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Zwangsarbeiter in Oberaussem-Fortuna im II. Weltkrieg

Ausarbeitung von Ulrich Reimann, 2010

 

In der Zeit während des II. Weltkrieges, wurden zwischen sieben und elf Millionen Menschen durch die Nationalsozialisten zur Zwangsarbeit für Deutschland gezwungen. Die Gründe für den Einsatz der Zwangsarbeiter waren unter anderem:

  • Arbeitsersatz für die im Kriegseinsatz befindlichen, in Deutschland fehlenden Männer.
  • Sicherstellung der Versorgung des eigenen Volkes durch die Landwirtschaft.
  • Einsparungen für deutsche Firmen, Zwangsarbeiter waren billiger als reguläre Arbeiter.
  • Erhöhung der Staatseinnahmen, durch von der Industrie zu zahlende Verleihgebühren und "Ausländersonderabgaben".
  • Vernichtung von Menschen durch Arbeit.

 

Zur Unterbringung der ausländischen Zwangsarbeiter wurden meist eigene Barackenlager errichtet. Meistens waren die Lager bewacht und eingezäunt. Das galt insbesondere für Lager, in denen Russen und Polen untergebracht waren. Bei der Unterbringung der Zwangsarbeiter, sollte unbedingt auf eine Trennung der Nationalitäten geachtet werden.

Als Wohnbaracken kamen vielerorts der für den R.A.D. (Reichs-Arbeits-Dienst) entwickelte und meist verwendete, aus Holz gefertigte Standarttyp RL IV/2 zum Einsatz.

Die Lagerbaracken waren überwiegend sehr karg ausgestattet. Meist gab es nur Behelfsbetten als Doppelstockbetten mit Strohsäcken, max. zwei Tische, Holzschemel, einen mitten im Raum stehenden Ofen und manchmal auch schmale Spinde oft aber auch nur Ablagebretter an den Wänden.

In den großen Lagern gab es separat aufgebaute Waschküchen und Aborte, die von allen gemeinsam genutzt wurden.

Die für den Barackentyp vorgesehene Belegung mit 20 Personen pro Baracke, ergab für jeden einen Flächenanteil von ca. 3 m².

Am 15.07.1942 gab der Landrat des damaligen Kreises Bergheim eine Verfügung der Gestapo Köln, in der Einsatz und Unterbringung von Ostarbeitern geregelt war, an die Kreisbürgermeister weiter.

 

 

Zum Einsatz von Fremdarbeitern in den Fortunabetrieben schreibt Detlef Witt in seinem Buch „Die Kraftwerke Fortuna“ den folgenden kurzen Text:

 

„Wie in anderen Großbetrieben des Reiches, werden im Laufe des Krieges auch in den Betrieben der RAG aus­ländische Arbeitskräfte und Kriegsgefangene eingesetzt. Bis auf ganz wenige Ausnahmen haben diese Menschen zur vollen Zufriedenheit der Betriebsleitungen gearbei­tet. Neben ca. 200 ausländischen Arbeitern wurden etwa 400 „Ostarbeiter“ und über 500 sowjetische Kriegsgefan­gene, aber auch weit über 200 italienische Militärinter­nierte gezählt. Es wird berichtet, daß die sowjetischen Kriegsgefangenen in sehr schlechtem Gesundheitszu­stand ankamen, sie waren stark unterernährt und muß­ten zunächst „aufgepäppelt“ (H. Hürth) werden. Kurz vor dem Eintreffen amerikanischer Truppen Anfang 1945 werden alle „Fremdarbeiter und Kriegsgefange­nen“ nach Osten abtransportiert. Eine ganze Reihe die­ser Menschen jedoch haben ihr Leben fern ihrer Heimat beenden müssen und sind auf den Friedhöfen des Re­viers beerdigt worden…“

 

Auch in Oberaußem und Fortuna gab es einige Lager, in denen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene verschiedener Nationalitäten untergebracht waren.

 

Es gibt noch verschiedene Pläne und Skizzen aus dem Tagebau Fortuna zu den Barackenlagern in Fortuna und Fortuna Nord sowie einen Aufstellungsplan der Doppelstockbetten in einer Baracke für sowjetische Arbeitskräfte sowie eine Tabelle über den Bedarf an Einrichtungsgegenständen für die Baracken.

