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Oberaußem - Fortuna und die Braunkohle

 

6. Die Entwicklung der Grube Fortuna

 

Speziell zur Entwicklung der alten Grube Fortuna sollen die nachfolgenden, originalen Textabschnitte aus einer Revier und Werk-Veröffentlichung informieren.

Diese ehemalige Zeitschrift für die Betriebe des Rheinischen Braunkohlenbergbaus, hat in den Jahren 1950, 1951 und 1952 die „Entwicklung der Grube Fortuna“ veröffentlicht und diese Werksgeschichte 1952 als Sonderdruck herausgegeben.

Verfasser der Werksgeschichte ist der ehemalige Rechnungsführer der Grube Fortuna (1941 – 1956) Heinrich Hürth. Er hat hierzu von Bergassessor Schulze-Vellinghausen und den Betriebsdirektoren Bornemann und Scharf gesammelte und niedergeschriebene Unterlagen sowie eigene Aufzeichnungen verwandt.

Einige der hierin enthaltenen Informationen wurden zwar in den vorhergehenden Kapiteln dieser Ausarbeitung z.T. schon recht ausführlich wiedergegeben, sollen aber bewußt nicht aus der Aufschreibung von Heinrich Hürth entfernt werden.

 

Abschnitt 6.1; von den Anfängen bis 1824

 

Die Grube Fortuna ist die Stammzelle der Rheinischen Aktiengesellschaft für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation Köln. Fortuna besitzt das Abbaurecht für die zusammenhängenden Braunkohlenfelder „Giersberg-Fortuna, Schlenderhan, Urwelt 1 und II sowie Geretzhoven“.

Wann zuerst im Gelände der jetzigen Grube Fortuna nach Braunkohle gegraben wurde, ist nicht bekannt. Anzunehmen ist, daß dies schon vor Hunderten von Jahren geschehen ist. Eine im Archiv des Schlosses Frentz vorhandene Schenkungsurkunde des im Jahre 1527 mit den im Schlosse Schlenderhan belehnten Winand Raitz von Frentz besagt zum Beispiel, daß der Betreuer der Gastes-Herberge in Ichendorf jährlich eine gewisse Menge „Knabben zur Beheizung der Gastes-Räume erhalten soll.

In einem Talausläufer des Vorgebirges, nahe beim früheren Forsthaus Schlenderhan, wurde die Braunkohle fast ohne Deckgebirge angetroffen. Es besteht die Möglichkeit, daß infolge von Auswaschungen der Böschungen durch Regenwasser an dieser Stelle die Kohle hier und da zutage getreten ist und so die Aufmerksamkeit der Grundeigentümer auf sich gezogen hat.

Die urkundlich verbriefte Werksgeschichte beginnt im Jahre 1774. Der erste geschichtliche Abschnitt der Grube Fortuna umfaßt die Zeit des Grundeigentümer-Bergbaues und der französischen Fremdherrschaft bis zur Verleihung der ersten Braunkohlenfelder vom Preußischen Staat, also die Zeit von 1774 bis 1823.

Die ersten urkundlichen Berichte erwähnen diesen Bergbau mit „Tummelbau der Grube Schlenderhan an der bereits angedeuteten bergbaulich günstigen Stelle in der Nähe der jetzigen Gartenanlagen des Gutes Schlenderhan bei Quadrath. Bereits im Jahre 1774 war hier ein Stollen zur Ableitung der Grubenwasser zur Erft angelegt, der viele Jahrzehnte hindurch in Betrieb gewesen ist. Sehr anschauliche Ausführungen über diese Zeit finden wir in dem Buche, das der spätere Berghauptmann von Dechen über den Kuhlen- und Tummelbau des Brühler Reviers im Jahre 1831 geschrieben hat. Bei Abfassung dieser Abhandlung bestand also der 1774 angelegte Stollen bereits 67 Jahre. Er war von der Talsohle aus mit geringer Steigerung in den Berg getrieben und entwässerte die Kohle in den oberen 2 bis 4,5 Metern.

Auf der Grube Schlenderhan, die von den damaligen Besitzern des Schlosses Schlenderhan, den Freiherren Raitz von Frentz, betrieben wurde, berichten Urkunden über den gleichzeitigen Abbau in den anschließenden Feldern Urwelt und Geretzhoven. Es finden sich dort die Namen „Geretzhovener Torfkaule“, Braunkohlengrube „Im Domänengrund des Oberaußemer Busch“, Grube „Im St.-Clarenbusch“ und „Quadrather Busch“.

Der damals hier vorwiegend übliche Abbau war der Tummelbau, ein unterirdischer Abbau, welcher in der Weise betrieben wurde, daß man einen oder mehrere kleine Schächte durch das Deckgebirge bis in die Kohle abteufte und über einem solchen Schacht einen Handhaspel aufstellte. Vom Schacht fuhr man dann ein Streckennetz auf, das mit dem Entwässerungsstollen in Verbindung gebracht wurde, An der Grenze des dem Schacht zugewiesenen Abbaufeldes begann der Abbau. Es wurden aus der Strecke heraus glockenförmige, runde Tummel ausgekohlt. In den Abbaustrecken wurden die Seitenstöße und auch die Firste kreisförmig bzw. bogenförmig ausgehauen. War der Tummel an den Seitenstößen weit genug ausgehauen, dann brach die Kohle aus den Firsten teilweise von selbst herein. Der Tummel wurde damit schneller höher. Die Strecken wurden nur wo dies erforderlich war, mit Holz ausgebaut während in den Tummeln selber kein Ausbau vorhanden war. Es ist einleuchtend, daß diese Art der Kohlen-Gewinnung eine äußerst gefährliche Arbeit war. Erreichte der Tummel die hangenden Schichten, so brachen die Firste zusammen. Der ganze Tummel und ein Teil der Abbaustrecke wurde mit dem darüber anstehenden Deckgebirge ausgefüllt. Wir finden hier also schon damals dieselbe Erscheinung, wie sie beim späteren Bruchbau nach dem Rauben der Holzzimmerung bewusst herbeigeführt wurde, nur mit dem großen Unterschied, daß beim späteren Bruch-Bau Hauer und Schlepper ihre Arbeit in gut gesicherten, nach festen Vorschriften und Methoden ausgezimmerten Räumen verrichten konnten.

Die den einzelnen Schächten zugewiesenen Felder waren nur klein, weil der Transport der Kohle bis zum Schacht in Körben, die auf besonders hierfür eingerichtete Karren gestellt wurden, erfolgen mußte. Eine derartige sogenannte Korbkarre ist einige Jahre vor dem zweiten Weltkrieg beim Abbau des alten Tummelfeldes gefunden und dem Heimatmuseum in Bergheim (Erft) überwiesen worden.

Die Körbe wurden am Schacht an das Haspelseil geschlagen und zutage gehoben. War der Tummel leer gefördert, so ging man einige Meter zurück, ließ einen Kohlenpfeiler stehen und begann den nächsten Tummel. Diese Betriebsart war, wie bereits erwähnt, eine recht gefährliche. Wie urkundlich feststeht, sind zu ihrer Zeit viele Unglücksfälle und Verschüttungen vorgekommen. Deshalb ist der Tummelbau später bergbehördlich verboten worden.

Große Schwierigkeiten bereitete die Wasserhaltung. Abgebaut wurde die Kohle meistens bis zum natürlichen Grundwasserspiegel bzw. bis zur Stollensohle, da von Hand betätigte Pumpen die Wassermenge nicht zu heben vermochten und man maschinell betriebene Pumpen damals noch nicht kannte. Vielfach kam der Abbau beim Ansteigen des Grundwasserspiegels nach gro8en Niederschlägen zum Erliegen.

Neben dem Tummelbau hat man auf den Gruben Schlenderhan und Urwelt zu dieser Zeit aber auch den, Kuhlen- oder Abraumbau betrieben. Das ist jedoch nur an besonders dazu geeigneten Stellen geschehen und zwar von der bereits genannten Talsohle an den jetzigen Schlenderhaner Gartenanlagen aus und an der alten Urwelt, wo die Kohle von nur geringem Deckgebirge in 2 bis 6 m Mächtigkeit überlagert war. Dieser Kuhlenbau war der Vorgänger des Tagebaues. Er war über das ganze Brühler Revier verbreitet und hat sich, weil er ungefährlicher war, auch länger behauptet als der Tummelbau.

