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Der einstige Leuchtturm auf dem Oberaußemer Driesch

Betrachtung von Ulrich Reimann

 

1. Allgemeines

 

In Oberaußem, auf dem Tonnenberg, in unmittelbarer Nähe der alten Windmühle, befand sich in der Zeit zwischen 1930 und 1961 ein für die zivile Luftfahrt gebautes sogenanntes Streckenfeuer, im Volksmund auch als „Der Leuchtturm“ bekannt.

 

 


Mühlenhof, Leuchtturm und Windmühle um 1950

Hierbei handelte es sich um einen Stahlgittermast von ca. 21 m Gesamthöhe, der mit einer elektrisch betriebenen Scheinwerfereinrichtung ausgestattet war. Sinn und Zweck des Turmes bestand darin, als Streckenleuchtfeuer, den auf der festen Nachtflugstrecke Flugstrecke Köln – Brüssel verkehrenden Flugzeugen eine zusätzliche, sichere Orientierungshilfe zu geben. Man kann die Aufgaben des Turmes in etwa mit denen der wohl allgemein besser bekannten festen Leuchttürme an den Meeresküsten, zur Orientierung der Schifffahrt vergleichen.

Zwischen den Flughäfen Köln-Butzweilerhof und Brüssel waren zehn dieser Streckenfeuer fest installiert. Vier davon befanden sich auf deutschem Gebiet. Das Leuchtfeuer direkt am Flughafen Köln, das in Oberaußem, eins bei Mersch (Jülich) und eins in Neuteveren bei Geilenkirchen, kurz vor der Holländischen Grenze. Die weiteren Leuchttürme der Strecke befanden sich alle in Belgien. Das Leuchtfeuer Boorsheim, stand kurz hinter der Grenze Holland Belgien. Es gab also keines direkt auf Holländischem Gebiet. Holland wurde von den Lichtkegeln aus Belgien und Deutschland überstrahlt und somit auch überflogen. Bis Brüssel folgten noch die Leuchtfeuer Hasselt, Cortenacker, Wilsele, Everberg und das Leuchtfeuer Flughafen Brüssel. Die einzelnen Leuchttürme standen jeweils etwa 20-25 km voneinander entfernt.

Generell betrachtet, ermöglichten die Leuchtfeuer, im Zusammenwirken mit den anderen, damals bekannten Navigierungseinrichtungen, der Luftfahrt einen recht sicheren Flugbetrieb bei Nacht.

In der Fernmeldebetriebsordnung für die Verkehrsflugsicherung von 1939, Anhang VIII. waren u.a. die Standorte der Leuchtfeuer eingetragen. Die damals für die Strecke Köln Brüssel angegebenen Standort-Koordinaten waren wohl teilweise nicht ganz richtig.

Die Abweichung erklärt sich wohl damit, daß die Leuchtfeuer den Piloten nur zur "visuellen" Navigation dienten, und nicht wie moderne Funknavigationsanlagen elektronisch angepeilt wurden. Es war daher offenbar nicht notwendig, in der FBO die Koordinaten auf eine Zehntel- oder sogar Hundertstel-Sekunde genau anzugeben.

 

Name Leitfeuer

Standort „E“

Standort „N“

Entfernung von Köln in km

Köln FH (DDK)

6°, 54`

50°, 59`

0

Oberaussem

6°, 41`, 23``

50°, 58`, 28``

14,8

Mersch

6°, 22`, 30``

50°, 58`, 28``

36,8

Neuteveren

6°, 02`, 47``

50°, 57`, 00``

59,8

Boorsheim

5°, 43`, 24``

50°, 56`, 39``

82,5

Hasselt

5°, 21`, 13``

50°, 56`, 02``

108,5

Cortenacker

5°, 03`, 35``

50°, 54`, 38``

129,2

Wilsele

4°, 42`, 35``

50°, 54`, 10``

153,9

Everberg

4°, 33`, 35``

50°, 52`, 49``

164,8

Brüssel FH

4°, 25`

50°, 53`

175

 

 

Noch heute gibt es die Betonbodenplatte des einstigen Leuchtfeuers Aschau, Foto Henrik Baartz

