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Landwirtschaftsbetrieb mit Laden: Esser - Pötze

Ausarbeitung von Ulrich Reimann, Dez. 2011

 

Diese kleinere, noch erhaltene, in sich geschlossene Hofanlage, ist in unserem Ort seit langen Jahren bekannt. Sie ist bereits auf dem amtlichen Lageplan des Oberaußemer Dorfes von 1822 eingezeichnet. Das alte Anwesen, mit allen zugehörigen Gebäuden, befindet sich an der heutigen Ecke, Friedhofstraße (ehemals Kirchstraße) - Friedensstraße (ehemals Mühlenstraße). In direkter Nähe gegenüber befand sich über 130 Jahre lang das alte Pfarrhaus von Oberaußem, das im April 1980 abgerissen wurde. An dessen Stelle steht heute das neue Pfarrheim der katholischen Kirchengemeinde von Oberaußem.

 

 

Der einstige kleine Hof Pütz - Esser, mit einem dazugehörigen kleinen Kaufhaus, befindet sich inzwischen seit mehr als 120 Jahren im Besitz der Familie Esser und deren Nachkommen, der Familie Fritsch. Vorbesitzer war bereits über Generationen hinweg eine Familie Pütz gewesen. Die letzten Betreiber von Landwirtschaft auf dem Hof waren Martin Esser (*1901 Oberaußem, † 1990 Oberaußem) und seine Frau Katharina geb. Nöhles (* 1913 Mönchengladbach, † 1980 Oberaußem). Er war den meisten Ortsbewohnern aber nur unter dem Namen „Pötze Märtes“ bekannt, den er selbst aber nicht so gerne hörte. Wenn er von Unwissenden mit diesem Spitznamen angesprochen wurde, korrigierte er meistens indem er sagte: „mein Name ist Martin Esser“. Etwa gegen 1932 hatte Martin Esser den kleinen Betrieb von seinem verstorbenen Vater, dem Kleinhändler und Ackerer Conrad Esser (* 30.7.1866 Oberaußem, † 1932 Oberaußem), übernommen. Dessen Eltern waren der Oberaußemer Kleinhändler Wilhelm Esser (* 17.10.1828 Oberaußem, † 16.11.1873 Oberaußem) und Anna Sofia Wolff (* 7.5.1831 Oberaußem, † 1895 Oberaußem), die auf dem im Jahre 2009 niedergelegten kleinen Gehöft „Klein-Hötte“ an der Kirchstraße (Vinzentiusstraße) lebten. Die Eltern von Wilhelm Esser waren Sebastian Esser (* Gruven, † 27.3.1872 Oberaußem) und Gertrud Moll (* 20.7.1799 Oberaußem, † 30.12.1868 Oberaußem). Anna Sofia Wolff war eine Tochter von Franz Wolff (* Rheidt, † 13.1.1871 Oberaußem) und Anna Sibille Knauff (* 2.1.1802 Oberaußem, † 16.10.1881 Oberaußem).

Der Ackerer und Kleinhändler Conrad Esser war etwa seit 1890 in 1. Ehe mit Anna Catharina Wintz (* 8.12.1869 Oberaußem, † Oberaußem) verheiratet. Sie war eine Tochter der Eheleute Peter Wintz (* 22.7.1834 Oberaußem, † Oberaußem, Ackerer und Wirth) und Adelheidis geb. Hündgen (* 24.11.1833 Oberaußem, † Oberaußem). Sie waren die Besitzer und Betreiber einer Landwirtschaft mit Gaststätte. In der Gaststätte Wintz hatte der Oberaußemer Männergesangverein sein erstes Vereinslokal gehabt. Peter Wintz war ein Sohn der Eheleute Reiner Wintz (* 4.1.1801 Niederaußem, † 18.11.1863 Oberaußem) und Margaretha Weitz (* 22.9.1809 Oberaußem, † 26.1.1838 Oberaußem). Die Eltern von Adelheidis Hündgen waren, der Schuster Peter Josef Hündgen (* 25.8.1805 Oberaußem, † Oberaußem) und Anna Maria Etzbach (* 11.2.1806 Sehnrath, † Oberaußem).