Auf kleiner Fläche räumte man die Deckgebirgsschicht ab, um die Kohle freizulegen. Die so aufgeschlossene Kuhle hatte meist einen Durchmesser von 3 bis 4 m im Geviert. Die Kohle wurde ebenfalls mit Haspel und Korb gefördert. Der Haspel war in einer Ecke der Kuhle aufgestellt.

War die Kohle bis zur Wassersohle ausgebeutet, so grub man daneben eine neue Kuhle und warf mit dem Abraum die verlassene Kuhle wieder zu. Zwischen den Kuhlen blieb ein Kohlenbein als Sicherheitspfeiler stehen. Auch bei dieser Abbauart waren die Abbauverluste erheblich.

Die im Kuhlenbau bzw. Tummelbau geförderten Kohlen wurden, soweit sie stückig waren, als Rohkohle abgesetzt und in den Haushaltungen verfeuert. Die Kleinkohle wurde zu „ Klütten“ verarbeitet. Dieses erste Aufbereitungsverfahren der Klüttenherstellung, das schon in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts bekannt war, wurde so betrieben, daß die von großen Beimengungen befreite und zerkleinerte Braunkohle unter Zusatz von Wasser zu einem Brei geknetet und in hölzerne, blumentopfähnliche Formen gefüllt wurde, Die Formen wurden dann umgestülpt und die Klütten im Freien reihenweise zum Trocknen aufgestapelt.

Das Verfahren war ausschließlich von der Witterung abhängig, so daß es nur im Sommer betrieben werden konnte. Die Lufttrocknung erfolgte bis zu 35 v. H. Wassergehalt herunter.

 

Eine Übersicht über den Umfang des Abbaues jener Zeit gibt folgende Aufzeichnung über die Grube Schlenderhan aus dem Jahre 1816:

 

Abbaumethode: Tummel- und Umschlagsbau (Kuhlenbau)

 

Mächtigkeit des Deckgebirges bis zu 68 Fuß 21 m Mächtigkeit der bis zum natürlichen Wasserstand abgebauten Kohle 7 bis 5 Fuß 2 bis 4,5 m

Tiefe der Tummelschächte 75 Fuß 23 m

Klüttenherstellung im Jahr rund 500.000 Stück.

 

Aus dem Jahre 1819: Einsturz des alten Schlosses Schlenderhan durch den Bergschaden des unterirdischen Kohlenabbaues.

Belegschaft: 1 Steiger, 17 Mann,

 

Nachdem beim Wiener Kongreß im Jahre 1814 die linksrheinischen Gebiete an Preußen gekommen waren, begann mit der Verleihung der Braunkohlenfelder durch den Preußischen Staat ein neuer Abschnitt im Betriebe der bereits genannten Gruben.

 

 

Abschnitt 6.2; die Zeit von 1824 bis 1871

 

Der II. Abschnitt in der Entwicklung der Grube Fortuna und darüber hinaus vielleicht in der Revier-Entwicklung umfaßt die Zeit von 1824 bis zur Eröffnung des ersten Tagebaues im Jahre 1871.

Die für die Geschichte unseres Werkes in Frage kommenden Kohlenfelder wurden verliehen:

  • Am 6. März 1822 das Feld Schlenderhan dem Freiherrn Raitz von Frentz mit der Verpflichtung, der anschließenden Grube Urwelt die Verbindung eines Wasserstollens an denjenigen von Schlenderhan zu gestatten.
  • Am 19. Februar 1823 dem Mühlenbesitzer Ludwig Colping in Kenten das Feld „Urwelt 1“.
  • Am 19. Mai 1832 dem Freiherrn von Bodelschwingh Plettenberg das Feld „Geretzhoven 1“.
  • Am 12. Oktober 1856 dem Gutsbesitzer Johann Peter Meul in Niederaußem das Feld „Giersberg Fortuna“.
  • Am 28. Oktober 1859 dem Freiherrn von Bodelschwingh-Plettenberg zu Haus Geretzhoven das Feld „Geretzhoven II“
  • und am 14. Juli 1869 dem Gerichtsschreiber Josef Uhles zu Bergheim das Feld „Urwelt II“

 

In den verliehenen Feldern ging zunächst der Abbau in der bereits geschilderten Weise im Tummel-, Kuhlen- oder Abraumbau mit den bekannten Schwierigkeiten, Unglücksfällen und häufigen Betriebsunterbrechungen weiter. Es fehlte an technisch vorgebildeten Persönlichkeiten und an der Ausrichtung auf einer allgemein fortschrittlichen Linie. Jeder arbeitete so gut als er konnte und versuchte, mit seiner Lage fertig zu werden. Erst das Auftreten der Bergämter schaffte allmählich Besserung. Die technischen Schwierigkeiten waren allgemein groß. Erleichterungen maschineller Art waren noch fast unbekannt.

Im Jahre 1831 zwang zum Beispiel ein unterirdischer Grubenbrand die Grube Schlenderhan längere Zeit zur Einstellung des Abbaues und der Förderung. Die Förderung und die Herstellung von Klütten hielten sich in den Grenzen, welche der nur auf die nähere Umgebung beschränkte Absatzmarkt gebot.

Die Belegschaft auf einer Grube schwankte zwischen 10 und 25 Mann.

Die Förderung aus Schacht 1 der Grube Urwelt betrug zum Beispiel im Jahre 1857 600 - 800 Körbe (zu 55 Pfd.) Knabben und Feinkohle je Tag; also 440 Ztr. oder 22 t. Belegschaft 4 Mann 1 Kameradschaft. Sollleistung für eine Kameradschaft 250 Körbe / Schicht), Klüttenherstellung 1000 je Schicht.

Durchschnittslohn: 5,15 Silbergroschen pro Schicht = 0,51 Mark.

Preis für 1000 Klütten (1 t) = 100 Silbergroschen

Preis 1 t Knabbenkohle = 20 Silbergroschen

Preis für 100 Klütten = 10 Silbergroschen

 

Als eine sozialpolitische Maßnahme jener Zeit ist der Erlaß des Knappschaftsgesetzes vom 10. April 1854 zu erwähnen, der die Bergwerksbesitzer und Belegschaft zur knappschaftlichen Beitragszahlung verpflichtet.

 

Im Felde Giersberg-Fortuna wird als neue Abbauart im Jahre 1859 der unterirdische Pfeiler-Bruchbau erwähnt.

Im Jahre 1867 gingen nach dem Tode des Freiherrn Adolf Raitz von Frentz Grube und Schloß Schlenderhan in das Eigentum des Freiherrn von Oppenheim in Köln über. Von diesem ist der Abbau in den Feldern Urwelt, Geretzhoven und Schlenderhan im bisherigen Umfange fortgeführt worden.

Im Felde Giersberg-Fortuna wurden von dem Gutsbesitzer Peter Meul von Oktober bis Dezember 1857 die ersten Versuchsschächte abgeteuft und im Jahre 1858 bereits die Förderung aufgenommen. Gleichzeitig damit wurde ein Wasserhaltungsschacht niedergebracht.

Hier fand zum ersten Male beim Abteufen eine Saug- und Hubpumpe zur Wasserbewältigung Verwendung. In 27 Meter Tiefe wurden Wasser- und Hauptstrecken aufgefahren. Es wurde ein Kesselhaus mit 21 Meter hohem Kamin errichtet und der erste Dampfkessel aufgestellt. Dies war die erste stationäre Dampfanlage im Kreise Bergheim. (Die Bahn Köln - Aachen war am 6. September 1841 bereits in Betrieb genommen worden.) Die gehobenen Grundwasser flossen dem öffentlichen Flutgraben von Oberaußem (Gillbach) zu. Die erforderlichen Ziegelsteine für den Ausbau des Maschinenschachtes und die sonstigen Bauten lieferte ein im Jahre 1865 aufgestellter eigener Ziegelofen.