2. Konstruktionsmerkmale und Technik

 

Das Foto des Leuchtturmes von 1951 zeigt noch recht deutlich das Konstruktionsprinzip. Es handelte sich um einen stählerner Gittermast, der auf einer als Fundament dienenden Betonbodenplatte montiert war. In ca. 19 m Höhe befand sich eine rundum begehbare quadratische (ca. 2,8 x 2,8 m) Plattform, aus gelochtem Stahlblech. Rundum war die Plattform nach außen hin mittels eines ca. 2 m hohen Stahlgeländers abgesichert. In der Mitte der Plattform gab es eine nach oben aufschwenkbare, verschließbare Bodenklappe. Mittig über der Bodenklappe befand sich eine weitere Stahlkonstruktion als Traggerüst für einen runden Behälter, der die Scheinwerfer beinhaltete. Als Witterungsschutz war noch etwas überhöht ein Runddach über dem Lampenbehälter montiert. Beidseitig, eine in Richtung Köln und eine in Richtung Jülich, befanden sich Öffnungen im Scheinwerferbehälter. Diese hatten wohl den Zweck, den Lichtkegel des Leuchtfeuers auf die beiden vorgegebenen Richtungen einzugrenzen, um den Flugzeugführern eine möglichst genaue Orientierungshilfe zu geben.  Zur Wartung der Lampen befand sich über der Bodenplatte eine kleinere Standkonsole. Der Zugang zur oberen Plattform erfolgte über ein fest im Innern des Gitterturmes montiertes Stahlleiternsystem. Im 1. Drittel des Mastes war es eine im Winkel von ca. 80 ° ansteigende Leiter mit etwa 20 Sprossen, die auf ein Zwischenplateau mündete. Von dort aus ging es über eine fast senkrecht führende zweite Leiter mit ca. 35 Sprossen nach oben bis zur Einstiegsluke der oberen Plattform. Um die erste fest montierte Leiter zu erreichen wurde aber eine transportable Leiter benötigt, wahrscheinlich um zu verhindern, dass der Turm von jedem einfach zu besteigen war.

Zur Elektroversorgung der Gesamtanlage befand sich auf der Betonbodenplatte innerhalb des Turmes ein Schalthaus aus Stahlblech. In dieser Schaltanlage waren alle Elektrobetriebsmittel wie Schraubsicherungen, Schaltrelais u.a. untergebracht. Von dort aus führten in Schutzrohren innerhalb der Mastkonstruktion verlegt, die erforderlichen Elektro-Leitungen nach oben zum Leuchtensystem im Scheinwerferbehälter.

Bei dem Leuchtfeuer selbst hat es sich laut Zeitzeugen um ein Drehscheinwerfersystem gehandelt, welches mittels Elektroantrieb angetrieben wurde. Der Scheinwerfer strahlte nicht ständig. Er soll ca. alle 3 Sekunden ein kurzes Blinksignal abgegeben haben. Bei mittlerer Sicht soll es über eine Entfernung von 65 km sichtbar gewesen sein. Die Piloten der damals auf dieser Strecke verkehrenden Flugzeuge hatten demzufolge vom ersten Sichtkontakt bis zum passieren des Blinkfeuers etwa 25 Minuten Zeit. Ob das Leuchtfeuer auch am Tage eingeschaltet wurde, ist z.Zt. nicht bekannt aber eher unwahrscheinlich. Fest steht wohl, dass die Leuchtfeuer der Nachtflugstrecken in Deutschland von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang" in Funktion waren.

