezeichnung „Kaiserliche Straße Nr. 2.“ Im Juli 1813 wurde sie verbreitert und mit einem festen Unterbau aus Rurschottern „chauseemäßig“ ausgebaut. Der Begriff „Chaussierung“ bedeutet die Aufbringung einer festen Straßendecke aus Schotter- oder Steinschlag. Der Franzose Tresageur hatte 1775 diese Straßenbauart erstmals ausgeführt, die danach als Chaussee zu einem festen, auch heute noch oft in unserer Heimat verwendeteten Begriff wurde.

 

 

 

Braunkohle

 

Die im linksrheinischen Gebiet lagernde „Braunkohle – Torf“ konnte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts von den Eignern oder Grundstückspächtern ebenso wie Ton, Sand oder Kies frei von Zwängen und Regularien ausgehoben werden. Auf Betreiben des französischen Präfekten Ladoucette, war 1811 die sogenannte rheinische „Umbererde“ zum „regalen Mineral“ ernannt worden. Hierdurch wurde ein Rechtszustand geschaffen, der es gestattete auch auf die „Klüttenkaulen“ eine Bergwerkssteuer zu erheben.

 

Zur Durchführung der Bergwerkssteuerverordnung vom 10. Mai 1811 machte der französische Bergbaubeauftragte Clere eine „Revierfahrt“. Die von ihm dabei gefundenen Klüttenkaulen nahm er in eine Liste (Bergwerkssteuerrolle) auf. Er bezeichnete die kleinen Gruben als „Mines non Concedees“ (nicht konzessionierte Bergwerke). In dieser ersten Bergwerkssteuerrolle für das Jahr 1812 sind auch Grubeneigentümer aus dem Gebiet von Oberaußem enthalten. Am 15. Juni 1812 trat das französische Bergrecht in Kraft und blieb als „Rheinisches Bergrecht“ bis zum Jahre 1865 gültig.

 

Ausführliche Informationen zur hiesigen Braunkohle können einer diesbezüglichen Ausarbeitung von Ulrich Reimann entnommen werden. Siehe hierzu Internet: Stadtteilforum-Oberaußem.de

 

 

 

Zuckerrübenverwertung

 

„Sücre de betteraves“ — so lautet ein Kapitel in dem Jahrbuch des Departements de la Roer für das Jahr 1813. Es enthält eine Auflistung der Personen, die gemäß dem kaiserlichen Dekrets vom 15. Januar 1812 eine Lizenz für die Herstellung von Zucker aus Rüben hatten. Im Rheinland war zuvor die angebauten Runkelrüben hauptsächlich zur Viehfütterung und zur Herstellung von Rübenkraut genutzt worden. Auf Anregung der französischen Regierung wurden dann in größerem Maße Runkelrüben zur Zuckerherstellung angebaut. Die Zuckerherstellung erfolgte aber noch mit primitiven Verarbeitungsmethoden und war eigentlich viel zu teuer. Erst die von Napoleon verhängte Kontinentalsperre für den aus Übersee kommenden Zucker aus westindischen Zuckerrohren, machte die Zuckergewinnung aus Runkelrüben für unsere hiesige Landwirtschaft profitabel.

 

 

 

Handel und Gewerbe

 

Vor der Franzosenzeit waren in unserem Land nur bestimmte Personenkreise zur Ausübung eines Gewerbes, Handwerks oder der Kaufmannschaft berechtigt. Es gab den Zunftzwang und man mußte Mitglied der entsprechenden Zunft oder Gilde sein. Gesellenbriefe und Meisterbriefe im Handwerk, konnten nur von einer entsprechenden Zunftorganisation erteilt werden.