Der Kohlenabbau geschah auf zwei Tiefbausohlen in 21 und 27 Meter Tiefe im Pfeiler-Bruchbau. Wasserschwierigkeiten zwangen zu häufigen, manchmal monatelangen Betriebsstillständen, so z. B. ereignete sich im Jahre 1866 ein Wassereinbruch bis zur oberen Bausohle, der eine Betriebsstillegung von September bis Dezember zur Folge hatte. Diese Betriebsschwierigkeiten im Zusammenhang mit vielen für die damalige Zeit hohen Kosten für die Erstellung der maschinellen Einrichtungen brachten den Besitzer Meul in Geldschwierigkeiten. Auf Betreiben des Maschinenfabrikanten wurde das Werk am 9. Juni 1870 zwangsversteigert.

Freiherr von Oppenheim zu Köln erwarb in dieser Versteigerung die Grube Giersberg-Fortuna.

Infolge der schwierigen Abbauverhältnisse und starker Wasserzuflüsse kam der unterirdische Pfeiler- und Tummelbau immer wieder zum Erliegen. Der neue Besitzer entschloß sich daher im Jahre 1871 zum Aufschluß des ersten Tagebaues.

 

Abschnitt 6.3; die Jahre von 1871 bis 1897

 

Das Abräumen des etwa 10 Meter mächtigen Deckgebirges geschah von Hand, die Abraumförderung zunächst mit Schubkarren, dann mit Kippwagen von 0,8 cbm Inhalt auf Schienenbahnen. Die Wagen wurden am Zugseil über eine schiefe Ebene hinweg heraufgezogen. Der Antrieb erfolgte durch eine 6-PS-Lokomobile, Die gewonnenen Erdmassen wurden auf einer 9 Meter hohen Halde im sogenannten „Tagebruch‘ verstürzt. Diese Halde lag hinter dem jetzigen Büro- und Werkstattgebäude. Sie ist später, in den Jahren 1910 und 1911, durch den fortschreitenden Grubenbetrieb wieder abgetragen worden. Der größere Teil der Abraummassen wurde auf dieser Halde untergebracht, ein geringerer Teil seit 1883 wieder in den Tagebau verstürzt. Von allerhand Misshelligkeiten und Störungen blieb auch der damalige Abraumbetrieb nicht verschont. Das Jahr 1883 brachte eine große Rutschung, durch die die Förderung für drei Monate zum Erliegen kam. Im Februar 1885 erfolgte ein Dammrutsch, veranlaßt durch Zubruchgehen unterirdischer Baue am Südstoß. Die Erdmassen füllten fast den gesamten Tagebau aus. Im Jahre 1887 verursachte wolkenbruchartiger Regen eine vollständige Verschlammung des Tagebaues und damit einen Förderstillstand von drei Wochen. Diese Schwierigkeiten wurden erst 1897 mit der Anlage der neuen „Westhalde“, welche an der Straße nach Quadrath angelegt wurde, behoben. 1895 wurde im Abraum der Lokomotivbetrieb eingeführt.

 

Die Abraumleistung betrug: Im Jahre 1878 13.000 cbm,

Im Jahre 1883 20.000 cbm,

Im Jahre 1890 30.000 cbm,

Im Jahre 1897 35.000 cbm,

 

Während der Aufschlussarbeiten für den Tagebau blieb in den ersten Jahren nach 1870 die Förderung in den bisherigen Schächten mit Haspel und Körben im Pfeilerbau und Streckenbetrieb.

Die erste Förderung aus dem Tagebau erfolgte 1874. Die Kohle wurde am freigelegten Flöz zunächst bis zu 6 Meter Tiefe gewonnen daneben ging noch Streckenbetrieb und Bruchbau um. Die gewonnene Kohle schaffte eine im Jahre 1872 aufgestellte 4-PS-Aufzug-Färdermaschine mit Seilzug und Kastenwagen zu Tage. Die Höhe des Kohlenstoßes betrug im Jahre 1876 bereits 17 Meter und hatte 1883 schon 29 Meter erreicht. Vom Jahre 1883 an erfolgte der Abbau eines 30 bis 34 Meter hohen Kohlenstoßes im Rollochbetrieb. Neben dem Tagebau ging in geringem Maße unterirdischer Bruchbau weiter um, besonders im Winter, wo die Leistungen des Rollochbetriebes durch Frostwetter wesentlich beeinträchtigt wurden. Im Jahre 1897 wurde zur Förderung der Kohle aus dem Tagebau eine 234 Meter lange Otto‘sche Drahtseilbahn von Ingenieur Pohlig (Köln) gebaut. An der Entladestation waren Verladeschurren für Fuhrwerke und Eisenbahnwagen errichtet worden.

Die Entwicklung des Tagebaubetriebes Fortuna veranlaßte den Freiherrn von Oppenheim am 1. Oktober 1885 den Betrieb der Grube Urwelt und Ende Mai 1887 den der Grube Schlenderhan endgültig einzustellen.

Mit dem Aufschluß des Tagebaues wurde über Tage im Jahre 1871 ein neues Gebäude für die Wasserhaltungsmaschine errichtet, das Kesselhaus erweitert und darin ein zweiter Dampfkessel zur Reserve aufgestellt. 1872 erfolgte die Errichtung der ersten Braunkohlen-Nasspresse zur maschinellen Herstellung von Preßklütten (Nasspresssteine).

Der Kohlen- und Preßklütten-Absatz war auf den fuhrenweisen Verkauf in der näheren Umgebung angewiesen. Dieser Zustand änderte sich grundlegend im Jahre 1897 mit der Anlage eines Anschluss-Gleises an die inzwischen errichtete Bergheimer Kreisbahn. Damit war die Möglichkeit gegeben, der Braunkohle ein größeres Absatzgebiet zu verschaffen.

Im September 1897 erfolgte der Zusammenschluss der Gruben Fortuna, Beisselsgrube, Horremer Brikettfabrik und Grefrath zur „ Verkaufsstelle für Braunkohlen in Horrem“ (Rohkohlen-Syndikat).

Die Belegschaft der Grube Fortuna zählte in diesem Zeitabschnitt durchschnittlich 40 Mann; die Förderung betrug jährlich etwa 10 000 t, also 1/~ der Tagesförderung von 1951; etwa 3000 t Nasspresssteine wurden hergestellt.

 

Abschnitt 6.4; die Jahre 1898 bis 1902

 

Der vierte Abschnitt umfaßt die Jahre von der Gründung der Gewerkschaft Fortuna bis zur Umwandlung in die „ Fortuna-Aktiengesellschaft“.

Am 13. Mai 1898 erwarben Kommerzienrat Adolf Silverberg und Justizrat Balduin Trimborn die gesamten Grubenfelder Giersberg-Fortuna, Schlenderhan und Urwelt und gründeten in der ersten Gewerkenversammlung am 23. Mai 1898 die 1000-teilige Gewerkschaft Fortuna.

Damit beginnt die große Zeit der Entwicklung des Werkes, Die technische Leitung übernahm Direktor Heinrich Berrendorf.

Im selben Jahre wurde der erste Abraumtiefbagger aufgestellt, zwei Lokomotiven mit 90er Spur beschafft und die erste Brikettfabrik für eine Leistung von 250 t/24 Std. mit zwei Nassdienstsystemen, vier Zeitzer Dampftelleröfen und sechs Brikettpressen erbaut.

Zur Dampferzeugung wurden neun Kessel zu je 100 qm Heizfläche und 9 atü Dampfspannung aufgestellt. Diese Fabrik kam im September 1899 in Betrieb. Zu gleicher Zeit wurde die erste Ketten-Bahn von 260 in Länge in Betrieb genommen und die Seilbahn stillgelegt.

Die Kohlengewinnung erfolgte im Rolloch- und Nachladebetrieb von Hand.

