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Die alte Kastanie auf dem Tonnenberg

Ausarbeitung von Ulrich Reimann 2007

 

Als eines der besonderen Wahrzeichen von Oberaußem,  ist der majestätische Kastanienbaum gleich vor dem Eingang zum alten Friedhof zu sehen. Wie viele Jahrhunderte mag er wohl schon dort stehen, wer hat ihn zu welchem Anlass gepflanzt? Eine Altersschätzung geht von etwa 250 - 300 Jahren aus.

Diese interessanten Fragen werden wohl vorerst einmal unbeantwortet bleiben müssen. Seine majestätische Schönheit hat auf jeden Fall bis zum heutigen Tage viele Menschen erfreut und das wird hoffentlich auch noch sehr lange so bleiben.

 

Zu seinem Schutz und zu seiner Erhaltung waren schon immer besondere Maßnahmen erforderlich. Damit das Erdreich um die Baumwurzeln, am abschüssigen Hang des Tonnenberges nicht vom Regen ausgewaschen wird, ist 1930 um den Standort eine Stützmauer aus Bruchsteinen angelegt worden, die dem riesigen Baum noch heute zu einem sicheren Stand verhilft.

 

Ältere Zeitzeugen erinnern sich noch recht gut an viele schöne Sommerabende, an denen die Leute von Berg – und Kirchstraße unter dem alten Kastanienbaum gesessen haben und gemeinsam gesungen und geschwatzt haben. Hier sei auch daran erinnert, dass der wohl berühmteste deutsche Boxer, Max Schmeling, des Öfteren an diesen geselligen Treffen teilgenommen hat. Er hatte als junger Mann in den zwanziger Jahren beim Kraftwerksbau Fortuna, für eine dort tätige Baufirma gearbeitet und war mit den Söhnen von Andras Schmitz von der Bergstraße befreundet gewesen.

 

 

Leider muß der betrachtende Be­sucher heute feststellen, daß unverständige Frevler diesem ehrwürdigen Riesen einmal eine Menge langer Nägel durch die Rinde in den Stamm getrieben hatten, um daran hochzusteigen. Um die einst beliebten Besteigungen des Kastanienbaumes, durch die meist jugendlichen Baumkletterer des Ortes zu verhindern, hatte man in den 50ger Jahren von Seiten der Gemeinde sogar den gesamten mächtigen Stamm und den von der Friedhofsmauer aus erreichbaren starken Ast mit Stacheldraht umzäunt. Wie sich aber schnell zeigte bedeuteten diese, für den Baum eher schädlichen Maßnahmen kein allzu großes Hindernis für die jugendlichen Kletterkünstler. So erinnert sich der Verfasser eigentlich gerne an die eigenen, zwar streng verbotenen, abenteuerlichen Besteigungen dieses größten, höchsten und auch schönsten Baumes unseres Ortes. Vom Baumwipfel aus hatte man halt die tollste Sicht auf Oberaußem und in die Ferne des Erftlandes. Es gab ein tolles Gefühl von Abenteuer und Freiheit, wenn man die Spitze des Baumriesen erreicht hatte. Man durfte sich als Kletterer natürlich nicht erwischen lassen. So war doch der damalige Ortsvorsteher Wilhelm Geuer ständig im Ort unterwegs und auf der Hut, um alle Baumbesteigungen zu verhindern. War man trotz aller gebotenen eigenen Achtsamkeit doch einmal ertappt worden, gab es meist am nächsten Tag in der Schule eine saftige Strafe.

 

Im Zusammenhang mit dieser Kastanie ist auch sehr bemerkenswert, aber nicht verwunderlich, wenn der 1927 in Danzig geborene Schriftsteller Günter Grass in seinem im Jahre 1959 er­schienenen Roman “Die Blechtrommel“ in dem Kapitel mit der Bezeichnung “Fortuna-Nord“ den Friedhof von Oberaußem erwähnt, “der leicht zum Dorf geneigt auf einem Hügel liegt“, um dann fortzufahren mit dem Ausruf “Welch eine Aussicht!“ Grass, der nach der Gefangenschaft in den Jahren 1946-1949 eine Steinmetz- und Steinbildhauer­lehre an der Kunstakademie in Düsseldorf absolvierte, war anläßlich der Aufstellung eines Grabmals hier gewesen. Seine Mutter, Frau Helene Grass, wurde am 31.1.1954 auf unserem Fried­hof beerdigt. Die Familie Grass wohnte damals hier im Ort in der Reutergasse.