 

Mit Einführung der Gewerbefreiheit durch die Franzosen wurde die Reichszunftordnung von 1731 ungültig. Das neue französische Rechtssystem unterstützte den damals beginnenden wirtschaftlichen Umbruch. Damals wurden aus dem neuen Rechtssystem resultierend, auch durch das Aufkommen der Fabriken, einzelne Handwerkszweige vernichtet oder in mißliche Lagen versetzt. Der Chronist Praeceptor Krantz aus Jülich ereifert sich darüber wie folgt: „In eben diesem Monat Junius (1798) ward auch allen Handwerkern, Kaufleuten und sonstiges Gewerb treibenden Leuten befohlen, sich mit einem Patent zu versehen, ihr Gewerb fortsetzen zu dörfen; dieses Patent mußte jährlich erneuert werden und der geringste Handwerker mußte für dieses wenigstens drei Livres oder einen Reichsthaler zahlen. Der mit einem Patent versehene durfte in ganz Frankreich frei arbeiten und sein Gewerb betreiben.“

 

 

 

Bildungssystem

 

Nach Ansicht der Franzosen gab es im Rheinland ein nicht ausreichendes, ungerechtes Bildungssystem. Das niedere Schulwesen wurde überwiegend von Geistlichen geführt oder geleitet. Ab 1798 sollte deshalb eine Umgestaltung gemäß den Vorgaben der Französischen Revolutionsverfassung erfolgen. Zur Durchführung der hier geforderten Verstaatlichung und Verweltlichung, wurde kurzfristig eine große Anzahl weltlicher Lehrkräfte erforderlich. Die neuen Lehrer sollten Rechnen, Lesen und Schreiben in beiden Sprachen unterrichten. Des Weiteren mußten sie dazu in der Lage sein, politischen Unterricht zur republikanischen Gesinnung zu erteilen. Natürlich gab es anfangs keine geeigneten Anwärter. Um festzustellen, ob die Bewerber erforderliche Kenntnisse besaßen, mußten ab 1. Nov. 1798 die Primärlehrer (Volksschullehrer) vor ihrer Anstellung examiniert werden. Ab dem 1. Mai 1802 war ein neues Schulgesetz eingeführt worden. Nun gab es Primär- und Sekundärschulen, Lyzeen und Spezialschulen. Primärschulen (Volksschulen) waren von den Gemeinden einzurichten und zu unterhalten. Die Errichtung von Sekundärschulen (Mittelschulen) überließ man Gemeinden oder Privatleuten. Lyzeen und Spezialschulen unterhielt allein der Staat.

 

Trotz aller behördlichen Vorschriften war der Unterrichtserfolg auf dem Lande nicht sehr groß. Noch 1808 ergab eine Nachprüfung, daß ein Fünftel der Bevölkerung weder lesen noch schreiben konnte, was sicherlich auch auf die Schulverhältnisse der vorfranzösischen Zeit zurückzuführen war. Zwar wagten die Gemeinden bereits damals schließlich nicht mehr ungeprüfte Lehrer anzustellen, aber man duldete auch weiterhin die kleinen, sogenannten „Winkelschulen“.

 

Schulinspektor des Roerdepartements war um 1811 ein Abbe` Ranc von der Akademie in Lüttich, der zeitweise Prüfungen aller Lehrer in den einzelnen Bezirken abhielt. Ab dem 1. Januar 1811 war auch Unterricht in französischer Sprache an allen Schulen vorgeschrieben. In zweijährigen Seminaren sollten alle Lehrer eine entsprechende Ausbildung erhalten. Die Bürgermeister mußten geeignete Personen benennen, denen am Studienort freie Wohnung und Verpflegung von der Gemeinde gestellt werden mußte.

 

Das Hauptziel der französischen Schul- und Staatspolitik war eine allmähliche Französierung der Bevölkerung. Zur Umsetzung dieses Vorhabens nachfolgendes Beispiel. Der Kerpener Maire berichtete am 22. Dezember 1810 an den Unterpräfekten in Köln: „In Folgerichtigkeit Ihres Briefes vom verflossenen 10. Dez. und dem Erlaß des Präfekten vom 12. August letzthin habe ich die Ehre, Ihnen zu berichten, daß die französische Sprache unterrichtet wird in der Schule zu Kerpen und daß Maßstab genommen wird, daß sie in der gleichen Weise in der Schule von Moedrad gelehrt wird. Alle Bekanntmachungen, öffentlichen Anschläge, Erlasse werden in französischer Sprache gehalten in der Weise, daß für die Ausbreitung der französischen Sprache nichts zu wünschen bleibt.“

 

Noch lange nach der Besetzung des Rheinlandes durch die Franzosen, war deutsch die hiesige Amtssprache. Ab 1807 wurde französisch alleinige Amtssprache in unserem Lande.

