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Oberaußem - Fortuna und die Braunkohle

Nord-Südbahn bei Oberaußem, Sept. 2006

 

 

10. Die Nord-Süd-Bahn und die Hambachkohlenbahn

 

Nachfolgende Informationen und Texte sind teilweise wörtlich aus Veröffentlichungen in Revier und Werk und der Kölnischen Rundschau entnommen.

 

 

Mit einem Streckennetz von ca. 340 Kilometern betreibt RWE-Power heute eine der größten Privateisenbahnen der Bundesrepublik. Eine Sonderstellung hierbei nimmt die Nord-Süd-Bahn ein. Sie entstand Anfang der fünfziger Jahre, um im Rheinischen Braunkohlen-Revier die einzelnen Grubenbetriebe, die Fabriken und die Kraftwerke zwischen Knappsack und Garzweiler miteinander und mit dem Schienennetz der Bundesbahn zu verbinden. Die Bahn wurde erforderlich um den Strukturwandel, in dem das rheinische Revier damals stand, fördertechnisch und wirtschaftlich zu bewältigen. Die Wanderung der Kohlenförderung in Richtung Norden und Westen sowie die Notwendigkeit der Erhaltung vorhandener Verarbeitungsbetriebe im einstigen Südrevier, machten diese Bahn unumgänglich. Auch die beim Betrieb der neuen und zukünftigen Tieftagebaue zu bewegenden, gewaltigen Massen erforderten besondere Dimensionierungen für den werkseigenen Zugbetrieb. Die bis zum damaligen Zeitpunkt eingesetzte Eisenbahntechnik u.a. mit 1.000 PS-90-t-Eloks, 25-m³-Abraum- und 60-t-Kohlenwagen, mit Spurbreite 900 mm, konnte die zukünftig zu fördernden Massen nicht bewältigen. Ab 1997 beförderten die Züge von Rheinbraun jährlich bis zu 65 Mio. t Kohle und bis zu 80 Mio. t Abraum zwischen den Tagebauen, den Fabriken, den Braunkohlenkraftwerken und den Rekultivierungsgebieten im Rheinischen Braunkohlenrevier.

 

Das Projekt Nord-Süd-Bahn hatte man bereits 1942 als Kohlensammelschiene und zur Verteilung von anfallendem Abraum und Löß, ins Auge genommen. Nach der Entscheidung für diese Bahn begann 1952 die damalige Roddergrube AG mit dem Bau.

Als Ersatz für die vorhandenen Eisenbahntechniken und für den Einsatz auf der Nord-Süd-Bahn, wurden spezielle, schwere E-Loks, Großraumwagen sowie Schienen- und Fahrleitungsmaterial entwickelt. Es entstanden die bis heute bei RWE-Power eingesetzten Schienenfahrzeuge mit der auch bei der Deutschen Bundesbahn üblichen Normalspur

  • E-Lokomotive, Typ EL 1 mit bis zu 140 t Gewicht, 6 kV / 50 Hz, 2000 PS, Zuggeschwindigkeit bis 50 km/h
  • Die Rohbraunkohle wird mit vierachsigen Waggons befördert, deren Fassungsvermögen 110 t Kohle beträgt. Die Kohlewagen haben vier zweiseitig angeordnete, druckluftbetätigte Verschlussklappen. Die Entleerung der Wagen erfolgt über ein Druckluftsystem vom Lokführerstand aus.
  • Für Abraumtransporte werden achtachsige Einseitenkipper-Wagen mit 96 m3 Rauminhalt verwendet. Ein solcher Waggon hat ein Bruttogewicht von ca. 240 t; voll beladen ergibt sich ein Achsdruck von mehr als 30 t. Die einzelnen Wagen eines Zuges werden von der E-Lok aus mittels Druckluftsystem seitlich ausgegekippt und sind in wenigen Sekunden entleert.
  • Schienen, Profil S 64 zur Achsdruckaufnahme von über 30 t geeignet,

 

Als Ersatz für alte nicht mehr wirtschaftlich instandsetzbare E-Loks, sind seit 1999 neben ertüchtigten 128-t-Loks auch neue, mit modernster Technik ausgestattete E-Lokomotiven des Typs EL-2000 für den Kohlentransport auf der Nord-Süd-Bahn und der Hambachbahn im Einsatz.

Wesentliche Verbesserungen der neuen leistungsstärkeren Loks liegen in der Technik. Sie sind 10 km/h schneller und wirtschaftlicher als die des Typs EL-1. So speisen sie beim Bremsen mit hohem Wirkungsgrad Strom in die Oberleitung zurück. Durch neue schallgedämpfte Räder konnte der Geräuschpegel der neuen Züge wesentlich abgesenkt werden, was den im Nahbereich der Nord-Süd-Bahn und der Hambach-Bahn lebenden Menschen, auch in Oberaußem, sicherlich zugute kommt.