Die Beteiligung der Grube Fortuna an dem am 21. November 1899 gegründeten „Verkaufsverein der Rheinischen Braunkohlen-Brikettwerke GmbH“ in Köln betrug mit 180.000 t Briketts pro Jahr 12,3 Prozent.

In der Gegend des heutigen Kraftwerks 1 war der „Adolf-Schacht“ als Wasserhaltungsschacht bis auf 100 m Tiefe abgeteuft worden. Er wurde 1900 in Betrieb genommen und von hier aus in 95 m Tiefe eine Wasserstrecke angesetzt, mit der der Tagebau unterfahren wurde.

Im Jahre 1900 wurde eine zweite Brikettfabrik für eine Leistung von 450 t / 24 Std. errichtet. Sie war ausgerüstet mit acht Zeitzer Tellertrocken-Apparaten, zwei Zeitzer Nassdiensten, bestehend aus zwei Schleudermühlen, zwei Klönne-Rättern für Eisenbahnverladung, sieben Brikettpressen und 12 Dampfkesseln zu je 85 qm Heizfläche und 10 atü. Sie kam im Jahre 1901 in Betrieb. In Fabrik 1 gelangte ein fünfter und sechster Dampf tellertrockner, die erste Schleudermühle und eine siebte Brikettpresse zur Aufstellung. Zu gleicher Zeit machte die Versorgung der neuen Fabrik II die Anlage einer zweiten Kettenbahn notwendig.

Ständiger Arbeitermangel zwang zur Hinzuziehung von Arbeitskräften aus Westpreußen Schlesien, Pommern, Sachsen, Holland und Belgien und veranlaßte im Jahre 1902 die ersten Versuche mit einer maschinellen Kohlengewinnung, dem „Kohlenpflug, System Berrendorf“.

Mit Einlegung einer dritten Schiene auf der Kleinbahn Fortuna-Bedburg wurde im Jahre 1902 der Anschluss an die normalspurigen Staatsbahnlinien und damit eine beträchtliche Vergrößerung des Absatzgebietes erreicht.

 

Am 22. Februar 1902 wurde das Syndikat von 1899 liquidiert und der „Braunkohlen-Brikett-Verkaufsverein GmbH Köln“ gegründet. Die Fortuna-Beteiligung betrug 210.000 t Briketts /Jahr = 8,432 Prozent.

 

Zur Unterstützung von Arbeitern, die in Not geraten waren, wurde die „Silverberg-Stiftung‘ in Höhe von 10.000 Mark errichtet.

 

Am 4. Juli 1902 faßte die Gewerkenversammlung den Beschluß auf Umwandlung der Gewerkschaft Fortuna in die „Fortuna Aktiengesellschaft für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation“.

 

Abschnitt 6.5; die Jahre von 1903 bis 1908

 

Der fünfte Abschnitt umfaßt die Zeit der Gründung der „Rheinischen Aktiengesellschaft“ und der Einführung der maschinellen Kohlengewinnung.

Am 2. Januar 1903 wurde die Gewerkschaft Fortuna nach Erwerb sämtlicher 1000 Kuxe durch die „Fortuna AG“ aufgelöst. Am 6. September verstarb Kommerzienrat Adolf Silverberg und am 25. September übernahm Dr. Paul Silverberg die Leitung der Fortuna AG. In diesem Zeitabschnitt wurde im Abraumbetrieb ein dritter Bagger beschafft, der Abraumbetrieb ohne nennenswerte Störungen in eigener Verwaltung weitergeführt und im Jahre 1908 mit allen vorhandenen Geräten an die Unternehmerfirma Döring & Lehrmann AG., Helmstedt, vergeben. Die Abraum-Maßen wurden auf der Westhalde weiter verkippt. Die Kohlenförderung und die Gewinnung wurde auf der 65 m Hauptfördersohle im Rollochbetrieb. von Hand und mit dem maschinellen Berrendorfschen Kohlenpflug betrieben. Von einer neuen, 20 m tieferen Fördersohle aus, wurde eine dritte Kettenbahn nach der Fabrik 1, parallel zur Kettenbahn 1, verlegt. Im Jahre 1904 erfolgte die Aufstellung eines zweiten elektrisch betriebenen Kohlenpfluges, System Berrendorf, am nördlichen Tagebaustoß, zur Gewinnung der ganzen Flözmächtigkeit, von der Tagebausohle an in einem Schnitt. Durch ihre geringe Betriebssicherheit und die fortgesetzten Störungen durch Reißen der Antriebsketten, Festsetzen der Pflüge und, Versagen der Schurren wurden 1906 beide Kohlenpflüge abgebrochen und der Kohlenabbau wieder von Hand im Rolloch- und Nachladebetrieb betrieben.

In den Fabriken gelangten weitere Kessel und Pressen zur Aufstellung. Beide Fabriken erhielten 1905 die ersten Entstaubungsanlagen für die Schnecken (System Beth) und die Fabrik 1 im Mai 1907 eine Kühlanlage. Ferner wurde eine elektrische Zentrale mit einer 150-PS-Dynamomaschine gebaut.

Am 4. April 1905 übernahm Betriebsdirektor Carl Haug die Betriebsleitung, und im Dezember desselben Jahres verlegte die Gesellschaft den Sitz ihrer Verwaltung nach Horrem.

Im Jahre 1906 wurde die Fortuna AG. mit der Gewerkschaft Sibyllagrube vereinigt und dabei aufgenommen die Sibyllagrube, Grube Grefrath und die Gewerkschaft Louise mit ihren Grubenfeldern.

Am 4. Januar 1908 erfolgte die weitere Vereinigung der Fortuna AG. mit dem Gruhlschen Braunkohlen- und Brikettwerk m.b.H. in Brühl und der Gewerkschaft Donatus in Bliesheim und damit die Gründung der „Rheinischen Aktiengesellschaft für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation. Die neue Gesellschaft verlegte ihren Sitz am 1. April 1908 nach Köln.

 

Abschnitt 6.6; von 1909 bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges

 

In diesem Zeitabschnitt ging der Abraumbetrieb hauptsächlich am Nordstoß um. Von 1910 ab wurde die nach 1871 aufgeschüttete Halde auf dem sogenannten Sandbergfeld (Brandfeld) abgetragen.

In der Grube ist 1911 ein Wasserhaltungsgebäude errichtet worden. Darin fanden vier elektrische Zentrifugalpumpen Aufstellung. Im gleichen Jahre begann der Abbau des sogenannten Sandbergfeldes. 1911 wurde am Südstoß der erste Lübecker Kohlentiefbagger Type B aufgestellt und in Betrieb genommen. Schon 1912 erfolgte am Nordstoß die Aufstellung der ersten maschinellen Kohlenhaueranlage Patent Hilgers von der Maschinenfabrik Muth-Schmidt. Berlin. Der dazugehörige Auflader, ein Eimerketten-Hochbagger Type B, wurde von der Lübecker Maschinenbaugesellschaft erstellt. Das Jahr 1914 brachte in der Grube weitere große Umbauten. Es erfolgte die Verlegung von vier neuen Hauptkettenbahnen auf einer eisernen Brücke, auf der die vollen Wagen oben und die leeren auf der unteren Etage liefen. An Stelle des alten Kettenbahntunnels erhielt die Oberaußemer Straße als Überführung über die neuen Kettenbahnen eine Eisenbrücke von 12 m Spannweite.

In den Fabriken brachte das Jahr 1909 eine große Kohlenstaubexplosion in Fabrik 1, die sich auf die gesamten Fabrikanlagen ausdehnte.

In Fabrik II wurde die Kühlanlage erweitert, die Kesselanlagen und die gesamten Aufbereitungsanlagen verbessert.