 

 

 

Zeitrechnung und Feiertage

 

Die Franzosen hatten mit der Revolution auch die christliche Zeitrechnung abgeschafft und durch eine ganz neue ersetzt. Am 14. Februar 1799 wurde auch für das Rheinland der Dekadetag (jeder zehnte Tag) festgelegt. Dieser Tag mußte wie der christliche Sonntag gefeiert werden, öffentliche Arbeit war verboten. Der Chronist Krantz berichtet dazu: „Hier ist zu erinnern, daß die Franzosen die christliche Zeitrechnung abschafften und eine ganz neue einführten. Ihr Jahr fing mit dem 22. September an, hatte zwölf Monate, jeder Monat 30 Tage, jede Woche aber, die sie decade nannten, zehn Tage, der zehnte Tag war ihre Decade oder ihr Sonntag. Da nun diese zwölf Monate nur 360 Tage insgesamt ausmachten, also fünf Tage überschossen, so wurden am Ende des Jahres diese fünf Tage eingeschaltet und Jours complementaires oder Ergänzungstage genannt.“ Ab dem1. Januar 1806 galt aber wieder die christliche Zeitrechnung.

 

Die Französische Republik hatte zahlreiche Feste eingeführt. Im linksrheinisch besetzten Gebiet waren seit 1795 mehrere gefeiert worden, ohne daß die Bevölkerung daran teilgenommen hatte. Das französische Direktorium forderte darauf, die Beteiligung aller an den festgesetzten Festen. Wie in jedem Kanton des Departements mußten jetzt auch im Kanton Bergheim sieben Nationalfeste gefeiert werden:

 

 

 

1. Fest der Errichtung der Republik am 1. Vendemaire (22. Sept.);

 

2. Fest der Jugend am 10. Germinal (März 30);

 

3. Fest der Eheleute am 10. Floreal (April 29);

 

4. Fest der Dankbarkeit am 10. Prairial (Mai 29);

 

5. Fest des Ackerbaus (Erntefest), am 10. Messidor (Juni 28);

 

6. Fest der Freiheit am 9. und 10. Thermidor (Juli 27 und 28);

 

7. Fest der Greise am 10. Fructidor (Aug. 27).

 

 

 

Als Feiertage waren außerdem der 21. Januar, der 20. März, der 14. Juli und der 10. August festgesetzt.

 

 

 

Das Ende der französischen Herrschaft im Rheinland

 

Die Niederlage des französischen Heeres unter Napoleon, im Winter 1812 bei Moskau, leitete auch das Ende der Besetzung des Rheinlandes ein.

 

Die Flucht aus Moskau führte die Reste der Armee auf ihrem Rückweg nach Frankreich wieder durch das Erftland. Die Versorgung der zurückweichenden Soldaten mußte von der Bevölkerung sichergestellt werden. Für die von Napoleon unverzüglich neu aufgestellte Armee wurde unsere Heimat direkt anschließend nochmals aufs schwerste belastet. Das galt dabei nicht nur für die materielle Ausrüstung der neuen Armee sondern auch für die personelle Auffrischung. Bisher konnten sich die für eine Einziehung in die Conscribtionslisten eingetragenen 20—30-jährigen „Losledigen“ noch durch Stellung eines Stellvertreters freikaufen. Laut Chronist Krantz wurde nun so scharf zu Werk gegangen, daß auch der einzige Sohn einer Witwe nicht freiblieb.

 

Bereits Anfang Mai 1813 stand die neuformierte französische Armee wieder in Sachsen. Am 18. Oktober kam es dann zur Völkerschlacht bei Leipzig kam. Wiederum schwer geschlagen, floh Napoleon mit Resten der Armee westwärts. Mit den Festungen des linksrheinischen Gebietes wurde eine äußere Verteidigungslinie aufgebaut. Jülich wurde hierzu mit insgesamt 4.450 Mann belegt. Wie der derzeitige Maire der Mairie Esch, Johann Anton Wolff, in seinem chronologisch geführten Correspondenzbuch berichtet, hatten die Einwohner dieser Bürgermeisterei zunächst ununterbrochen Fourage für die Festung Jülich zu liefern. Gelegentlich mußte die hiesige Bevölkerung sogar Fouragelieferungen bis nach Koblenz durchführen. Die Bezahlung dafür wurde mehrfach angemahnt. Ob sie je erfolgte, ist nirgends vermerkt.