Für die Sommerzeit des Jahres 1939, als Wartung und Betrieb der Befeuerungsanlagen der Reichsflugsicherung im Reichsluftfahrtministerium unterstand, sind feste Betriebszeiten bekannt. Die Anlage mußte am Abend von 40 Minuten nach Sonnenuntergang bis 1.00 Uhr eingeschaltet werden. Nach einer kurzen Nachtpause war sie dann von 3.00 Uhr bis 40 Minuten vor Sonnenaufgang wieder in Betrieb zu nehmen. Die Oberaußemer Bürger, insbesondere die Bewohner im Haus nahe der Windmühle, sahen also zur damaligen Zeit fast die gesamte Nacht über das Blinken des Leuchtfeuers auf dem Tonnenberg. Außerdem ist wohl klar, dass das die Motorengeräusche der das Leuchtfeuer überfliegenden Maschinen, des öfteren die Nachtruhe der Oberaußemer gestört haben muß. Wahrscheinlich Anfang der 40-ziger Jahre wurde der Betrieb des Oberaußemer Leuchtfeuerendgültig eingestellt.

Nach erfolgter Demontage der Elektroeinrichtungen, wurde der Leuchtturm sich selbst überlassen und der Verrottung und dem allgemeinen Verfall preisgegeben.

 

 

3. Persönliche Erinnerungen an den Leuchtturm von Ulrich Reimann

 

Der etwas abseits vom damaligen Oberaußem stehende stählerne Gitterturm, bot zusammen mit der direkt nebenan stehenden alten Windmühle für uns Kinder, ein wie wir damals glaubten ideales Abenteuerrevier. Zu dieser Zeit waren nur noch der Gittermast  mit oberer Plattform und Scheinwerferbehältnis sowie Reste vom ehemaligen Elektroschaltschrank im unteren Mastteil erhalten. Wir fanden es einfach toll, auch dieses Relikt vergangener Zeit in unsere Spielmöglichkeiten einzubeziehen und zu erobern. Die Besteigung des Leuchtturmes, der wie wir damals schon wußten, aus der Pionierzeit der Fliegerei stammte, war ja nicht ganz einfach und es erforderte schon eine gehörige Portion Mut, heute würde man sagen jugendlichen Leichtsinn.

Um die oberste Plattform des Turmes mit dem Scheinwerfersystem zu erreichen war oft eine waghalsige Kletterpartie erforderlich. Zuerst galt es ja ohne Leiter den Anfang der ersten im Turm fest montierten Stahlleiter zu erreichen. Hierzu wurde der untere Teil der Gitterkonstruktion als Aufstiegshilfe benutzt. Nach einiger Mühe gelangte man auf eine innere Plattform und somit an den Fuß der Stahlleiter, die recht steil nach oben führte. Nach Bewältigung der ca. 15 Leiterstufen wurde eine weitere Zwischenplattform erreicht. Von hier ging es dann fast senkrecht über die ca. 35 Leiterstufen der zweiten Stahlleiter im Turm nach oben. Ich erinnere mich noch gut an das Angstgefühl, dass mir beim Aufstieg meist auf halber Höhe in die Glieder kroch. Wenn ich beim besteigen dieser Leiter nach oben zum Himmel schaute, dachte ich meist der ganze Turm würde mit mir rückwärts umkippen. Es kostete dann eine enorme Selbstüberwindung um weiterzusteigen. Der schwierigste Teil der Kletterpartie folgte aber erst nachdem die Einstiegsluke erreicht war.

Die schwere Abdeckklappe aus Stahlblech war meistens heruntergeklappt. Aufgrund des Gewichtes war es für uns Jungen ja fast unmöglich diese nach oben hin zu öffnen. Das mußte mit einem Arm durchgeführt werden, da man sich ja gleichzeitig an der steilen Leiter festhalten mußte. Als außergewöhnliche Mutprobe galt aber die Besteigung der oberen Plattform bei verschlossener Bodenklappe. Den in diesem Falle erforderlichen halsbrecherischen Kletterakt vom Ende der Leiter, außen am Turm entlang über das Plattformgeländer bis auf die Scheinwerferplattform zu gelangen wagten nur wenige. Es ist für mich persönlich heute einfach unverständlich, daß wir damals als Kinder so leichtsinnig waren und einen Absturz aus großer Höhe mit wahrscheinlich schlimmen Folgen einfach in Kauf genommen haben. Zum Glück hat es meines Wissens nach damals keinen schweren Unfall am Leuchtturm gegeben. Natürlich war es für uns Kinder ein schon ein berauschendes, abenteuerliches Gefühl ganz oben auf dem Leuchtturm zu stehen. Es machte uns stolz den weniger Mutigen gegenüber damit prahlen zu können, dass man sogar bei der schönen Fernsicht von oben aus den Kölner Dom fabelhaft sehen konnte. Die Besteigung des Turmes brachte im Freundeskreis ja auch eine gewisse Bewunderung und Anerkennung mit sich.