 

 

Wortgetreue Abschrift des Schreibens vom Landrat des Kreises Bergheim, vom 15.07.1942, zur Gestapo-Verfügung "Unterbringung von Ostarbeitern",

Klick auf nachfolgende Grafik

 

 


Dieses Abzeichen zur Kennzeichnung als Ostarbeiter mußte deutlich sichtbar, fest mit der Kleidung verbunden getragen werden.
Baracke R.A.D., Typ RL IV / 2. Diese Bauweise kam bei vielen Barackenlagern zum Einsatz.
Eine Wohnbaracke von innen mit Einrichtung. Hier im Südlager in Wesseling 1941.
Aufstellskizze der Doppelstockbetten in einer Baracke für sowjetische Arbeiter in der Grube Fortuna.
Tabelle über Einrichtungsbedarf der Baracken der Fortunagrube, mit Handskizzen zu Aufstellung des Inventars.
Lageplan des Kriegsgefangenenlagers für russische Gefangene des Arbeitskommandos 128, Grube Fortuna. Ortsausgang von Fortuna an der Straße nach Quadrath.
Erweiterungsplan Lager Brikettfabrik Fortuna Nord mit Belegungsangaben
Lager Fortuna-Nord an der alten Bergheimer Straße Niederaußem

Lager Brikettfabrik Fortuna-Nord

Der nebenstehende Lageplan des Fremdarbeiterlagers der Brikettfabrik Fortuna-Nord zeigt die geplante Erweiterung um zwei Barackengebäude (dunkel eingefärbte Flächen) und enthält nachfolgende, handschriftliche Notizen über den Belegungsstand vom 19.11.1942.

Gefangenen-Baracke I.

1 Raum für Wachmannschaft

1 Raum für Waschraum

1 Raum für Krankenstube

4 Räume für Mannschaft a 20 Betten = 80 Betten

Es waren 14 Betten frei.

Gefangenen-Baracke II.

Belegt mit 16 Belgischen Zivilarbeitern

3 Räume für Mannschaft a 16 Betten = 48 Betten

Es waren 32 Betten frei

Dreiteilige Baracke

Belegt mit 38 Belgischen Zivilarbeitern

2 1/2 Räume für Mannschaft mit insgesamt 40 Betten

Es waren noch 2 Betten frei

Schlafbaracke I.

Voll belegt

Schlafbaracke II.

Es waren 10 Betten frei

 

Im nebenstehenden Ortsplan von Oberaußem sind sie Standorte der Lager für die Zwangsarbeiter blau markiert.

1 = Lager für französische Arbeiter im Sälchen der damaligen Gaststätte Wintz (heute Lipp).

2 = Lager für russische Kriegsgefangene auf dem Gelände der Kraftwerke Fortuna, gegenüber dem damaligen Eingang zum Luftschutzbunker unter der Osthalde.

3 = Baracken für ausländische Zwangsarbeiter am Ortsrand von Oberaußem nahe der Abts-Acker-Straße nahe dem Kraftwerk Fortuna II. Die Baracken dienten vorher Arbeitern, die beim Kraftwerksbau beschäftigt waren.

 

Im nebenstehenden Ortsplan von Fortuna sind die dortigen Lagerstandorte für Zwangs-, Fremdarbeiter u. Kriegsgefangene im Jahre 1943 ersichtlich.

1 = Sowjetische Kriegsgefangene – Das Lager bestand aus 4 Baracken. Es befand sich am Südwest-Eingang zur Grube Fortuna an der Straße Quadrath – Oberaussem     

2 = Ostarbeiter – Das Lager bestand  aus einem Fachwerkbau, am Wasserturm an der Adolf Hitler Straße

3 = Holländer und Belgier – Das Lager bestand aus einer Holzbaracke, es befand sich hinter dem vorgenannten Ostarbeiter-Lager

4 = Italiener – Das Lager bestand aus einer Holzbaracke, es befandet sich ebenfalls hinter dem Ostarbeiter-Lager am Wasserturm.