 

Die Belagerung der Festung Jülich dauerte drei Monate. Am 29. April 1814 mußten sich die Franzosen den Verbündeten ergeben. Danach hatte die hiesige Bevölkerung neue Lasten durch deren Truppen — ständige Einquartierungen und Verpflegung von Mann und Pferd — zu tragen. Dabei wurde, wie Krantz vermerkt, das hiesige Land nicht als ein alliiertes, sondern als ein erobertes Land betrachtet. Die ersten verbündeten Truppen zogen im Januar in die Dörfer des Amtes Esch ein. Diesen Vorgang hat Wolff in seinem Correspondenzbuch mit dem Vermerk festgehalten: „Am 15. Januar 1814 zogen die Franzosen in der besten Ruhe und Ordnung fort, und am 17. Januar sahen wir hier die ersten Truppen der hohen Verbündeten, die Kosaken ankommen.“ Am 23. Januar berichtet Wolff dem Bezirkspräfekten von Köln, daß er dessen Ersuchen auf Lieferungen von Heu, Hafer und Stroh in das Kölner Magazin nicht mehr nachkommen könne, zumal seine Mairie abwechselnd nach Bergheim, nach Steinstraß, nach Titz, wo er persönlich den kommandierenden General der Kosaken wegen der Lieferungsforderungen aufsuchte, zu liefern habe.

 

Jedoch scheint die Intervention in Titz wenig genutzt zu haben, denn einige Tage später kam ein strenger Befehl, unverzüglich 130 Malter Hafer ( etwa 130 Doppelzentner) und 12 000 Pfund Heu nach Aldenhoven zu liefern. Weiterhin beschwert sich Wolff bei dem Präfekten, daß er von dem kommandierenden General in Hambach ständig gequält werde, obwohl seine Mairie durch ständige Lieferungen von Hafer, Heu, Stroh, Butter, einspännige und zweispännige Karren, Pferde, Kühe und Heranziehung der Männer zur Schanzarbeit bereits so gelitten habe, daß in seinem Amte (einem landwirtschaftlich hochwertigen Gebiet) keine Fourage mehr vorhanden sei. Die Dörfer seien zudem ununterbrochen mit Truppen belegt, die mit ihren Gespannen verpflegt werden müßten.

 

Gleiche Lasten hatte wohl das gesamte heutige Kreisgebiet zu tragen. So richtet der Maire von Kerpen am 18. Januar 1814 an den Unterpräfekten in Köln folgenden Notruf: Er sehe sich nicht in der Lage, noch einen Beitrag mehr zu den Fourage-Requisiten ins Magazin Cölln liefern zu können. Dabei führt er aus: „Vom 12. November bis 4. Dezember hat die Gemeinde Kerpen das ganze Depot von 10 Kavallerie-Regimentern unterhalten, die hierüber ausgestellten Fouragebons zu 2690 Rationen habe ich Ihnen überschicket.“ Er fährt fort: „Den 14. und 15. Jenner haben wir das ganze 139. und 140. Regiment Infanterie mit ihrem ganzen Train und Bagage sowie das 5. Dragoner-Regiment zur Einquartierung bekommen. Den 17. dieses rückten zwey ganze Cosacken-Regimenter nebst einem beträchtlichen Zug Artillerie, zusammen über 1 000 Pferde hier ein, welche heut nachmittag weiter gezogen seind. Die Requisitionen und Lieferungen aller Art, welche wir an diese Truppen haben abliefern müssen, haben unsere Gemeinde dergestalten erschöpft, daß kein Tropfen Bier und Brandwein und kein Pfund Fleisch mehr hier vorhanden ist.“

 