In der Fabrik 1 erfolgte ein grundlegender Umbau des gesamten Nassdienstes und der Bunkeranlagen. Diese Arbeiten standen zum Teil in Verbindung mit der Gründung und Errichtung des Rheinischen Elektrizitätswerkes im Braunkohlenrevier, einer Tochtergesellschaft der RAG. Das durch die Initiative von Dr. Silverberg errichtete Kraftwerk 1, welches am 18. Juli 1911 in Betrieb kam, beliefert die Stadt Köln und den Kreis Bergheim mit elektrischem Strom. Es war der erste kühne Anfang der Braunkohle ein weiteres Betätigungsfeld zu erschließen und die Förderung zu steigern. Im Besonderen wollte man hier auch Kohle aus Brandfeldern und durch Sand verunreinigte Kohle nutzbringend verwerten. Es beginnt eine neue große Entwicklungsstufe der Grube Fortuna. Am 31. Juli 1914 trat an die Stelle von Direktor Carl Haug Direktor Carl Bornemann

 

Abschnitt 6.7; die Zeit des I. Weltkrieges von 1914-1918

 

Der Ausbruch des I. Weltkrieges unterbrach jäh alle in der Durchführung begriffenen Um- und Neubauten. 180 zum Heeresdienst einberufene Belegschaftsmitglieder und eine große Anzahl ausländischer Arbeiter verließen in den ersten August-Tagen das Werk. Deshalb mußte der Abraumbetrieb von August bis Oktober und die Brikettfabrik 1 vom 6. August bis 8. September stillgesetzt werden. Mit dem verbliebenen Teil der Belegschaft Fortuna und der vorübergehend übernommenen Restbelegschaft der Beisselsgrube konnte die Förderung zum Kraftwerk Fortuna und zur Fabrik II sowie die Brikettherstellung in Fabrik II ohne Unterbrechung durchgeführt werden.

Im Abraum wurde ein neuer dampfbetriebener Bagger Type A für den tiefsten Abraumschnitt beschafft und 1915 in Betrieb genommen. 1917 und 1918 kamen je ein kleiner Lübecker Absetzapparat in Betrieb, die am Nordstoß und später am Südweststoß zum ersten Male größere Abraummassen in den ausgekohlten Teil des Tagebaues verstürzten.

Die Förderung vergrößerte sich schnell, da infolge höherer Belastung das Kraftwerk erweitert und das bei Kenten erbaute Martinswerk in Betrieb genommen wurde. Dieses Werk ist 1915 mit der Grube Fortuna durch eine normalspurige Eisenbahn verbunden worden. Damit zusammenhängend wurden der Grubenbahnhof und die Bunkeranlagen erweitert. Eine zweite Normalspurlokomotive und zwölf Großraum-Selbstentladenwagen vermitteln die Kohlenversorgung.

Schon 1915 mußte eine zweite und 1916 eine dritte Muth-Schmidtsche Kohlengewinnungsanlage mit je einem Lübecker und einem Buckauer Auflader beschafft und aufgestellt werden. Außerdem wurden mehrere Dampflöffelbagger zur Kohlengewinnung in Betrieb gesetzt. 1918 erfolgte die Aufstellung des ersten Lübecker Kratzbaggers am Weststoße, im sogenannten Brandfelde.

Am 14. Juni 1915 ereignete sich eine schwere Staubexplosion in Fabrik 1, von der Trocken-, Kühl- und Pressenhaus sowie der Kohlenboden und auch die Sieberei in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die bei Ausbruch des Krieges. begonnenen Umbauten in der Sieberei und in der Fabrik II wurden beendet, Die Fabrik 1 erhielt eine neue Innenentstaubung und die Trockenapparate elektrische Antriebe. Im Grubenbahnhof wurde eine Rohkohlenbunkeranlage von 2450 t Fassungsvermögen als Reserve für die Belieferung des Kraftwerks und des Martinswerkes errichtet. Am 28. Mai 1915 wurde durch einen Brand die Ziegelei völlig vernichtet. Der Abbruch der Mauerreste erfolgte 1917. Auf dem Gelände der abgebrannten Ziegelei wurde 1918 ein neues Kesselhaus für das Kraftwerk 1 errichtet.

Die Schwierigkeiten der Materialbeschaffung und die Arbeiterverhältnisse zwangen die Gesellschaft dazu, am 1, Februar 1916 den bisher von der Firma Döring & Lehrmann geführten Abraumbetrieb wieder in eigene Regie zu übernehmen.

Vom 28. April 1915 an waren auf Fortuna erst 325, dann 400 russische, später auch eine geringe Zahl französischer und italienischer Kriegsgefangener beschäftigt. Nach der Waffenstillstandserklärung legten sie ihre Arbeit nieder und wurden abtransportiert. Durch diesen plötzlichen großen Arbeitermangel mußten Abraum und Fabrik II im November und Dezember stillgelegt werden.

Obschon eine große Zahl der wehrdienstfähigen Belegschaftsmitglieder zur Aufrechterhaltung unseres für die Kriegsindustrie wichtigen Betriebes reklamiert und zurückgestellt wurde, war doch der größere Teil der Wehrfähigen beim Heere verblieben und nahm an allen Fronten am Kampfe unseres Heeres teil. In diesem Kampfe fielen: der Direktor C. Haug und 46 Belegschaftsmitglieder. Wir werden diese Gefallenen nicht vergessen.

Eine Gedenktafel im Verwaltungsgebäude unserer Gesellschaft in Köln kündet ihre Namen den nach uns kommenden Geschlechtern.

Nachdem sich unser Westheer aus Frankreich und Belgien hinter den Rhein zurückgezogen hatte, folgten in die Kölner Zone britische Truppen, die am 5. Dezember 1918 Bergheim und in den nächsten Tagen auch die Grube Fortuna besetzten. Die Truppen, die hier in der Kantine, im Gasthof Glückauf und in der Schule untergebracht wurden, waren Australier. Nach etwa drei Monaten zogen sie wieder ab. Dann blieb die Grube Fortuna bis zur endgültigen Räumung des britisch besetzten Gebietes am 30. Januar 1926 von weiterer Truppenbelegung verschont.

 

Abschnitt 6.8; von 1919 bis 1924

 

Der achte Abschnitt umfaßt die Zeit der Inbetriebnahme des Kraftwerkes II, der Inflation und der Ruhrbesetzung.

Im Jahre 1919 wurde eine neue Abraumtransportbahn von der Grube Urwelt aus an der Oppenheimschen Reservationsgrenze entlang zur Westhalde hin verlegt. Die Abraummassen nahmen zu einem Teil noch die Tagebaukippe am Nordstoß, zum anderen Teil die Westhalde auf. Im Jahre 1920 erreichte die Jahresabraumleistung erstmalig 1 Million cbm. Im Jahre 1921 erhielt der Abraumbetrieb einen neuen Buckauer Hochbagger. Gleichzeitig begann die Abräumung des Oststoßes. An der Nordseite des Tagebaues und auf der Westkippe wurde das Verkippen eingestellt und dafür mit der Aufschüttung einer neuen Osthalde bei Oberaussem begonnen. Das Jahr 1923 brachte die Errichtung eines Dammes für die Abraumfahrt von der Demarkationslinie aus an der Quadrather Straße entlang zur westlichen Tagebaukippe, wo die beiden kleinen Lübecker Absetzapparate und ein Dinnendahlscher Kippapparat Aufstellung fanden, Ebenso wurde in diesem Jahre mit der Aufforstung der Westhalde und ihrer Böschungen sowie der Tagebauböschungen begonnen. Zu Anfang des Jahres 1924 erhielt der Abraumbetrieb an Stelle der beiden kleinen Lübecker Absetzapparate den ersten großen Krupp-Absetzer.

In der Grube war inzwischen eine neue Sohle zum Abbau des Oststoßes auf 70 m über NN errichtet und über eine eiserne Brücke ein Anschluss an die Kettenbahnen I - IV auf der Tagebausohle hergestellt worden. Auf der neuen Sohle fanden je ein neuer Lübecker Kratzbagger, Type 8, und ein neuer Lübecker Tiefbagger für 35 m Schnitttiefe Aufstellung. Im Jahre 1922 wurden von dieser Sohle aus die Kettenbahnen V und VI zum Kraftwerk II hergestellt. Es folgte der Bau einer Vorbrecheranlage und zweier Verteilungstürme vor den Kesselhäusern des Kraftwerks II sowie der dazugehörigen Bandbrücken zwischen den Verteilungstürmen und Kesselhäusern.