5 = Ukrainer - Als Lager diente eine alte Kegelbahn, direkt neben der Werksgaststätte auf der Adolf Hitler Straße.

Lager in Fortuna:

 

Zu einem Schreiben des Bergamtes Köln-West bezüglich der Lager in Fortuna, schrieb der in der Grubenverwaltung Fortuna für alle Lager zuständige Herr Reinke am 19. Oktober 1943 einen Brief an die Hauptverwaltungsabteilung C1.

Text, klick auf die nebenstehende Grafik

 

 

 

Die ausländischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter in der Gemeinde Oberaußem-Fortuna mußten in der hiesigen Landwirtschaft und in den Fortuna-Betrieben der Braunkohlenindustrie arbeiten.

Das waren bei der Braunkohle:

Die Kraftwerke und Brikettfabriken Fortuna und Fortuna-Nord, die Tagebaue Fortuna, Fortuna-Nord und Beisselsgrube. Die Arbeitsbedingungen waren oft unvorstellbar hart. Bekleidung, Unterbringung und Verpflegung waren insbesondere bei den russischen Kriegsgefangenen zum Teil menschenunwürdig.

Für die Versorgung der Kriegsgefangenen in den Lagern war der Oberaußemer Heinrich Giesen zuständig gewesen.

 

Der Reichsminister des Innern erließ im Oktober 1941 Verfügungen über die „Bestattung von Leichen sowjetischer Kriegsgefangener durch die Gemeinden. Darin heißt es u.a.:

„…zur Feststellung des Todes sind, soweit leicht erreichbar, Ärzte der Wehrmacht heranzuziehen. Auch im übrigen ist zur Kostenersparnis, soweit möglich und zweckmäßig, wegen der Leichenüberführung (Gestellung von Fahrzeugen) mit Dienststellen der Wehrmacht in Verbindung zu treten. Für die Überführung und Bestattung ist ein Sarg nicht zu fordern. Die Leiche ist mit starkem Papier (möglichst Öl-, Teer- und Asphaltpapier) oder sonst geeignetem Material vollständig einzuhüllen.

Die Überführung und Bestattung ist unauffällig durchzuführen. Bei gleichzeitigem Anfall mehrerer Leichen ist die Bestattung in einem Gemeinschaftsgrab vorzunehmen. Hierbei sind die Lei­chen nebeneinander (aber nicht übereinander) in der ortsübli­chen Grabestiefe zu betten. Auf Friedhöfen ist als Begräbnisort ein entlegener Teil zu wählen. Feierlichkeiten und Ausschmüc­kungen der Gräber haben zu unterbleiben...“

 

Im August wurde der sowjetrussische Kriegsgefangene Pjotr Wasotskije, Nr. 367/00618, im Lager der Betriebsverwaltung Fortuna standrechtlich erschossen. Sein Vergehen ist nicht mehr feststellbar.

Die Leiche wurde auf dem Friedhof von Oberaußem beigesetzt.

 

Neunzehn russische Kriegsgefangene verloren in der Gemeinde Oberaußem-Fortuna ihr Leben. Beerdigt wurden sie alle auf dem alten Friedhof von Oberaußem. Anfangs waren sie in schmucklosen Gräbern, entlang der Friedhofsmauer zwischen dem Haupttor und der alten Leichenhalle, einfach verscharrt worden.

In den 1960ger Jahren wurden ihre sterblichen Überreste in ein noch heute bestehendes, gesondertes Gräberfeld auf dem alten Friedhof in Oberaußem umgebettet. Dabei wurde auch für jeden der 19 Toten ein eigener kleiner Grabstein aus Beton, mit Namen Geburts- und Todesdatum aufgestellt.

Vor wenigen Jahren wurde das Gräberfeld von der Stadt in Ordnung gebracht und umgestaltet. Die Totengedenksteine wurden dabei zu zwei Neunergruppen zusammengefaßt. Ein Grabstein mit den noch lesbaren Informationen "IWAN PESARENISKII, * 1925, † 19.6.1942 " steht als Einzelstein zwischen den beiden Gruppenblöcken.

