Startseite  Fortuna   Kohle  Oberaussem - Braunkohle  Das Kraftwerk Niederaußem

Oberaußem - Fortuna und die Braunkohle


12. Das Kraftwerk Niederaußem

 

Die nachfolgenden Informationen wurden teilweise wörtlich aus RWE- Broschüren zum Kraftwerk Niederaußem, von 1969 und 2003 übernommen.

 

Vorbetrachtung:

Ein wesentliches Ereignis im Bereich der RWE-Betriebsverwaltung Fortuna, ist die Grundsteinlegung für das Kraftwerk Fortuna IV am 30. Mai 1961. Um dem Standort gerecht zu werden, wurde das neue Werk später in „Kraftwerk Niederaußem“ umbenannt. Das Kraftwerk wurde 1963 mit zwei 150-MW-Blöcken in Betrieb genommen und wuchs rasch weiter über seine ursprünglich vorgesehene Leistung von 900 MW hinaus. Viele der ehemaligen Mitarbeiter der alten Kraftwerke Fortuna und natürlich auch zahlreiche Oberaußemer fanden im Kraftwerk Niederaußem einen neuen Arbeitsplatz.

Im Laufe der Jahre wurde der Standort weiter ausgebaut und immer wieder an neuere technische Standards angepasst — von der Verbesserung der Staubabscheidung, der Verringerung des Schwefeldioxid- und des Stickstoffoxidausstoßes bis zu neuen Turbinenläufern zur Erhöhung des Wirkungsgrades. Damit verfügt Niederaußem heute über insgesamt 3.864 Megawatt installierter Leistung und zählt so zu den größten Braunkohlenkraftwerken Europas. Niederaußem erzeugt aus 30 Millionen Tonnen Braunkohle rund 27 Milliarden Kilowattstunden Strom im Jahr.

 

Als vorbildlich sind die Einrichtungen für die Mitarbeiter zu bezeichnen. Neben der großzügig eingerichteten Werkskantine fallen insbesondere die Sporteinrichtungen wie Rasenfußballplatz, mehrere Tennisplätze und ein eignes Fitnessstudio auf dem Kraftwerksgelände dem Betrachter ins Auge.

Die jährlich durchgeführte Öffnung des Kraftwerks zur Besichtigung durch die Öffentlichkeit ist sehr beliebt und wird von vielen Leuten gerne genutzt.

Auch die inzwischen durchgeführten Versuche des RWE die Abwärme des Werkes für die umliegende Bevölkerung sinnvoll und wirtschaftlich zu nutzen ist positiv zu bewerten. Als Beispiele seien hier angeführt: die werkseigene Fischzucht, die Bodenbeheizung von Feldern zur Ertragssteigerung, Fernbeheizung von öffentlichen Gebäuden u.a.

Ein bedeutender Schritt in die Zukunft der Braunkohlenkraftwerke erfolgt im Jahre 2002 mit der Inbetriebnahme des weltweit ersten BoA-Kraftwerksblockes im Kraftwerk Niederaußem (BoA = Braunkohlen-optimierte-Anlagentechnik). Diese moderne Technik ermöglicht, den Wirkungsgrad eines solchen Wärmekraftwerkes erheblich zu verbessern.

 

Die Technik des Kraftwerkes Niederaußem:

 

Der Kraftwerksaufbau:

 

Das Kraftwerk Niederaußem hat Mitte 1963 mit einer Leistung von 300 MW (die Blöcke A und B mit je 150 MW) die Stromversorgung aufgenommen. Zwei weitere Blöcke (Blöcke C und D) mit einer Leistung von je 300 MW kamen im Juni 1965 bzw. Mai 1968 hinzu, so daß die Gesamtleistung des Kraftwerkes seit Mai 1968 900 MW betrug. Zwei weitere Blöcke (Blöcke E und F) von je 300 MW gingen Anfang 1970 bzw. Anfang 1971 in Betrieb, so daß sich die installierte Leistung auf 1.500 MW steigerte. Seit 1974 beträgt die installierte Kraftwerksgesamtleistung 2.840 MW.

Der für die Turbinen erforderliche Dampf wird in Zwangdurchlaufkesseln mit Braunkohlenstaub-Feuerung erzeugt. Kessel und Turbosatz bilden eine Einheit, die mit dem dazu gehörenden Trafo ihre elektrische Leistung in das Verbundnetz abgibt. Diese Einheit wird im Kraftwerksbetrieb als Block bezeichnet.