Das Kraftwerk II selber, an dem seit 1920 gebaut worden war, kam Ende 1922 in Betrieb.

In den Fabriken wurden auch in diesem Zeitabschnitt weitere Verbesserungen durchgeführt, so zum Beispiel erhielten beide Fabriken 1921 und 1922 neue Schlot-Entstaubungen. Am 15. April 1924 wurde das im Jahre 1918 erbaute Kesselhaus II des Kraftwerkes 1 zur Dampflieferung für die Grube Fortuna vom Kraftwerk übernommen.

Ober der wirtschaftlichen Lage dieses Zeitabschnittes ist zu sagen, daß am 1. März 1919 die Einführung der achtstündigen Arbeitszeit erfolgte. Die Belegschaft mußte infolge der verkürzten Arbeitszeit und der Einlegung einer 3. Schicht stark vermehrt werden. Es trat großer Arbeitermangel ein; zur Einstellung gelangten Arbeitskräfte aus dem Saargebiet, der Pfalz und der Eifel.

Die Ruhrbesetzung und der passive Widerstand im Jahre 1923 brachten erhebliche Ausfälle und Einschränkungen in der Förderung und der Brikettfabrikation. Die Brennstoffe konnten nur im englisch besetzten Gebiet Absatz finden; es mußten erhebliche Mengen auf Stapel gesetzt werden (36 487 t). Vom 10. bis 28. April stand die Fabrik II und ab 1. Dezember die Fabrik 1 still, außerdem wurden von Anfang November an wöchentlich zwei Feierschichten eingelegt.

Nachdem die Inflation am 1. Dezember 1923 mit der Einführung der wertbeständigen Rentenmark beendet war, brachte das Jahr 1924 einen zwei Monate langen Streik der Belegschaft (vom 19. Januar bis 13. März). Die Stromversorgung der Kraftwerke konnte aufrechterhalten werden.

Beide Fabriken lagen während dieser Zeit still. Am 18. März erfolgte die Einführung der zehnstündigen Arbeitszeit mit nachfolgender Verminderung der Belegschaft.

 

Abschnitt 6.9; ab 1925

 

Mit dem Jahre 1925 beginnt der neunte Abschnitt unserer Werksgeschichte

An Stelle der vollständig verbrauchten alten Bagger erhielt der Abraumbetrieb zwei neue Krupp-E-Bagger. Die Jahresleistung stieg 1926 erstmalig über 2 Millionen cbm.

Nach Beendigung der Abräumungsarbeiten am Südstoß und Erreichung der „Reservation Oppenheim“ im Jahre 1927 ging der Abraumbetrieb nur noch am Oststoß um. 1928 wurde der erste Raupenketten-Löffelbagger mit Dieselmotorantrieb in Betrieb genommen. Am 12. Juni des gleichen Jahres ereignete sich ohne vorherige Anzeichen eine schwere Rutschung der Absetzerkippe auf 220 m Länge und 45 m Tiefe. Der Apparat ging mit in die Tiefe, mußte demontiert, heraufgeschafft und neu aufgestellt werden. Das Jahr 1929 brachte, nachdem im November das Ausgehende des Flözes am „Frechener Sprung“ erreicht war, die Beendigung der Abraumarbeiten am Oststoß. Mit den vorhandenen Apparaten und einem neubeschafften zweiten Raupenketten-Löffelbagger wurden die Abräumungsarbeiten 1930 am Südoststoß, der durch die Freigabe eines 266 m langen Stückes der Reservation Oppenheim verlängert worden war, aufgenommen.

Ende des Jahres 1929 waren alle Halden mit Mischwald bepflanzt. Auf der Westhalde waren Fußball-, Tennis- und Schießplätze angelegt und außerdem eine Fläche von 920 ha der landwirtschaftlichen Bearbeitung wieder zugeführt worden. 1934 wurden erstmalig 3,88 ha der Absetzerkippe im Tagebau mit einer 60 cm starken Lehmschicht überdeckt und in landwirtschaftliche Nutzung genommen.

Durch vertragliche Vereinbarung mit Frau von Oppenheim wurde uns im selben Jahre ein weiterer 508 m langer Teil der bisher vom Abbau ausgeschlossenen Reservation überlassen und mit der Abräumung sofort begonnen.

Der Tagebau Beisselsgrube war infolge eines Kippenrutsches im Vorjahre so eng geworden, daß die dort anfallenden Abraummassen darin nicht mehr untergebracht werden konnten. Zum Transport der Massen in den Tagebau Fortuna wurde deshalb durch den Oppenheimschen Wald eine Verbindungsbahn hergestellt und der auf der Beisselsgrube in Betrieb gewesene zweite Krupp-Absetzapparat, der mit schwenkbarem Abwurf-Band versehen ist, auf der Grube Fortuna aufgestellt und im September in Betrieb genommen. Neu beschafft wurde ein von den Mitteldeutschen Stahlwerken gebauter Schaufelradbagger. Am 19. September 1935 ereignete sich ein Kippenrutsch, bei dem der Oberingenieur Krämer und der Steiger Ockten in treuer Pflichterfüllung tödlich verunglückten.

Im August 1935 wurde es notwendig, die Abraumwerkstatt am Oststoß wegen starker Bodensenkungen abzubrechen und in einen Nebenraum der Fabrikwerkstatt zu verlegen.

Seit Oktober 1935 wurden Abraummassen der Beisselsgrube erstmalig über die schon erwähnte Verbindungsbahn gefahren und in den Tagebau Fortuna verstürzt.

Im folgenden Jahre und bis zum Herbst 1937 bewegte sich der Abraumbetrieb in den alten Tummelfeldern des früheren unterirdischen Abbaues der Gruben Schlenderhan und Urwelt. Im Laufe dieser Arbeiten fiel auch der im Jahre 1774 in Backsteinausbau angelegte Urwelt-Stollen sowie der Standort des im Jahre 1819 durch den entstandenen Bergschaden des unterirdischen Kohlenabbaues eingestürzten alten Schlosses Schlenderhan dem Abraumbetrieb zum Opfer. (Die Sage bringt den Reitergeneral Jan von Werth mit diesem alten Schloß Schlenderhan in Verbindung, der dort seine Frau, ein Burgfräulein Raitz von Frentz, kennengelernt haben soll.)

Ende 1938 war das gesamte Gelände der sogenannten Reservation Oppenheim abgeräumt. Von da an bewegte sich der Abraumbetrieb in südlicher Richtung auf die Beisselsgrube zu, westlich begrenzt durch den ‚Horremer Sprung“. Um die Kohle möglichst ohne wesentliche Verluste bis zum Sprung abbauen zu können, war eine umfangreiche Entlastung der Sprungzone und ein entsprechend weitreichender Abbau des Deckgebirges erforderlich, der im Laufe des Jahres 1939 begann.

In der Grube wurde zu Anfang des letzten Zeitabschnittes auf der 42-m-Sohle am Südstoß ein Krupp-Kratzbagger für 40 m Schnitthöhe aufgestellt. Im Juli 1926 erfolgte der Abbruch der drei Kohlengewinnungsapparate Muth-Schmidt. Sie hatten durch häufige Reparaturen und ihre Unübersichtlichkeit Anlaß zu sehr vielen Betriebsstörungen gegeben. Außerdem war in Regenperioden die auf die Tagebausohle herabgeworfene Kohle meistens so durchnässt, daß sie sich in den Nassdiensten schlecht verarbeiten ließ.

Die im Jahre 1918 errichtete Förderbrücke nach dem Oststoß wurde abgebrochen und in die Nähe des Zentral-Antriebsgebäudes verlegt. Dadurch wurde ein Austausch der Förderung von der 70-m-Sohle nach den Brikettfabriken ermöglicht. 1927 überschritt die Jahresförderung erstmalig die 3 Millionen Tonnen.

Das Jahr 1931 brachte unangenehme Rissbildungen am Oststoß und auf der Tagebausohle. Zur Entwässerung der hinter dem Frechener Sprung lagernden Sande wurden von der 70-m-Sohle aus Entwässerungsstrecken aufgefahren und eine große Anzahl Kiesfilter eingebracht.