 

 

In seinen Tagesereignisaufzeichnungen erwähnt der damalige Betriebsdirektor der Abteilung Fortuna Wilhelm Scharf für den 24.2.1945 folgendes:

Die Hauptwasserhaltung der Fortunagrube kam durch Bombenschaden außer Betrieb. Ein Sowjet, der Heizer an einer Abraumlokomotive war, wurde durch Volltreffer getötet......

Unter dem Datum 27.2.1945 schreibt er: Die Ausländer und Kriegsgefangenen wurden abtransportiert. Reinke erkrankt. ( Herr Reinke war für alle Ausländerlager zuständig!)

 

 

Am 28. August 1986 veröffentlichte der Kölner Stadtanzeiger im Lokalteil "AN RHEIN UND ERFT", einen Artikel von Joachim Widmann zum Thema Kriegsgefangene Zwangsarbeiter in Oberaußem.

Nachfolgend eine wörtlich getreue Abschrift dieses Artikels.

Auf dem Friedhof in Oberaußem erinnern Gräber an das Schicksal russischer Zwangsarbeiter

Heimlich Kartoffeln zugesteckt

Kriegsgefangene mußten im Tagebau arbeiten - Zeugen erinnern sich nicht gern an die Zeit


Artikel im Kölner Stadtanzeiger, 28.8.1986, von Joachim Windmann


Bergheim-Oberaußem - Vor 45 Jahren, im August 1941, starb Baramik Prokopi. Er war russischer Kriegsgefangener in Ober­außem. Später starben dort noch 18 Landsleute von Prokopi, ebenfalls Kriegsgefangene. Ihre Gräber sind heute noch auf dem alten Friedhof in Oberaußem zu finden.

Eine Reihe pultförmiger Gra­nitsteine mit kyrillischer Be­schriftung ist alles, was noch an ihr Schicksal erinnert. Die Rus­sen mußten im Kraftwerk, in der Brikettfabrik und im Tagebau Fortuna arbeiten. Dort starben sie auch an Unterernährung oder durch Luftangriffe. Die meisten fanden in der zweiten Hälfte des Jahres 1942 den Tod.

Akten vernichtet

Von den wenigen Zeugen, die noch leben, erinnert sich nie­mand gern an die Nazizeit und den Zweiten Weltkrieg. Kaum jemand möchte zitiert werden. Akten aus der Zeit wurden ver­nichtet oder sind bis heute nicht zugänglich.

Gegenüber dem alten Wasser­turm des Kraftwerks Fortuna, unmittelbar am Verwaltungsgebäude, stand das Barackenlager der russischen Kriegsgefange­nen, die vom Reichs-Wirt­schaftsverwaltungs-Hauptamt in Berlin zur „Verwendung“ für Schwerstarbeiten in Tagebau, Brikettfabrik und Kraftwerk be­stimmt worden waren.

Unterbringung, Verpflegung und Arbeitseinsatz der Gefangenen wurden von dem Amt vor­geschrieben, das unter anderem auch die Aufgabe hatte, über die „Rentabilität von Konzentra­tionslagern zu wachen.

Russen galten als Gefangene zweiter Klasse. Leichtere Arbei­ten in der Landwirtschaft wur­den von Franzosen übernom­men. Sie waren mitten in Ober­außem, im Sälchen der Gaststätte Wintz (heute Lipp), un­tergebracht.

Der Oberaußemer Johann Ni­colin hatte damals eine Gärtne­rei: „Bei uns haben die Franzo­sen an einem Tisch mit den Deutschen gegessen. Nur nachts mußten sie in das Gasthaus.“ Die Russen lebten dagegen von der Bevölkerung isoliert.

„Die haben täglich nur ein dünnes Süppchen bekommen“, erinnert sich die 82jährige Ka­tharina Tripp aus Oberaußem, die aus Neugier immer wieder an die Umzäunung des Gefangenenlagers beim Kraftwerk ging.