An dieser Stelle ist anzumerken, daß die Eltern von Anna Catharina Wintz anfangs strickt gegen eine Ehe ihrer Tochter mit Conrad Esser eingestellt waren. Für sie war der vom kleinen Gehöft „Klein-Hötte“ an der Kirchstraße stammende Kleinhändler, einfach nicht vermögend genug und somit ihrer Meinung nach nicht standesgemäß für eine Ehe mit ihrer Tochter. Letztendlich, wohl nach zähem Ringen, willigten sie aber doch in die Heirat der beiden ein. Als Hochzeitsgeschenk erhielt das junge Ehepaar Esser-Wintz dann von den Eltern der Braut, den kleinen Hof Pütz mit dem angeschlossenen Kaufhaus an der Ecke Kirchstraße - Mühlenstraße. Das Anwesen Pütz hatten sie um das Jahr 1890 den Geschwistern Pütz abgekauft. Deren Familie lebte dort bereits über einige Generationen hinweg und hatte eine Landwirtschaft und einen kleinen Laden betrieben.

Conrad Esser und Anna Catharina Wintz führten dann die Landwirtschaft und den Laden auf dem kleinen Hof weiter. Sie betrieben zusätzlich auch einen kleinen Landhandel mit Geflügel, Butter, Käse, Eiern etc. Die frische Ware wurde dabei überwiegend im holländischen Venlo eingekauft und dann zusammen mit Produkten aus der eigenen Landwirtschaft, auf dem Apostelmarkt in Köln verkauft. Die dafür erforderlichen Reisen bewältigte Familie Esser, wie auch andere Oberaußemer Familien (z.B. die in der Nachbarschaft an der Bergstraße wohnenden Kaufleute Schmitz), mit Pferd und Wagen.

Das Ehepaar Conrad Esser - Anna Catharina Wintz bekam zusammen sechs Kinder und zwar:

• Sofia Esser verheiratete Prehl, Kauffrau in Frechen,
• Peter Esser, Vollziehungsbeamter in Oberaußem,
• Adelheid Esser, verheiratet mit dem Landwirt Josef Esser in Oberaußem,
• Katharina Esser verheiratete Prang, Kauffrau in Oberaußem,
• Martin Esser (Pötze Märtes), Landwirt und Kleinhändler in Oberaußem,
• Anna Maria Esser verheiratete Steinheuer, lebte in Lohrsdorf an der Ahr,

Nach dem frühen Tod seiner Frau heiratete Conrad Esser in 2. Ehe Maria Katharina Berrendorf, mit der er zusammen noch drei weitere Kinder bekam:

• Anna Ursula Esser, verheiratet mit Josef Lipp in Oberaußem,
• Klara Wolf Esser, verheiratet Wolf, lebte in Niederaußem,
• Gertrud Esser (Pötze Traut), verheiratet mit Jakob Ippers in Oberaußem, Postangestellte,


Aus den beiden Ehen von Conrad Esser gingen also insgesamt neun Kinder hervor wobei es erstaunlich war, daß eine junge Frau einen alleinstehenden Mann mit sechs Kindern geheiratet hatte.

Nachfolgend nun eine lustige Anecktode zur Familie Conrad Esser, die sein Neffe Martin Schneider von der Bahnstraße in Oberaußem, in einer Familienchronik wie folgt schriftlich festgehalten hat.


“In Oberaußem amüsierte man sich lange Zeit über einen Aprilscherz, dem Conrad Esser und seine Familie einst zum Opfer gefallen sind.

Die Geschichte trägt den Titel: Der Geldsegen aus Amerika

 

Zum besseren Verständnis muss zuerst folgendes näher beschrieben werden. Meine Mutter hatte eine Cousine namens Sibilla Bünnagel. Deren Verehrer namens Anton Schall wollte als Elsässer nicht beim Preußischen Militär Dienst leisten und wanderte deshalb aus nach Argentinien. Seine Braut folgte ihm nach, und sie schlossen dort die Ehe. Diese Familie kam zum Wohlstand. Frau Schall hat ihre Verwandten in Oberaussem zweimal aus Argentinien besucht.