Die Kessel haben je ca. 960 t/h Dampfleistung. Die ersten vier Kessel haben je 6 Mühlen, 6 Kohlenstaubbrenner, denen durch gesonderte Frischluftkanäle die Verbrennungsluft zugegeben wird. Die folgenden Kessel haben je 8 Mühlen und 8 Kohlenstaubbrenner mit den dazu gehörenden Frischluftkanälen. Drehluftvorwärmer und Elektrofilter liegen in einer Achse mit dem Horizontalzug bei den Kesseln -A, B, C-während bei den Kesseln - D, E, F - Drehluftvorwärmer und Elektrofilter am zweiten Zug sich anschließen. Zu jedem Kessel gehören zwei Frischluft- und zwei Saugzuggebläse, sowie drei Speisewasserpumpen. An den ersten zwei Schornsteinen sind jeweils 2 Kessel, an den folgenden Schornsteinen je 1 Kessel angeschlossen.

Im Maschinenhaus stehen zwei 150-MW- und vier 300-MW-Turbosätze.

Die Turbosätze haben je einen Hochdruck-, Mitteldruck- und Niederdruckteil. Die Generatoren sind mit den Turbinen fest gekuppelt und werden mit Wasserstoff gekühlt. Leistungsschalter, Eigenbedarfs- und Anfahranlagen sind im Schaltanlagenvorbau installiert. Die im Kraftwerk Niederaußem erzeugte Energie wird über 220.000-V-Freileitungen zur Hauptschaltleitung Brauweiler bzw. Rommerskirchen geleitet und von dort in das RWE-Verbundnetz (Europanetz) eingespeist.

 

Bekohlung, Rauchgasweg, Entaschung:

 

Die Kohleversorgung des Kraftwerkes Niederaußem erfolgt über ein im einstigen Tagebau Fortuna-Garsdorf gelegenes Umschlagsystem. Dort gibt es zwei große Vorratsgräben die seit 2001 über Bandanlagen mit dem Kraftwerks-Bunker-System verbunden sind. In den beiden Vorratsgräben werden die Rohkohlenlieferungen für das Kraftwerk, die aus den Tagebauen Hambach und Garzweiler erfolgen zwischengelagert. Die Tagebaubunker mit einem Fassungsvermögen über 200.000 t dienen neben der Möglichkeit Kohle zu mischen auch als Versorgungspuffer bei etwaigen Störungsfällen bei der Kohlezulieferung aus den verschiedenen Tagebauen.

Neben der Kohleversorgung über die Bandanlage ist es möglich, über die Nord-Süd-Bahn Kohle für das Kraftwerk zu beziehen. Bis 2001 lief die Kraftwerksversorgung über einen bei Auenheim gelegenen Grabenbunker, der sowohl direkt mittels Kohlezügen oder über eine Bandanlage aus dem Tgb. Fortuna-Garsdorf beschickt werden konnte.

Zwei Eimerkettenbagger nahmen aus dem Kraftwerksgrabenbunker die Kohle auf, die dann über Bänder, gesichert durch Eisenausscheidungsanlagen und zerkleinert in Vorbrechanlagen, zu den Kesselbunkern transportiert wurde.

Im Jahre 2002 wurde mit der Inbetriebnahme des 1. BoA-Kraftwerksblock die komplette Kohlenversorgung des Kraftwerks Niederaußem erneuert und umgestellt. Heute kommt die Kohle bereits in passender Korngröße (kleiner 50 mm), ebenfalls über im Tgb.-Bereich vorhandene Metallausscheider abgesichert, ausschließlich über eine eingehauste doppelsträngige Verbindungsbandanlage, zum Kraftwerks-Verteilerbunker. Die Ausführung des Verteilerbunkers ermöglicht es den neuen 950-MW-BoA-Block getrennt von den übrigen Kraftwerksblöcken mit verschiedener Kohlequalität zu versorgen. Hinter dem Verteilerbunker erfolgt die Versorgung der einzelnen Kesselbunker mittels Bandsystemen. Aufgrund der neuen Kohleversorgungsanlagen, ist die Staub- und Lärmbelastung für Auenheim, durch den entfallenen Kohleumschlag im alten Kraftwerksgrabenbunker und die vielfach geschlossenen Straßenschranken bei Zugbekohlung, sehr stark zurückgegangen. Die neue Kraftwerksbekohlungsanlage ist zweisträngig für eine jeweilige Förderleistung bis max. 5.100 t/h ausgelegt.

Die im Betonschwerbau ausgeführten Kesselbunker im Werk sind so groß, daß bei max. Füllung die Kesselanlagen 4 bis 5 Stunden unter Volllast betrieben werden können.