Eindrucksvoll schildert der Maire: „Aller Vorrat von Heu, Haaber und Strohe hat an die hier einquartierten Truppen abgeliefert werden müssen. Nach Aufhebung des Lagers findet sich auf unserm Stiftsplatz ein solcher Vorrath von zusammengetretener Haaber, Heu und Strohe, daß, wenn solches noch brauchbar wäre, dieses allein noch unser zu lieferndes Quantum ins Magazin zu Kölln weit übersteigen würde.“

 

Am 20. Januar 1814 droht der Maire mit der Evakuierung von Kerpen mit folgendem Schreiben: „Herr Unterpräfekt! Wie es verlautet, sollen wir heute abermals 2 000 Cosacken in Kerpen zur Einquartierung bekommen, ohngeachtet unsere Gemeinde sowohl von Fourage als Pferde zum Transport völlig entblößet ist. Unsere verzweiflungsvolle Lage zwingt uns zu dem bestimmten Entschluß, noch heute samt und sonders mit unsern Familien und unserem Viehe aus Kerpen zu ziehen, und das leere Dorf den einziehenden Truppen zu ihrer Disposition zu überlassen, wenn nicht von der Civil- und Militärbehörde die schleunige Verfügung getroffen wird, daß die Truppen in die Gemeinden des Cantons verlegt werden, von diesen Fourage nach Kerpen geliefert und zugleich die benötigte Anzahl von Pferden zum Transport des Militärs auf der Stelle vom Canton gestellet werden. — Wir bitten, Herr Unterpräfekt, sich unser in unserer traurigen Lage anzunehmen und schleunige Maßregeln zu unserer Rettung zu ergreifen.“

 

Nach der völligen Niederlage Napoleons, wurde am 30. Mai 1814 der Pariser Friede geschlossen. Die Franzosenherrschaft im Rheinland war nach zwanzig Jahren zu Ende. Frankreich wurde in seine Grenzen von 1792 zurückverwiesen. Am 5. April 1815 fiel das Rheinland dann an die preußische Krone. Am 30. April erfolgte die Neueinteilung des Preußens in Provinzen und Kreise, die erst ein Jahr später im linksrheinischen Bereich durch Neugliederung ihre gültige Form erhielten. Als bekannt wurde, daß Napoleon die Insel Elba heimlich verlassen hatte und in Paris ein neues Heer aufstelle, befürchtete die hiesige Bevölkerung, daß ihre Heimat erneut zum Kriegsschauplatz würde. Napoleon hatte unverzüglich seine neue Armee in Bewegung gesetzt. Er marschierte Richtung Niederlande, wo die Preußen und Engländer standen. Im Juni 1815 kam es bei Ligny zu mehrtägigen Kämpfen. Die folgende berühmte Schlacht bei Belle-Alliance (Waterloo unweit Brüssel) brachte der Napoleonarmee die entscheidende Niederlage. Die Preußen unter Blücher und die Engländer unter dem Herzog von Wellington sorgten für Napoleons persönliches Waterloo. Napoleon selbst wurde lebenslänglich auf die Insel St. Helena verbannt, wo er auch später starb. Am 30. November 1815 wurde mit dem 2. Pariser Frieden bestätigt, daß das Rheinland beim deutschen Vaterlande verblieb. Endlich hatte unsere Heimat das Joch der Franzosen abgeschüttelt.

 

Am 20. April 1816 wurde aus den ehemaligen französischen Kantonen Bergheim und Kerpen der Kreis Bergheim mit dem Verwaltungssitz in Bergheim gebildet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellenverzeichnis:

 

 

 

· Buch 150 Jahre Landkreis Bergheim

 

· Rheinische Dorfchronik, Joan Peter Delhoven

 

· Das Erftland in französischer Hand, von Hans Höhner

 

· Heimatkunde des Kreises Bergheim, von F.W. Noll

 

· Chronik 100 Jahre Pfarrkirche St. Vinzentius in Oberaußem, von Christian Kämmerling

 

· Heimatkunde von 1912 der Gemeinde Oberaußem von Josef Dürbaum

 

· Unser Heimatort, von Theodor Bondü

 

· Ausarbeitung von Gerd Friedt, Namen von Oberaußem

 

· Eigene Recherchen und Texte von Ulrich Reimann