Am 2. April 1925 erhielt mein Onkel Conrad Esser, Friedhofstraße, ein Schreiben der Amerikanischen Bank aus Köln, Komödienstraße, mit folgendem Inhalt: “Ihr Verwandter, Antonio Schall aus San Juan, Argentinien, spielte für seine in Oberaussem wohnenden und noch lebenden Verwandten ein Los in der Preuß. Klassenlotterie. Auf dieses Los fiel ein Gewinn von 200 Tausend Mark. Dieses Geld brachte bereits 16 000 Mark an Zinsen. Ein Sparkassenbuch über diesen Betrag ist beigefügt. Dieser Betrag kann gegen Ausweis, Paß und Lebensbescheinigung bei der Amerikanischen Bank in Empfang genommen werden. In dem Moment, wo Esser den Brief öffnete und voller Freude seiner Frau davon Mitteilung machte, erschien der Nachbar Christian Schmitz und erfuhr gleich diese Neuigkeit. Da Schmitz eine Tageszeitung in vielen Häusern zustellte, erfuhren viele diese Sensation. Dadurch verbreitete sich diese Sache in Oberaussem und den umliegenden Dörfern schnellstens. Am gleichen Tage traten die 4 Geschwister Esser zusammen. Jetzt tauchte die Frage auf ob der Bruder Martin, der in Vanikum wohnte, teilhaftig sei oder nicht. Einer sagte nein, aber die Mehrheit siegte und man entschloss sich, auch diesem ein Fünftel zukommen zu lassen. Jetzt traten aber noch 2 weitere Parteien auf, die ihren Anspruch glaubhaft machen wollten. Es war erstens der Landwirt Jakob Esser aus der Brennerei Esser und zweitens der Invalide Jakob Cremer in der Büsdorferstraße. Jakob Esser glaubte, es sei Geld aus einem Guthaben seines Onkels Kaspar Esser und Jakob Cremer nahm an, es sei von seinem nach Amerika ausgewanderten Verwandten Konrad Esser. Beide wurden belehrt, daß das Geld für die Verwandten von Konrad Esser bestimmt sei. Am gleichen Tage fuhr ich nach Köln. Bei meiner Rückkehr von Köln erfuhr ich von all den geschmiedeten Plänen der 5 reichen Leute. Da der Eingang des Schreibens hart am 1. April lag, vermutete ich einen Aprilscherz. Abends ging ich mit meinem Bruder Wilhelm und Vetter Sebastian Esser aus der Büsdorferstraße zum Onkel Konrad. Ich stellte dann fest, daß es ein Aprilscherz war. Das Sparkassenbuch war eine Reklame eines Kölner Lotterieeinnehmers und die Amerikanische Bank existierte nicht in Köln. Vorsichtig, damit der Schreck nicht zu plötzlich kam, mußte ich den Onkel aufklären. Dieser glaubte immer noch nicht an den Scherz. Osterdienstag mußte seine Tochter Adelheid in Köln nach der Amerikanischen Bank Ausschau halten. Aber leider war die angegebene Nummer in der Komödienstraße ein Kölner Bierrestaurant. Alles das niederzuschreiben, was die wohlhabenden Leute mit dem Geld machen wollten, würde ein Buch geben. Der eine wollte neu bauen, der andere renovieren, wieder einer seine Schulden abtragen usw. usw. - Leider wurde es keine Wirklichkeit.“

 

 

Der Originalkostenanschlag zum Bau des Brunnens (Pötz) vor dem Anwesen Pütz - Esser
Der Kostenanschlag lesbar

Im Volksmund nannte man das kleine Anwesen der Familie Esser auch „ An Pötze“. Dieser Name wurde wohl daraus abgeleitet, dass sich direkt vor deren Haus ein Brunnen (Pötz) befunden hat, der den oben am Berg wohnenden Leuten und den jeweiligen Pfarrherren von Oberaußem, lange Zeit zur Trinkwasserversorgung gedient hatte. Der Trinkwasserbrunnen war gemäß eines Beschlusses des Oberaußemer Gemeinderates vom 23. September 1839, um diese Zeit dort auf dem Berg angelegt worden. Gebaut wurde der Brunnen von dem Maurermeister Wilhelm Wichterich aus Jotzendorf, gemäß dessen Angebot vom 20. Februar 1826. Der Brunnen sollte aus hart gebrannten Ziegelsteinen gemauert werden. Laut dem Angebot sollte er ca. 90 Fuß tief (das sind etwa 30m) und 4 Fuß (ca. 1,3m) im lichten Maß gebaut werden. Die damals für den Brunnenbau von der Gemeinde veranschlagten Baukosten betrugen in der Summe: 133 Thaler, 17 Silbergroschen und 7 Pfennige.