„Einige von uns, ich auch, haben abends Kartoffeln an den Zaun gelegt, die sich die Russen dann geholt und auf kleinen Feuern geröstet haben.“

Ausgemergelte, kranke Jammergestalten seien sie gewesen. Immer wieder sei es vorgekommen, daß ein Erdloch ausgeho­ben wurde, in dem die Wachen einen der Gefangenen begruben. „Das wurde mit einem Sarg gemacht, der einen Klappboden hatte. Die Soldaten hielten die Kiste über die Grube, einer zog an einem Seil, und der Tote fiel unten raus“, berichtet die Augenzeugin. Sie glaubt, daß nicht alle der verstorbenen Russen auf dem Friedhof liegen. „Wer weiß, wie viele auf diese Weise ir­gendwo verscharrt wurden?“

 

„Ich kann mir nicht denken, daß die Kriegsgefangenen ver­hungert sind“, sagt eine andere Zeitzeugin, die ungenannt blei­ben möchte. Sie hatte in der Buchhaltung der Rheinischen Aktiengesellschaft für Braunkohle und Brikettfabrikation (RAG) gearbeitet, eine der Vorgängerfirmen der Rheinischen Braunkohlenwerke AG (Rhein­braun). „Regelmäßig wurde das Lager inspiziert, dann haben auch wir Werksangestellten im Büro zur Überprüfung von dem Essen für die Gefangenen be­kommen. Gut war es nicht, aber annehmbar — wer hat damals schon gut gegessen?“ Die Oberaußemerin räumt zwar ein, daß für die Inspektion ein besonderes Gericht gekocht wurde, aber an Unterernährung seien die Russen kaum gestorben. Nach ihrer Auffas­sung sind sie eher bei Bomben­angriffen ums Leben gekommen: „Die durften ja nicht in den Bunker. Für die Deutschen gab es Schutzstollen — die Russen blieben bei Angriffen am Ar­beitsplatz oder im Lager.

 

Überraschung und Betroffenheit

Die ehemalige RAG-Direktionssekretärin Wilhelmine Opper­mann ist überrascht und betrof­fen, als sie davon erfährt: „Des­halb waren also nie Gefangene im Bunker während der Angrif­fe.“ Auch sie kann sich an das „Testessen“ erinnern. „Man konnte das essen, aber. ob es mengenmäßig für die Gefange­nen reichte, weiß ich auch nicht.“

Wilhelmine Oppermann er­zählt, daß der damalige Direktor Scharf sich bemühte, die Gefan­genen — den Bestimmungen aus Berlin zum Trotz — so gut wie möglich zu versorgen. „Er steckte ihnen hier und da etwas zu und legte auch schon mal aus der eigenen Tasche bei der Ver­pflegung zu. Das ging so lange gut, bis ein 200prozentiger Nazi ihn bei der Kreisleitung anschwärzte.“

Dem inzwischen verstorbenen Direktor Scharf blieb dann nichts anderes übrig, die Hilfe für die Russen einzuschränken.

Frau Oppermann glaubt nicht die Gerüchte, die noch heute hinter vorgehaltener Hand in Oberaußem, kursieren: Ein in­zwischen verstorbener Mitarbei­ter der RAG-Betriebsverwaltung Fortuna soll von der Verpfle­gung der Gefangenen „kilo­weise“ Butter abgezweigt und zu Schwarzmarktpreisen unter der Hand verkauft haben. Frau Op­permann: „Das wäre Herrn Scharf sofort aufgefallen, der Mann wäre geflogen.“

Die Rentnerin glaubt auch, daß die Russen bei Luftangriffen ums Leben kamen und erklärt so die hohe Zahl der Opfer im Jahr 42: „Gerade das Kraftwerk und der Tagebau waren kriegswich­tig und damit in dem Jahr beson­ders oft Ziele für die Flieger. Dabei sind auch viele Deutsche umgekommen. Wir saßen mehr im Bunker als sonst wo.“

 

Anfang der fünfziger Jahre wurden die Kriegsgefangenen­gräber in der Bundesrepublik, soweit möglich, erfaßt. Auch die 19 Grabstellen in Oberaußem er­hielten einheitliche Grabsteine und gelten seither als Gedenk­stätte.

Die kyrillische Beschriftung verhindert jedoch jedes Ver­ständnis, Erläuterungen fehlen und sind nur schwer zu bekom­men.

Bleiben zwei Reihen kleiner, pultförmiger Grabsteine, un­scheinbar zwischen den pompö­sen Grabmälern auf dem alten Oberaußemer Friedhof, gepflegt von der Stadt Bergheim, die diese Pflicht auf ewig übernom­men hat.