Aus den Kesselbunkern wird die Kohle über Zuteiler zu Mühlen befördert, in denen sie gemahlen und durch angesaugte heiße Rauchgase getrocknet wird. Da die Mühlen auch als Gebläse arbeiten, fördern sie den Kohlenstaub gemeinsam mit den Rauchgasen und dem bei der Trocknung entstehenden Wasserdampf zu den Brennern. In diesen wird dem Kohlenstaub die zur Verbrennung notwendige, in Luftvorwärmern vorgewärmte Luft zugeführt. Die bei der Verbrennung entstehenden Rauchgase geben ihre Wärme durch Strahlung und Berührung an das Rohrsystem des Kessels und an die Luftvorwärmer ab. Nach Durchströmen des Kessels werden die staubbeladenen Rauchgase durch Elektrofilter geleitet, in welchen der Staub fast völlig ausgeschieden wird. Die Saugzuggebläse saugen die gereinigten Rauchgase an und fördern sie durch den Schornstein ins Freie. Die im Kessel und im Elektrofilter abgeschiedenen Aschemengen werden zwischengebunkert, angefeuchtet und über eine eingehauste Bandstraße in den ausgekohlten Tagebau zurückbefördert. Dort wird die Kraftwerksasche in speziellen, vollkommen mit Ton ausgekleideten Deponiegruben endgültig gelagert, die nach der Füllung einen dichten Deckel, der ebenfalls aus Ton besteht erhalten. Durch diese Maßnahmen soll verhindert werden das ev. schädliche Ascheanteile über einsickerndes Oberflächenwasser ins normale Grundwasser gelangen können.

Von der Braunkohlenförderung werden etwa 85% zur öffentlichen Stromerzeugung in Kraftwerken eingesetzt. Bei der Verbrennung der Braunkohle in diesen Kraftwerken entstehen gasförmige Emissionen (Kohlendioxid, Schwefeldioxid, Stickoxide) und staubförmige Emissionen (Flugasche), außerdem fällt Kraftwerksasche an.

Die Schwefeldioxid-Emissionen werden bei der Braunkohlenverbrennung infolge natürlicher Einbindung des Schwefels in die basische Asche reduziert. Die Bildung von Stickoxiden wird ebenfalls aufgrund der Braunkohleneigenschaften und durch eine spezielle Feuerungstechnik verringert. Staubförmige Emissionen werden bei dem Betrieb von Kraftwerken durch hochentwickelte Elektrofilter mit Abscheidgraden von über 99,8 % zurückgehalten.

Um die neuen Grenzwerte der Großfeuerungsanlagenverordnung einzuhalten, wurde vor allem in bezug auf die Emissionen von Schwefeldioxid und Stickoxiden ein umfangreiches Maßnahmenpaket durchgeführt. Die Braunkohlekraftwerke des RWE wurden hierzu mit einem Naßentschwefelungsverfahren ausgerüstet, bei dem das Schwefeldioxid aus dem Rauchgas z.B. durch eine kalkhaltige Lösung ausgewaschen wird.

Aufgrund dieser Entschwefelungstechnik wurde im KW-Niederaußem das komplette Abgassystem erneuert. Es wurden zwei neue Schornsteine errichtet, über die das gereinigte Rauchgas von allen Kraftwerksblöcken zentral abgeführt wird. Die vorher jedem Block zugeordneten Einzelschornsteine wurden dadurch überflüssig. Inzwischen wurden die Schornsteine stillgelegt und zurückgebaut.

Beim neuen Raugasreinigungsverfahren in Niederaußem fällt als Nebenprodukt eine große Menge reiner Gips an. Der Gips wird über eine separate Verarbeitungsanlage auf dem Kraftwerksgelände bearbeitet, vermarktet und dem Handel zugeführt.

 

Speisewasser- und Dampfkreislauf:

 

Der Kessel wird mit vorgewärmtem Wasser -Turbinenkondensat mittels der Hochdruckspeisepumpen versorgt. Dieses Wasser wird in dem Rohrsystem durch die vom Rauchgas abgegebene Wärme verdampft. Der so entstandene Dampf wird überhitzt und durch Rohrleitungen zur Turbine gebracht. Dort wird der Dampfdruck in Geschwindigkeit umgesetzt. Nachdem der Dampf den Hochdruckteil der Turbine durchströmt hat, kehrt er in den Kessel zurück, um wieder auf Frischdampftemperatur erhitzt zu werden, danach wird er durch den Mittel- und Niederdruckteil der Turbine geführt, auf den Kondensator-Gegendruck entspannt und kondensiert. Das Turbinenkondensat läuft über eine Anzahl Vorwärmstationen den Speisewasserpumpen und damit dem Kessel erneut zu.