Bei Straßenarbeiten an der heutigen Friedhofstraße, fanden Arbeiter der Oberaußemer Tiefbaufirma „Johann Braun“, um das Jahr 1960, vor dem Geschäft und Bauernhof von Martin Esser, diesen alten Brunnen wieder. Da er bereits vor Jahrzehnten trocken gefallen war, hatte man ihn aufgegeben. Während früherer Pflasterungsarbeiten auf der einstigen Kirchstraße, hatte man den Brunnenschacht mit großen Steinquadern abgedeckt und darüber den Straßenbelag verlegt. Von der tatsächlichen Tiefe des Brunnens und seiner soliden Bauweise, waren die Straßenbauer von 1960 sehr beeindruckt. Der Verfasser dieser Ausarbeitung, hat damals als Junge den tiefen Schacht selbst gesehen und miterlebt, wie Arbeiter eine brennende Zeitung in den Schacht geworfen haben um die Brunnentiefe festzustellen. Da das Zeitungspapier bereits erloschen war, bevor es den Boden erreicht hatte, konnte man davon ausgehen, daß die im o.g. Kostenvoranschlag aufgeführten Abmessungen des Brunnenschachtes auch als real ausgeführt gelten können. Zur allgemeinen Sicherheit der Bevölkerung und auch des Straßenverkehrs wurde der Brunnenschacht um 1960 komplett mit etlichen LKW-Ladungen Sand und Kies verfüllt, mit einer starken Betonplatte verschlossen und mit dem neuen Straßenbelag überdeckt. Danach geriet der „Pötz“ bei der Bevölkerung allmählich in Vergessenheit. Detaillierte Einzelheiten zum einstigen Brunnen enthält die Chronik von Christian Kämmerling „100 Jahre Pfarrkirche St. Vinzentius“ (Seiten 40 - 43).

 

 

Bemerkenswert im Zusammenhang mit dem Hof Esser ist, dass die Familie Esser in ihrem Garten an der Mühlenstraße, hinter ihrem Hof, im II. Weltkrieg einen eigenen, aus schwerem Beton und Stahlträgern gebauten Luftschutzbunker besaß. Der unterirdische Bunker war noch bis 2008 vorhanden. Der Eingangsschacht mit Treppe war nach dem Krieg verschlossen und mit Erde verfüllt worden. Von der heutigen Friedensstrasse aus war nur noch ein Teil des aus dem Boden ragenden Belüftungsrohres sichtbar. Im Jahre 2008 wurde der Luftschutzbunker komplett freigelegt und entfernt. An dessen Stelle entstand ein Wohnhaus auf dem Grundstück.

Nachfolgend einige Fotos zum Abbruch des Luftschutzbunkers der Familie Esser durch die Firma Wieland.

 

 

 

Der kleine Bauernhof wurde von Martin Esser „Pötze Märtes“ bis Ende 1960 bewirtschaftet. Als er 1934 den Hof übernommen hatte, bearbeitete er bis etwa 1942 mit zwei Pferden seine Felder. Die Pferde vom Hof Esser hatten auch über viele Jahre hinweg, bei Beerdigungen den einstigen Oberaußemer Leichenwagen gezogen. Während des II. Weltkrieges mußte auch Martin Esser, wie so viele andere, seine Pferde zum Kriegseinsatz abgeben. Danach erledigte er mit einem Arbeitsochsen die schwere Feldarbeit. Nach dem Krieg kaufte Martin Esser ein neues Ackerpferd. Das große braune Arbeitspferd trug den Namen „Liesa“, es war überall im Ort wegen seiner Gutmütigkeit bekannt und gehörte quasi zur Familie. Martin Esser war dann einer der letzten Oberaußemer Landwirte, die bis zum Schluß mit Pferden gearbeitet haben. Es war noch sehr beschaulich, wenn Herr Esser mit seiner „Liesa“ zum Ackern ins Feld zog. Liesa war auch etliche Mal, als Reitpferd des heiligen St. Martins, der lange Jahre von Josef Klein (Hötte Jupp) verkörpert wurde, im damals in Oberaußem noch groß gefeierten Martinszug eingesetzt worden.