Hier einige Technische Daten der neuen Rheinbraun Schwerlastlokomotiven:

  • Spurweite: 1435 mm
  • Gesamtmasse: 140 t (Bundesbahnloks = 84 t)
  • Statische Achslast: 35 t
  • Elektrische Dauerleistung beim Fahrbetrieb: 2.800 Kilowatt
  • Höchstgeschwindigkeit: 60 km/h
  • Anfahrzugkraft: 500 Kilo-Newton
  • Raddurchmesser: 1250 mm
  • Länge der Lok über Puffer: 16,5 m
  • Größte Breite am Führerstand: 4,5 m

 

Ein einzelner Kohlenzug (Lok mit 14 Wagen) transportiert 1.400 t Rohbraunkohle.

 

Nach einer längeren Planungszeit begann man 1952 mit dem Bau des ersten Streckenabschnittes für die neue Nord-Süd-Bahn. 1954 wurde der zweigleisige Nord-Süd-Bahn-Abschnitt zwischen dem Abzweig Auenheim und der Hauptwerkstätte Grefrath fertiggestellt. Bereits ab Anfang 1955 erfolgte der Abraumtransport aus dem neu aufgeschlossenen Großtagebau Fortuna-Garsdorf über den fertigen Teilabschnitt der Bahnlinie zur Glessener Kippe.

Am 15. August 1957, wurde nach mehrjähriger Bauzeit auch der letzte Teilabschnitt der Nord-Süd-Bahn, Verlängerung im Norden bis Frimmersdorf und im Süden bis nach Knapsack, eingeweiht. Das aufwendig gestaltete Projekt konnte von da an „auf voller Länge“ betrieblich genutzt werden. „Volle Länge“ bedeutet: Es geht über eine ca. 31 Kilometer lange Trasse, mit einem beträchtlichen Anstieg von Frimmersdorf-Garzweiler aus über eigens angeschüttete Dämme und ausgebaggerte Einschnitte, bis nach Knapsack. Der Höhenunterschied auf der Gesamtstrecke beträgt 70 m. Zwischen den Endpunkten der Bahn gibt es sechs Abzweigstellen. Tiefster Punkt ist der Bahnhof Frimmersdorf, Scheitelpunkt liegt auf der Betonbrücke über die B 55 und den Bundesbahneinschnitt am einstigen Horremer Tunnel zwischen Horrem und Großkönigsdorf. Zahlreiche Brückenbauwerke, unter anderem über drei Bundesbahn-Strecken und über die Autobahn Köln-Aachen, sorgen für einen kreuzungsfreien Betrieb. Die größte Brücke (170 m lang) entstand über dem ehemaligen „Horremer Tunnel“. Die Stützweite dieser Brücke beträgt beachtliche 85 Meter.

Die neue Nord-Süd-Bahn war damals die modernste deutsche Kohlenbahn und auch die größte private Industriebahn.

1988 betrug z.B. die Transportleistung der Bahn 40 Mio. m³ Abraum, 40 Mio. t Rohkohle und 2,3 Mio. m³ Löß.

 

Am 17. Januar 1984 ging mit dem ersten Kohlenzug vom Tagebau Hambach, über Fortuna-Garsdorf, über die Nord-Süd-Bahn zum Kraftwerk Neurath, die zweite ca. 22,5 km lange, RWE eigene Eisenbahnlinie im Braunkohlenrevier in Betrieb.

Heute bildet die zweigleisige, 31 km lange Nord-Süd-Bahn mit der im Bereich Tgb. Fortuna-Garsdorf angeschlossenen, zweigleisigen Hambachkohle-Bahn, die Haupt-Schlagader des Rheinischen Braunkohlenreviers. Die Verwirklichung dieses Verbundsystems trug erheblich zur revierweit erforderlichen Rationalisierungen und Kostensenkungen bei. Die bisherigen Reservekapazitäten in den angeschlossenen Tagebauen konnten verringert werden, ohne eine kontinuierliche Versorgung der Kraftwerke und Veredlungsbetriebe zu gefährden.

 

Da die Nord-Süd-Bahn über ein paar km Länge ganz nah am östlichen Rand von Oberaußem vorbeiführt, ist sie auch auf Dauer mit dem Leben in unserem Ort verbunden. Mit dem Bau der Bahn und der Errichtung der Glessener Höhe, wurde Oberaußem erstmals allseitig von Einrichtungen des Bergbaus umschlossen. Mit dem Bau einer hölzernen, schmalen Brücke über die Bahnlinie, ist es für Wanderer und Radfahrer möglich, direkt vom Ortsrand Oberaußem aus, ungefährdet in das Naherholungsgebiet „Glessener Höhe“ zu gelangen.

 

Die gesamte Nord-Süd-Bahn mit angebundener Hambach-Kohlenbahn, die wichtigste Versorgungsader im Rheinischen Braunkohlenrevier, wurde in den letzten Jahren bei den eingesetzten Techniken auf den heute höchstmöglichen Stand gebracht und hat nach wie vor nichts von ihrer enormen Bedeutung verloren.