Nach Beendigung des Kohlenabbaues am westlichen Südstoß nahmen der Kratzbagger im Juli und der Tiefbagger Anfang September den Betrieb am kurzen östlichen Südstoß auf. Zur gleichen Zeit begann auf der 90-Meter-Sohle die Umstellung der Förderung auf Großraumbetrieb. Es folgten der Bau eines Bunkers, einer Förderbandanlage vom Bunker zum Nassdienst und einer Kohlenbahn vom Bunker zur 90-Meter-Sohle des Südstoßes. Die Großraumförderung kam im April 1932 in Betrieb. Dafür wurden die Kettenbahnen 3 und 4 außer Betrieb gesetzt. Im Jahre 1036 konnte der Kohlenabbau auf allen Sohlen in den zuletzt freigegebenen Teil der Reservation verlegt werden. In den folgenden Jahren bot der Kohlenabbau hier ein so schönes Bild, wie es nie zuvor im Bereich der Grube Fortuna gesehen wurde und in einer technisch so schönen Vollendung in Zukunft schwerlich noch einmal zu sehen sein wird. Im selben Jahre wurden in der Grube das Werkstatt- und Mannschaftsgebäude verlegt, eine neue Wasserhaltung errichtet und darin zu den vorhandenen drei Pumpen noch eine neue von 4,5 cbm Leistung aufgestellt.

Im Jahre 1937 stieg die Förderung infolge der hohen Belastung der Kraftwerke sowie erhöhter Kohlenabnahme des Martinswerkes erheblich und erreichte die Höhe von rund 4,6 Millionen Tonnen.

Im Jahre 1938 erfolgte in den Monaten August und September auf der 42-Meter-Sohle die Umstellung der Förderung vom Kettenbahn- zum Großraumwagen-Betrieb. Mit dieser Umstellung kam der zweite Großraumbunker (auf der Tagebausohle), eine an Stelle der 1932 aus dem Betrieb genommenen Kettenbahnen 3 und 4 errichtete Bandförderanlage, ausgehend von dem neuen Großraumbunker bis zu einer ebenfalls neu errichteten Übergabestation in Höhe des ersten Großraumbunkers auf 106 m, in Betrieb.

Am 25. Juni 1938 stürzte die vor diesem Bunker die Kettenbahn und Bandförderanlage überspannende Brücke unter einem darbüberfahrenden Lastzug ein. Die Wiederherstellungsarbeiten dauerten bis Anfang April 1939.

Im Jahre 1938 überschritt die Kohlenförderung die 5-Millionen-Grenze. In den Fabriken erfolgte in diesem Zeitabschnitt der systematische Ausbau fast aller Einrichtungen. Im Jahre 1925 wurden in der Fabrik 1 zwei Tellertrockenapparate und fünf neue Brikettpressen aufgestellt. Zur Verbesserung der Dampfwirtschaft wurde in der Fabrik II eine elektrische Zentrale mit einer Anzapf-Gegendruck-Dampfturbine der MAN für 3320 kW errichtet, die beiden alten Kesselhäuser und ihre Kamine aus dem Betrieb genommen und zum Teil abgebrochen. In den Jahren 1926 und 1927 erhielten die Wrasen-Entstaubungen und Schnecken-Entstaubungen beider Fabriken Elektrofilter. In den kommenden Jahren folgten dann die Erweiterung der Pressenhäuser mit Aufstellung neuer Brikettpressen sowie die Erweiterung der Kühlanlagen. Die Pressen- und Ofenhäuser erhielten Wandplattensockel. Weiter erhielten 1929 und 1930 beide Fabriken neue Brikettverladungen mit Wiegeeinrichtung und Seilrangierung. Das Kesselhaus erhielt einen 6. Stierlingkessel von 750 qm Heizfläche, alle Glattrohr-Economiser wurden durch moderne Rippenrohr-Economiser ersetzt. Im Jahre 1930 war der endgültige Brikettpressenstand mit 37 Pressensträngen erreicht. Es sind vorhanden:

 

in Fabrik I: 13 Einfach- und 3 Zwillingspressen,

in Fabrik II: 12 Einfach- und 3 Zwillingspressen.

 

Der Brikettqualität mußte seit Jahren größte Aufmerksamkeit zugewendet werden. Es wurden deshalb die Gleise der Brikettverladungen überdacht und die Wellblechdächer an den Kühlrinnenanlagen beider Fabriken gehoben.

Die im Jahre 1937 begonnenen Arbeiten zur Errichtung eines neuen Zentral-Nassdienstes mit Band-Brücken, über welche die aufbereitete Kohle nach den Brikettfabriken, nach dem Kesselhaus und nach dem Kraftwerk II gebracht wird, sowie die damit verbundenen Umbauarbeiten im alten Nassdienst und an den Versandkohlenbunkern wurden im Laufe des Jahres 1938 beendet und die fertiggestellten Anlagen in Betrieb genommen.

Die Zentral-Werkstatt (Fabrik-Werkstatt), welche seit 1935 in einem Nebenraum die vorn Oststoß verlegte Abraumwerkstatt mit aufnehmen mußte, war den Erfordernissen des ausgeweiteten Betriebes räumlich und einrichtungsmäßig nicht mehr gewachsen. Nach Fertigstellung der neuen Nassdienstanlage wurde deshalb sofort mit den Um- und Erweiterungsarbeiten der Werkstatt begonnen. Diese Arbeiten wurden im Laufe des Jahres 1939 beendet.

In den letzten Jahren sind im Kesselhaus, im Magazin und auf der 70- und 42-Meter-Sohle in der Grube Luftschutzräume für die Belegschaft errichtet und die Belegschaft im Luftschutz unterwiesen worden.

Zur wirtschaftlichen Seite dieses Abschnittes ist zu bemerken, daß am 15. April 1925 die neunstündige und am 2. Januar 1928 die achteinhalbstündige Arbeitszeit in der Form, wie sie heute besteht, eingeführt wurde. Der Brikettabsatz erreichte im Jahre 1929 mit 588 670 t bis dahin seinen höchsten Stand, um dann mit Beginn der allgemeinen Wirtschaftskrise jäh zurückzufallen. In den kommenden Jahren 1930, 1931 und 1932 mußten 31, 52 und 70 1/3 Feierschichten eingelegt werden. Außerdem wurde vom 1. Juli 1932 an zeitweise ein sogenanntes „Krümpersystem“ für 60 Arbeiter eingeführt, um eine Entlassung von Arbeitern zu vermeiden. Nach dem Abflauen der Wirtschaftskrise konnten das Krümpersystem am 30. April 1933 eingestellt und gleichzeitig zum ersten Male wieder 26 Arbeiter neu in die Belegschaft aufgenommen werden, Die Feierschichten sanken im Jahre 1933 auf 58 1/3, 1934 auf 44 2/3, 1935 auf 27 2/3, 1936 auf 24 2/3 und hörten seit Anfang Oktober 1936 ganz auf. Die Jahre 1936 und 1937 brachten den Kraftwerken stark steigenden Stromabsatz und damit ein erfreuliches Ansteigen der Förderung und des Absatzes an Kohlen und Briketts. 1938 zwang großer Mangel an Eisenbahnwagen zu erhöhter Stapelung mit anschließender Abfuhr der gestapelten Brikettmengen durch Lastkraftwagen (sogenannte Bahnersatzlieferungen).

Außer den Neuerungen und Verbesserungen der technischen Einrichtungen des Betriebes sind in dem zuletzt geschilderten Abschnitt unserer Geschichte umfangreiche Verschönerungsarbeiten, Grünanlagen, neuzeitliche Mannschaftsräume, Unterstellräume für Fahrräder und Kraftfahrzeuge usw. hergestellt worden.

Am 26. März 1938 schied Direktor Carl Bornemann nach 30-jähriger Tätigkeit aus den Diensten der Gesellschaft. Die Betriebsleitung übernahm Direktor Willy Scharf unter Beibehaltung derjenigen der Beisselsgrube.