Nach der endgültigen Aufgabe der Landwirtschaft hat Martin Esser sein treues Pferd dann schweren Herzens an einen Viehhändler verkauft. Eine seiner Verkaufsbedingung war, daß sein Pferd geschlachtet werden solle, um diesem eine Weiterverwendung als Arbeitstier zu ersparen. Am 30.12.1960 überführte Martin Esser dann seine „Liesa“ persönlich zu Fuß, zum Viehhändler nach Elsdorf, wobei er auf dem langen Weg bestimmt einige Tränen vergossen hat.

 

  

Martin Esser, vierter von links, spielte in der 1. Mannschaft des 1919 gegründeten Fußballclubs.

Martin Esser war sehr sportinteressiert. So war er auch ein Gründungsmitglied des Oberaußemer Fußballvereins und spielte aktiv in der 1. Mannschaft des S.C.O. – Spiel- und Sportclub 1919 Oberaußem. Nach seiner aktiven Zeit besuchte er bis ins hohe Alter, regelmäßig die Jahreshauptversammlungen seines Fußballvereins. Wenn es dabei zu hitzigen Debatten kam, versuchte er immer beruhigend auf die Versammlung einzuwirken, indem er an den Sportsgeist aller Versammlungsteilnehmer appellierte.

 

 

Zum Betrieb von Martin Esser gehörte, wie bereits bei seinen Eltern und den Vorbesitzern des Anwesens, ein kleines Lebensmittelgeschäft, das von seiner Frau Katharina geführt wurde. Frau Esser war bei ihrer Kundschaft, sehr beliebt gewesen. Sie war immer warmherzig und großzügig. Viele ihrer Kunden hatten in den ärmeren Nachkriegsjahren oft nicht das notwendige Geld, um die zum Lebensunterhalt benötigten Wahren auch direkt bezahlen zu können. Bei Frau Esser gab es aber notfalls auch etwas auf „Pump“. Selbst an Sonn- und Feiertagen konnte man meistens bei ihr noch unbedingt für den Haushalt erforderliche Kleinigkeiten am Küchenfenster einkaufen. Maria Siewert geb. Schallenberg aus der Nachbarschaft, arbeitete lange Zeit als Verkäuferin bei Frau Esser im Geschäft. Maria wurde bei Essers wie ein eigenes Kind behandelt und war auch sehr beliebt im Kundenkreis. Etwa ab 1955 kam die Tochter des Ehepaares Esser, Maria mit ins Geschäft.

Maria Esser ist seit 1960 mit Kurt Fritsch verheiratet. Die beiden haben einen Sohn, Wolfgang Martin Fritsch und zwei Enkelkinder die derzeit in München leben.

Eine langjährige Krankheit zwang Katharina Esser, in fortgeschrittenem Alter dazu, das Geschäft ganz an ihre Tochter Maria Fritsch geb. Esser zu übergeben. Martin Esser half nach der Einstellung seiner Landwirtschaft und dem Tode seiner Frau noch gerne im Geschäft seiner Tochter mit aus.

 

Im Geschäft der Familie Esser am 23.4.1985, v. li.: Kurt Fritsch, Maria Fritsch, Martin Esser und Maria Sievert geb. Schallenberg
Maria Fritsch in ihrem Geschäft 1998
Kurt und Maria Fritsch in ihrem Geschäft kurz vor der endgültigen Schließung 1998

Die Kölnischen Rundschau widmete am 23.4.1985 eigens den nachfolgenden Artikel dem Geschäft Fritsch in Oberaußem.

Omas „Supermarkt“ hat kaum noch eine Zukunft

„Tante Emma Laden“ gibt den Kampf um den Kunden nicht auf

VON PETER W. SCHMITZ

 

Oberaußem. Welche Assoziationen haben Sie, wenn es um den Begriff „Tante Emma La­den“ geht? Klingt das nicht nach der guten alten Zeit, wo, wie man sagt, der Kunde König war. Oder sind die kleinen Läden in Anbetracht der modernen und billigen Supermärkte lediglich ein Stück bewältigte Vergangenheit.

Fest steht, daß die „Emma Läden“ im Kampf mit den Marktgiganten früher oder spä­ter auf der Strecke bleiben. Das es allerdings auch rühmliche Ausnahmen von dieser ökonomischen Regel gibt, beweist die Oberaußemerin Maria Fritsch:

Allen Unkenrufen zum Trotz scheint ihr Laden zu überleben.