 

Ich habe noch gut in Erinnerung, dass ich im Alter von 13 Jahren einmal einen ganzen Nachmittag bei schönem Sommerwetter  alleine dort oben in luftiger Höhe verbracht habe und dabei die alte gegenüberliegende Windmühle gezeichnet habe.

 

 

4. Beseitigung des Leuchtturmes.

Im Zuge der Bebauung des Geländes auf dem Tonnenberg, im Umfeld des Leuchtturmes und der alten Windmühle, sowie der Erfordernis etwas gegen den sich nach dem Kriege hier entwickelten, mit großen Gefahren für die Kinder verbundenen wilden „Abenteuerspielplatz Leuchtturm - alte Windmühle“ zu unternehmen, beschloss der Gemeinderat von Oberaußem 1961 den Abriss des Turmes.

Das Grundstück auf dem der Leuchtturm stand gehörte 1959 der Bebauungsgesellschaft GSG. Die GSG war dann bereit dieses Grundstück mit einer Auflage bezüglich der Weiterverwendung an die Gemeinde zu übertragen. Der Gemeindehauptausschuss gab nach einer Beratung am 19.1.1959 eine diesbezügliche Empfehlung an den Gemeinderat von Oberaußem.

Nachfolgend ein Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Gemeindehauptausschusses.

Betr.: Grundstücksübertragung durch die GSG.

Die GSG ist Eigentümer der Grundstücksparzelle, Gemarkung Oberaußem, Flur 5, Nr. 433 (Leuchtturm), groß 10,64 ar. Diese ist bereit, die Grundstücksparzelle der Gemeinde zur Anlegung eines Kinderspielplatzes unentgeltlich zu übertragen. Dem Rat wird die Annahme dieses Angebotes empfohlen. Die mit der Grundstücksübertragung verbundenen Kosten sind von der Gemeinde zu tragen.

Hierzu ein Auszug aus dem Protokoll der Gemeinderatssitzung in Oberaußem vom 16.02.1961

Betrifft: Abbruch des Leuchtturmes in Oberaußem.

Der Leuchtturm ist zum Abbruch freigegeben worden, Der Schmiedemeister Peter Decker ist bereit, den Leuchtturm ohne Entschädigung bodengleich zu beseitigen. Auf Empfehlung des Hauptausschusses wird beschlossen, dem Schmiedemeister Decker den Leuchtturm zum Abbruch entschädigungslos zu überlassen. Kosten und Gefahr der Demontage gehen zu Lasten des Schmiedemeisters Decker. Peter Decker erhielt daraufhin einen dementsprechenden Auftrag.

Im Laufe des Jahres 1961 verschwand dann mit dem Abbruch des alten Leuchtturmes durch die Oberaußemer Firma Peter Decker ein weiteres bekanntes Wahrzeichen unseres Ortes.

 

An der Stelle wo einmall der Leuchtturm stand, befindet sich heute ein PKW-Parkplatz.

 

An dieser Stelle stand bis 1961 der Leuchtturm von Oberaußem, Foto U. Reimann 1.9.2005
Luftbild von Google Earth Mai 2010

Quellen:

 

  • Bemerkungen zu einem Streckenfeuer für die Zivilluftfahrt in Oberaußem  um 1930-1940 von Josef Krings, Kerpen
  • SW-Fotos: Privatfoto Oberaußemer Bürger, Gert Friedt
  • Foto Bodenplatte Leuchtfeuer Aschau, Henrik Baartz
  • Luftbild aus Google Earth
  • Sitzungsprotokoll Hauptausschuss, vom 19.1.1959
  • Sitzungsprotokoll Gemeinderat Oberaußem, vom 16.2.1961
  • Layout, Textüberarbeitung und neue Texte, Foto: U. Reimann 2005, 2010