 

6.9.1 Die Entwicklung der Siedlung Fortuna

 

Zum Schlusse des neunten Abschnittes unserer Geschichte soll noch die Entwicklung unserer Siedlung erwähnt werden: Durch den plötzlichen Zustrom fremder Arbeitskräfte, der mit der Errichtung der Brikettfabriken im Jahre 1898 einsetzte, entstand in den umliegenden Ortschaften bald großer Wohnungsmangel. Hinzu kam ein auffallend starker, die Leistung des Betriebes zeitweise behindernder Wechsel der Arbeiter von einem Werk zum anderen. Die Werksleitung faßte deshalb schon um 1900 den Entschluß in unmittelbarer Nähe des Werkes die Siedlung Fortuna zu errichten. Bis zum Jahre 1914 wurden vom Werk an der Bethlehemer- und Grubenstraße 21 Häuser mit 45 Wohnungen und von Privatleuten 10 Häuser mit 15 Wohnungen errichtet, in denen 60 Belegschaftsangehörige = 8 Prozent der damaligen Belegschaft untergebracht waren.

Während von Werksseite im Jahre 1899 ein Kantinengebäude mit Schlafräumen gebaut wurde, entstand 1903 von privater Seite der „Gasthof Glückauf“ mit einem großen Versammlungs- und Festsaal. Die Gemeinde erbaute im Jahre 1904 ein Schulgebäude mit zwei Schulsälen, um den Kindern den beschwerlichen Weg nach Oberaussem zu ersparen. Noch während des Krieges entstanden an der Bethlehemer- und Giersberg-Straße weitere 15 Häuser.

Durch die Einführung der achtstündigen Arbeitszeit am 1. März 1919 forderte die dadurch bedingte Belegschaftserhöhung einen weiteren Ausbau der Siedlung. In den folgenden Jahren bis 1923 wurden die Bethlehemer Straße bis zur Bahnstrecke Bergheim - Rommerskirchen, die Mittelstraße, Kentener Straße und die Schlageter-Straße ausgebaut. Außerdem baute in den Jahren 1920 bis 1922 die Wohnungsbaugesellschaft im Rheinischen Braunkohlen-Revier‘ im Anschluss an die Fortuna-Siedlung ein Arzthaus, ein Konsumgebäude mit einer Wohnung und 75 Wohnungen. Inzwischen war 1922 von der Gemeinde ein neues Schulgebäude errichtet und von der Gesellschaft eine katholische Kirche gebaut worden, die seit Oktober 1923 benutzt wird. Im Laufe des Jahres 1935 ist der im Jahre 1920 in den Besitz der RAG gelangte Gasthof Glückauf abgebrochen und durch eine neue Werksgaststätte ersetzt worden. Mit Eröffnung dieser Gaststätte am 1. Januar 1936 wurde die alte Kantine mit dem anschließenden Kasino geschlossen und darin fünf Wohnungen, ein geräumiger Kindergarten und ein Gottesdienstraum für den evangelischen Teil der Belegschaft errichtet.

Zu Anfang des Jahres 1937 waren in der Siedlung 226 werkseigene Wohnungen und 77 Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaft vorhanden, in denen insgesamt 312 Belegschaftsmitglieder = 41 Prozent der Belegschaft untergebracht waren. In den Wohnungen wohnten außerdem noch 30 Belegschaftsmitglieder der Kraftwerke Fortuna und anderer Werke der Gesellschaft. Bis zum Beginn des nächsten Geschichtsabschnittes hat sich dieser Stand unserer Siedlung nicht mehr wesentlich verändert.

Außerhalb der Siedlung Fortuna sind noch Häuser erworben und gebaut worden in Bergheim (4), Oberaussem (4), Harfereiche (1) und in Niederaussem (12).

Nach Beendigung der Bauarbeiten erhielten die Straßen Kanalisation, Pflasterung oder geteerte Schotterdecken und Bordsteinanlagen. Zu jeder Wohnung gehört ein Garten von 300 bis 400 qm Größe, in dem Obstbäume stehen. Straßen und Plätze sind mit Zier- und Nutzbäumen bepflanzt.

Seit dem Jahre 1908 besteht eine Berg-Musikkapelle, die ursprünglich von Belegschaftsmitgliedern der Grube Fortuna gegründet, im Laufe der Jahre auch durch Belegschaftsmitglieder der benachbarten Beisselsgrube und der Kraftwerke Fortuna ergänzt wurde. Ihre Mitglieder sind von der Gesellschaft mit Bergmannsuniformen, Instrumenten und Noten versehen und waren bei freudigen und traurigen Anlässen der Belegschaft stets zur Stelle. So wie sie im Jahre 1911 beim Waldfest der Fortuna-Belegschaft - 40 Jahre ist das her - zu sehen war, wird sie auch allen Teilnehmern der am 15. und 17. August 1939 durchgeführten Dampferfahrten der Belegschaft nach Königswinter in Erinnerung bleiben.

 

Auch die Sanitätskolonne vom Roten Kreuz soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Sie hat seit ihrer Gründung durch Belegschaftsmitglieder der Grube Fortuna im Jahre 1906 im Katastrophendienst und in der ersten Hilfeleistung bei Unfällen in jeder Weise segensreich gewirkt. Mit einem Dank an alle Männer, die stets bereit waren, dem in Not befindlichen Mitmenschen ihre uneigennützige Hilfe zu gewähren, schließt der neunte Abschnitt unserer Werksgeschichte

 

Abschnitt 6.10; Ergänzungen

Dieser Abschnitt dient zur Ergänzung der Ausarbeitung von Heinrich Hürth.

 

Vom Sommer 1931 an wurden trotz des Produktionsrückganges infolge der allgemeinen Wirtschaftskrise die Tagebaubetriebe auf Großraumförderung umgestellt. Der Neubau der Brikettfabrik Fortuna-Nord I wurde von 1939 an trotz kriegsbedingter Schwierigkeiten durchgeführt. 1941 ging die Fabrik I in Betrieb. Die zweite Fabrik in Fortuna-Nord ging am 12. Juli 1948 zunächst mit zwei Doppelzwillingspressen in Betrieb. Die Tagesleistung der Brikettwerke der RAG stieg damit auf über 14.000 t.

Die außerordentliche Steigerung des Strombedarfs führte zum Bau des Hochdruck-Kraftwerks Fortuna III, dessen erste Turbosätze im Frühjahr 1955 anliefen.

1953 erfolgte der Bau der Nord-Südbahn. 1955 wurde der Tagebau Fortuna-Garsdorf begonnen.1960 waren die alten Grube Fortuna, Beisselsgrube und Fischbach ausgekohlt. Sie wurden komplett mit Massen aus dem Großtagebau Fortuna-Garsdorf verfüllt und zur forst- und landwirtschaftlichen Nutzung rekultiviert.

Interessant erscheint an dieser Stelle noch die Erwähnung eines Klüttenfundes. Bei Bauarbeiten an der neuen Landstraße L 93n zwischen Oberaußem und Quadrath, die genau durch das Betriebsgelände der ehemaligen Brikettfabrik Fortuna führt, entdeckte Rheinbraunmitarbeiter Rolf Kremer (heute Ortsvorsteher von Niederaußem) 1982 alte Klütten. Diese Briketts aus vergangenen Zeiten zeigten noch den schön geschwungenen Aufdruck „FORTUNA“. Da ab 1901 alle im Revier gepressten Briketts den Aufdruck „UNION“ haben, war es leicht das Alter der gefundenen Klütten zu bestimmen. Die alte Brikettfabrik der Fortuna-AG hatte am 15. September 1899 ihr erstes mit FORTUNA bedrucktes Brikett gepreßt. Die gefundenen Briketts haben heute also ein Mindestalter von 105 Jahren. Ein bestens erhaltenes Exemplar der Fundbriketts wurde mittel Klarsichtgießharz konserviert. Es ist heute in der umfangreichen Brikettsammlung von RWE-Power im Schloß Paffendorf zu sehen.