 

Stolz auf eine fast 100jährige Geschichte

Schon seit dem Jahr 1860 tätigen Oberaußemer Bürger ihre Einkäufe in dem kleinen Lebensmittelgeschäft an der Kirchstraße. Die ersten Eigentümer waren die Geschwister Pütz. Zur Zeit der Jahrhundertwende übernahmen die Großeltern von Maria Fritsch den Laden. Heute verweist das Familienunternehmen stolz auf die fast 100jährige Geschichte.

Der nunmehr 84jährige Eigentümer, Martin Esser, überließ aus Gesundheitsgrün­den seiner Tochter den harten Überlebenskampf mit der übergroßen Konkurrenz. Die 44jährige arbeitet immerhin auch schon 30 Jahre hinter der Ladentheke und genießt das uneingeschränkte Vertrauen ihrer Kunden.

Bei „Pütze“, denn so heißt das Lädchen seit dem 19. Jahrhun­dert, ist tatsächlich noch der Kunde, und nicht die Kasse König. Hier sind Serviceleistungen an der Tagesordnung, die anderswo undenkbar wären. Aus diesem Grunde be­ginnt der Arbeitstag für Maria Fritsch schon mit dem ersten Hahnenschrei, um fünf Uhr in der Frühe. Dann werden die frischen Brötchen an die Kunden ausgeliefert. Doch auch kranke oder alte Kunden bekommen die Waren bis in das Haus geliefert.

Der rund 150 Einkäufer um­fassende Kundenstamm setzt sich hauptsächlich aus Schul­kindern und alten Menschen zusammen. Auf dem morgendli­chen Weg zur benachbarten Schule kaufen die Pennäler ihre Hefte, Süßigkeiten oder die Tagesverpflegung ein. Bei den vielen Senioren ist die freundli­che Bedienung und die unmit­telbare Nähe zum Geschäft Trumpf. Denn für die alten Leute ist der Weg zu den abgelegenen Supermärkten zu weit und ihnen die Einkaufsatmosphäre zu unpersönlich. In den riesigen „Kauftempeln“ zei­gen sich die Senioren von dem Überangebot sichtlich verunsi­chert.

Seit über einem halben Jahrhundert sind Juliane Wienand, Anna Käsch, Elisabeth Smialowski und Katharina Schmitz dem Laden treue Kunden. Frau Schmitz: „Hier werden wir noch als Mensch und nicht als Num­mer behandelt. Wir können über alle Probleme mit Frau Fritsch reden. Wissen wir nicht was wir kochen sollen, hilft sie uns sogar mit Rezepten aus.“

Doch außer Kochrezepten versteht Maria Fritsch auch einiges vom Geschäft und will endlich mit dem Unfug aufräumen, daß „Tante Emma Läden“ zu teuer sind: „Viele junge Leute glauben, daß wir nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Doch durch unseren Anschluß an die Rewe-Gruppe haben wir die gleichen Preise wie die Supermarktkonkurrenz.“ So machen auch 48 Prozent des Jahresumsatzes die verkauften Sonderangebote aus.

Ein großes Problem: „Kampf um neue Kunden“

Freilich sind die Geschäfts­einnahmen zum Sterben zuviel und zum Leben zu wenig. Frau Fritsch: „Wenn ich meinen Stundenlohn ausrechnen würde, müßte ich normalerweise aufhören. Aber die Arbeit liegt mir im Blut.“ Ihr Mann, Kurt Fritsch, arbeitet aus diesem Grunde auch bei der RWE, um das nötige Geld nach Hause zu bringen.

Das größte Problem ist der Kampf um neue Kunden. Denn mit Handzettel und Plakaten läst sich da wohl auf Dauer keinen Staat machen. Frau Fritsch: „Uns sterben mehr Kunden weg, wie neue hinzukommen.“

 

 

 

Die Familie Fritsch führte den kleinen Laden nach einer Erweiterung und Modernisierung noch bis zum 28.1.1998. Danach wurde das traditionsreiche Geschäft auf dem Gehöft, nach mehr als 140 Jahren Bestehens, davon etwa 110 Jahre unter der Führung der Familie Esser, endgültig aufgegeben. Man mußte schweren Herzens dem allgemeinen Trend zu den großen Supermärkten Tribut zollen.