 

Aufgrund der Tatsache, dass die alte Kastanie ein Wahrzeichen und Denkmal von Oberaussem ist, hat sich das Stadtteilforum Oberaussem die Aufgabe gestellt, die alte Kastanie zu schützen und die umgebende Örtlichkeit attraktiver zu gestalten. Hauptideengeber für dieses Projekt war Bernhard Walter. In einem ersten Treffen an der alten Kastanie erläutert er seinen Plan, das Wurzelwerk der Kastanie zu schützen und gleichzeitig den Besuchern die Möglichkeit zu geben, sich dem Baum von allen Seiten zu näheren und in seinem  kühlen Schatten Ruhe und Erholung zu finden! Dazu kam 2005 die Idee, durch eine besondere Einrichtung, an die einstige Anwesenheit von Günter Graß in Oberaußem zu erinnern.

 

In Absprache mit dem Landes-Denkmalpfleger beschloß man im Sommer, den seit Generationen bei Bevölkerung sehr beliebten, von G. Graß auch beschriebenen  Aussichtspunkt unter unserer majestätischen alten Kastanie, vor dem Tor des alten Friedhofes auf dem Tonnenberg, neu zu gestalten und zu verschönern.

 

Im Oktober 2005 wurden von angagierten Männern unseres Ortes die Pläne in die Tat umgesetzt. Unter der Kastanie, wurde um deren mächtigen Stamm herum, eine Aussichtsplattform mit Sitzbänken aus Holz gebaut. Diese soll die Besucher unseres Friedhofes und natürlich alle anderen hier vorbeikommenden Menschen zum Verweilen und Genießen der Aussicht über Oberaußem einladen.

 

Inzwischen wurde unter dem alten, ehrwürdigen Baum, an der Friedhofsmauer eine Gedenktafel montiert. Sie erinnert an den Besuch von Günter Graß in Oberaußem und die Beschreibung der schönen Aussicht von unserem Friedhof aus betrachtet, in seinem Welterfolgsbuch. Die Gedenktafel wurde von RWE-Power, dem mit unserem Ort eng verbundenen Braunkohle-Unternehmen, gestiftet. Die Vorstellung, die Tafel von RWE-Auszubildenden in der RWE-Lehrwerkstatt anfertigen zu lassen wurde wegen des zu großen Aufwandes nicht realisiert. Die Fa. Grabmale Schmidt in Bergheim erhielt dann den Fertigungsauftrag und hat die Tafel hergestellt. Der Entwurf der Gedenktafel stammt noch von dem lange in Oberaußem lebenden und im Sommer 2005 verstorbenen Künstler und Bildhauer „Kleine Arndt“, der mit Günter Graß zusammen die Kunstakademie in Düsseldorf besucht hat.

 

Es bleibt zu hoffen, daß der aus privaten Mitteln unter der alten Kastanie neu geschaffene Glanzpunkt von Oberaußem, Anerkennung bei der Bevölkerung findet und vom derzeit leider überall zu beobachtenden Hang zum Vandalismus und der blinden Zerstörungswut einiger Unbelehrbarer verschont bleibt.

 

 

Die schöne, lang geschwungene, alte natursteinerne Hauptaufgangstreppe zum Kastanienbaum und zum alten Friedhof, mit Mauereinfassung, wurde 2007 instand gesetzt. Männer des Stadtteil-Forums haben inzwischen auch eine passende Laterne auf der Mauer des Friedhofsaufganges an der Kastanie montiert. Damit können die Besucher den Friedhof und den Aussichtspunkt unter der Kastanie hoffentlich wieder müheloser und vor allem auch wieder gefahrloser erreichen.

 

Sollte diese schöne, herrlich gewachsene Kastanie heut noch nicht unter Naturschutz stehen, wäre es an der Zeit, dies nachzuholen.

 

 

 

 

 

Quellen:

 

 

  • Christian Kämmerling, 100 Jahre Pfarrkirche St. Vinzentius in Oberaußem
  • Layout, Text und Textergänzungen: Ulrich Reimann, Dezember 2005, April 2008
  • Fotos U. Reimann

 

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