 

Kühlwasserkreislauf:

 

Zum Kondensieren des Dampfes in den Kondensatoren und zur Versorgung der zahlreichen Kühlstellen wird Kühlwasser benötigt. Da kaltes Wasser aus Wasserläufen nicht vorhanden ist, muß das erwärmte Wasser zurückgekühlt werden; dies geschieht durch Verrieseln in Kühltürmen, wobei ein Teil des Kühlwassers verdunstet und der Hauptmenge so viel Wärme entzieht, daß diese wieder ihre Ausgangstemperatur erreicht. Die für die Verdunstungskühlung notwendige Luftmenge wird durch Naturzugkühler bzw. Kühler mit künstlichem Zug (mit Ventilatoren) geliefert.

 

Wasseraufbereitung:

 

Um die Verluste in dem Speisewasser-Dampfkreislauf und Kühlwasserkreislauf auszugleichen oder zu ersetzen, muß eine entsprechende Menge Wasser aufbereitet werden. Hierzu wird das aus den Wasserwerken kommende Rohwasser durch eine Entkarbonisierungsanlage geleitet, in der durch Zusatz von Kalkmilch die Karbonathärte entzogen wird. Der größte Teil dieses so entkarbonisierten Wassers wird dem Kühlkreislauf zugegeben, der verbleibende - jedoch sehr kleine Teil - wird der Vollentsalzungsanlage zugeführt. Das voll entsalzte Wasser wird dann dem Speisewasserkreislauf zugeleitet.

Ein Teil des Turbinenkondensates wird ständig durch eine blockgebundene Kondensatentsalzungsanlage geführt.

 

Stromerzeugung:

 

Von der Turbine werden der Generator und die Erregermaschine angetrieben. Im Generatorläufer wird mit Gleichstrom, der von der Erregermaschine erzeugt wird, ein elektromagnetisches Feld aufgebaut. Durch die Drehung des Läufers wird die Generatorständerwicklung von den Kraftlinien dieses Magnetfeldes geschnitten und in ihr eine Spannung induziert. Die Generatoren sind für eine Scheinleistung von 214 bzw. 400 MVA ausgelegt.

Die erzeugte Leistung wird über Ableitungen (Aluminium-Schienen), die in luftgekühlten Kanälen bzw. Ableitungsräumen verlegt sind, zum Maschinentransformator geführt, der vor dem Schaltanlagenvorbau steht. Im Transformator wird die Spannung von 10.500 bzw. 21.000 Volt auf 220.000 Volt transformiert. Der Anschluß für den Eigenbedarfstransformator befindet sich zwischen Generator und Maschinentransformator. Der Eigenbedarfstransformator versorgt normalerweise sämtliche blockgebundenen E-Anlagen. Bei Störungen oder während der Anfahrvorgänge werden die blockgebundenen E-Anlagen von fremd eingespeisten Anfahrtransformatoren versorgt. Die Einspeisung für die Anfahranlage und der allgemeine Eigenbedarf werden von der zentralen Elektrowarte geschaltet

Die Blöcke werden weitgehend automatisch geregelt, so daß das Leitstandpersonal nur überwacht. In den Blockleitständen sind alle Instrumente, die für den Blockbetrieb erforderlich sind, zusammengefaßt. Diese befinden sich im Schwerbau zwischen Kessel- und Maschinenhaus.

Die gesamte erzeugte elektrische Energie wird vom Kraftwerk Niederaußem über ein 220.000-V-Freileitungssystem ins Verbundnetz des RWE abgegeben.

 

12.1 Boa-Kraftwerk Niederaußem

 

Für die Verstromung des fossilen Energieträgers Braunkohle spielt bei RWE-Power im Hinblick auf das Thema Klima und CO2 der Vorsorgegedanke eine ganz wesentliche Rolle bei der Ausrichtung von Forschung und Entwicklung. Deshalb setzt man den größten Teil der personellen und finanziellen Möglichkeiten für eine Stromerzeugung durch zukunftsweisende Kraftwerkstechniken ein, mit dem Ziel, langfristig die beste zur Verfügung stehende Technik für eine wettbewerbsfähige und umweltschonende Braunkohleverstromung einsetzen zu können.

Die zurzeit bestmögliche Braunkohlenkraftwerks-Technik stellt ein sogenanntes Braunkohlenkraftwerk mit optimierter Anlagentechnik dar, kurz BoA genannt. Die RWE-Power AG hat diese zukunftweisende Technik in einem ersten Block am Standort Niederaußem im Jahr 2002 realisiert.

mehr dazu