 

An dieser Stelle ist es angebracht, hier auch etwas über die Geschichte des Sohnes von Kurt und Maria Fritsch zu berichten, was zweifelsohne auch zur Geschichte des kleinen Anwesens Esser (Pötze) gehört. Der 1962 geborene Wolfgang Martin Fritsch hat neben seinem erfolgreichen Berufsleben auch ein tolles Hobby. Seine große Liebe gehört dem Kölner Karneval. Seit 1987 ist er Mitglied bei der Karnevalsgesellschaft „ Grosse Braunsfelder KG“. Als erster Oberaußemer Junge hat er es geschafft, Mitglied eines Kölner Dreigestirns zu sein.

Zusammen mit Markus Zehnpfennig als Prinz Markus I. und Hubert Hornung als Bauer Hubert, bildete Wolfgang-Martin Fritsch als Jungfrau Martina das Kölner Dreigestirn in der Session 2010. Alle Drei gehören zu der Grosse Braunsfelder KG von 1976.

Auf der Webseite der Karnevalsgesellschaft, http://www.grosse-braunsfelder.de findet man zu Wolfgang-Martin Fritsch als Jungfrau Martina nachfolgende Information.

 

Wolfgang Martin Fritsch
Das Kölner Dreigestirn 2010
Der Orden des Dreigestirns

"Die Kölner Jungfrau Martina

 

sollte ja eigentlich schon ab der Geburt im Jahr 1962 ein Mädchen sein. Die Mutter von Wolfgang Martin hatte fest mit einem Mädchen gerechnet… Nun kann er seiner Mutter doch noch einen Wunsch erfüllen und nach der Proklamation als Kölner Jungfrau Martina die Jecken begeistern. Er ist verheiratet und lebt mit seiner Frau in einer Patchwork-Familie mit drei Töchtern. Bei der Grosse Braunsfelder KG ist er seit 1987 Mitglied und deren Vizepräsident sowie Mitglied des Geschäftführenden Vorstandes. Für seine karnevalistischen Verdienste wurde er zum Ehrensenator und Ehrenratsherr der Grosse Braunsfelder KG ernannt, ebenso ist er Träger des Verdienstordens des Festkomitee des Kölner Karnevals von 1823 e.V. in Silber und Gold.

Nach dem Abschluss der Handelsschule absolvierte Wolfgang Martin Fritsch eine Ausbildung zum Speditionskaufmann und ein Studium zum Verkehrsfachwirt (DAV). Danach arbeitete er in verantwortlichen Positionen unter anderem in den Speditions- und Logistikunternehmen Dachser, Locton, Hays und TNT Logistics. Seit dem Jahr 2004 ist er Geschäftsbereichsleiter der Internationalen MBS Logistics Gruppe am Hauptsitz Köln. Ein Logistiker beschäftigt sich auch mit Reiseplanungen, so liegt es nahe, dass er mit seiner Frau und der Familie auch in der Freizeit gerne reist, wenn er nicht seinem liebsten Hobby, dem Kölner Karneval, nachgeht.“

 

Wenn Wolfgang Martins Großvater Martin Esser miterlebt hätte, daß sein einziger Enkel im Kölner Dreigestirn vertreten war, währe er wohl mächtig stolz gewesen. Er hätte seiner Familie, seinen Bekannten und seinem gesamten Umfeld, dieses für Oberaußem außergewöhnliche Ereignis auch recht deutlich als wunderbar und einzigartig präsentiert.

 

Heute wird das Anwesen Pütz – Esser (Pötze) – Fritsch, von der Familie Fritsch ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellen:

  • Familienurkunden zur Familie Esser, von Karl Polewiak
  • Familienchronik von Martin Schneider, Oberaußem
  • Chronik „100 Jahre St. Vinzentius Oberaußem“, von Christian Kemmerling
  • Kirchenbücher von St. Vinzentius Oberaußem
  • Kölnische Rundschau vom 23.4.1985
  • Webseite http://www.grosse-braunsfelder.de
  • Persönliche Angaben der Familie Fritsch
  • Privatfotos der Familie Esser – Fritsch
  • Recherchen, Texte, Fotos, Layout U. Reimann