 

In wenigen Jahren wird viel­leicht völlig vergessen sein, wer dort liegt.

 

Nachfolgend die zum Artikel gehörenden Fotos

 

 

Ergänzung zum Zeitungsartikel:

 

Recherchen des Autors in Oberaußem sowie Gespräche mit Zeitzeugen deuten darauf hin, daß in den noch vom Bau des Kraftwerkes Fortuna II vorhandenen festen, gemauerten Bauarbeiterunterkünften an der Abts-Acker-Straße, Ortsende Oberaußem keine russischen Kriegsgefangenen untergebracht waren. Zeitzeugen erinnern sich an die dortige Unterbringung von polnischen Zwangsarbeitern und gegen Ende des Krieges an Arbeiterinnen aus der Ukraine. Man erinnert sich auch daran, daß dieses Barackenlager nicht sehr streng bewacht war.

Weitere Zeitzeugen erinnern sich aber auch an das im Zeitungsartikel beschriebene Barackenlager für russische Kriegsgefangene auf dem Kraftwerksgelände, wobei diese Zeugen den Standort ein wenig korrigiert haben. Es war wohl ein kleineres Lager, mit wahrscheinlich zwei Holzbaracken. Das Lager war von einer aus Holzpfählen, Maschen- und Stacheldraht errichteten Zaunanlage umgeben. Der Eingang zu diesem Lager befand sich östlich, etwa gegenüber des Einganges zum damaligen, unter der Ostkippe, Verlängerung Fortunastraße, gelegenen Luftschutzbunker. Am Lagereingang waren ständig bewaffnete Wachposten stationiert. In der Küche dieses Lagers hatten u.a. Oberaußemer Verwandte von Christian Giesen gearbeitet. Damalige Kinder erinnern sich noch daran, daß sie Zugang zu diesem Lager hatten und dort sogar mit Butterbroten versorgt wurden. Der Zeitzeuge Peter Josef C. erinnert sich noch recht gut an die dort untergebrachten russischen Gefangenen. Zehn von ihnen waren seinem Onkel, Hubert Wilberts, der in der Entaschung des Kraftwerkes Fortuna II arbeitete, als Arbeitskräfte zugeteilt. Da er seinem Onkel, wie es damals hier üblich war, in einem sogenannten „Henkelmännchen“, oft das Mittagessen ins Kraftwerk brachte, kannte er die Russen gut. Auch im Lager war er des öfteren gewesen. Peter Josef C. erinnert sich auch an die Vornamen von zwei der Kriegsgefangenen. Es waren Iwan und Petro, die für ihn zu Weihnachten Geschenke gefertigt hatten. Er erhielt über seinen Onkel von ihnen eine Mütze und einen aus Holz gefertigten Vogel.

Laut Aussagen der Zeitzeugen waren russische Kriegsgefangene aber überwiegend in dem streng bewachten und gesicherten Lager an der Straße nach Quadrath, am Ortsende von Fortuna untergebracht.

Peter Josef C. weiß auch noch zu berichten, daß die Holzbaracken des Russenlagers am Kraftwerk, nach dem Ende des Krieges, eine Zeit lang als Unterkünfte für in Köln ausgebombte Familien gedient haben.

 

Mit dem Bau der Kraftwerke Fortuna II und IV, Anfang der 1950ger Jahre verschwanden die Holzbaracken.

 

 

 

 

  

 

 

Quellen:

  • Kölner Stadtanzeiger vom 28.8.1986
  • Zentralarchiv RWE Power AG.
  • Stadtarchiv Kerpen
  • Stadtarchiv Wesseling
  • Kreisarchiv Düren, Sammlung Houben
  • Volker H.W. Schüler; Der Kreis Bergheim in nationalsotialistischer Zeit
  • Sofie Kamp, Oberaußem, Erinnerungen
  • Fritz Esser, Oberaußem, Fotos Franzosen
  • Chronik von Martin Schneider, Oberaußem
  • Zeitzeugen aus Oberaußem und Fortuna
  • Recherchen, Layout, Texte, Fotos: U. Reimann