Die Brennerei Esser in Leverkusen Berg-Neukirchen
Der aus Oberaußem stammende Jakob Esser hatte Anfang der 1950er Jahre in Leverkusen Berg-Neustadt eine neue Brennerei gegründet. Er hatte die alten Oberaußemer Produktionsrezepte aus Essers Destillerie mitgebracht und in seinem neuen Betrieb verwendet. Sein Sohn, Ernst-Peter Esser, übernahm später das Geschäft von ihm. Auch heute noch stellt Ernst-Peter Esser den beliebten und geschätzten halbbitteren "Mittler" nach dem alten Oberaußemer Originalrezept her.
Am 25. April 2006 veröffentlichte das Leverkusener Journal einen Bericht über die kleine Esser-Brennerei in Berg-Neustadt
Leverkusener Journal v. 25. April 2006
Alkohol wird nicht vom Teufel gemacht
Die letzte Leverkusener Brennerei geht wirtschaftlich ungewissen Zeiten entgegen.
Das nahe Ende des Branntweinmonopols ist für kleine Brennereien schwer zu überleben. Der einzige Leverkusener Kornbrenner will aber nicht aufgegeben.
Von Ralf Krieger
Nur an einer Stelle kann man den fast reinen Alkohol sehen. Unter einer luftdicht verschlossenen Glasglocke fließt über den eingebuchteten Rand eines Überlaufs, in dessen Mitte ein Glasröhrchen mit einer Prozentskala schwimmt, in einem fingerdicken Rinnsal die begehrte Flüssigkeit und verschwindet sofort wieder in einem Kupferrohr. Der Alkohol läuft noch durch den Weingeistmesser, eine unbestechliche Mechanik in einer Truhe, dann in einen Tank im Keller der Grunder Mühle im Öhlbachtal. Nichts kann man anfassen. Glasglocke, Kupferrohre, Messgeräte, alles hat die Zollbehörde verplombt. Zusätzlich stehen die Geräte im so genannten Verschlussraum, hinter Gittern oder Plexiglasscheiben. An jeder Schraube, an jedem Scharnier amtliche Plomben. Da darf nur der Zoll hinein. Der Alkohol gehört schließlich dem Staat. Alle vier bis sechs Wochen kommt der Tankwagen zur Mühle und saugt den Agraralkohol aus dem Keller.
Ernst-Peter Esser, der Brenner, blickt auf die Prozentskala unter der Glasglocke und geht schnell aber nicht hastig zum großen Kupfernen Brennapparat. Dort dreht er an einem Rad, dem Ventil für die Regelung der Dampfmenge. Der Alkoholgehalt war mit 83 Prozent um einen Punkt zu niedrig, Der Destillierapparat ist das Herz der Brennerei. Mit seinem Bullaugen aus Messing erinnert an ein U-Botot aus einem Jules-Verne- Film. Nur, dass es hochkant steht.
In der fast neu Meter hohen Kupfersäule wird bei 103 Grad Delsius und leichtem Überdruck der Alkohol aus der Maische, einem vergorenen Gemisch aus Weizenschrot und Wasser, verdampft. Hinter den Bullaugen kocht und brodelt die Pampe. wie Hechtsuppe. In einer mit Grunder Quellwasser gespeisten Kühlschlange kondensiert das Alkoholgas und wird wieder flüssig. Das, was unten übrig bleibt, die Schlempe, pumpt sich ein Landwirt au der Nachbarschaft täglich für seine Kühe in den Tankwagen.
„Ich brauche noch bis Anfang Mai, dann habe ich meine 24 000 Liter Alkohol für dieses Betriebsjahr gebrannt“ sagt Esser langsam. So viel kauft ihm der Staat in diesem letzten Jahr, in dem das Branntweinmonopol ( siehe Einschub) noch Bestand hat, garantiert ab. Es ist die letzte Brennsaison , in der das alte Brennrecht der Familie Esser gilt. Anfangs der 70er Jahre hatte sein Vater die Brennerei Pfeiffer in Burscheid-Hilgen aufgegeben und die Grunder Mühle übernommen.
Esser:“ Künftig bleibt mir nichts anderes übrig, ich muss meinen Korn und Likör selbst vermarkten“. An eigenen Getränken verkauft er in seinem kleinen Geschäft in der Mühle Grunder Kräuterlikör und Grunder Kornbranntwein. Es ist stundenweise Donnerstag- und Freitag Nachmittag geöffnet. Demnächst sollen aber noch weitere Getränke hinzukommen. „Ich plane einen Kirschlikör“, sag Esser, schaut auf die Uhr und klettert eine steile Eisentreppe zum großen Bottich hinauf.
In dem wird die Maische, eigentlich ein sehr dünnflüssiger Teig, aus selbst gemahlenem Weizenschrot und Wasser eune Stunde gekocht und elektrisch gerührt, wieder abgekühlt , mit vier Kilogramm normaler Bäckerhefe verrührt, dann lässt Esser die Flüssigkeit auf die Minute pünktlich in einen der drei 7400 Liter Gärtanks im Erdgeschoss ab. Vier Tage später hat die Hefe aus der Stärke des Weizens neuprozentigen Alkohol gemacht, der dann gebrannt werden kann.
„Ja, es ist eine sehr anstrengende Arbeit, die Zahl der Gärbehälter bestimmt meinen Arbeitsrhythmus, einen Tag maischen, den anderen brennen, manchmal beides, wenn ein Feiertag naht“, sagt der 52-jährige Esser, während er einen Schlauch mit heißem Wasser spült, bis die Scheiben der Mühle beschlagen. In der Brennzeit von September bis Mai klettert er sechs Tage die Woche von 8 bis 19 Uhr aleine zwischen dem hohen Brennapparat, den drei Gärtanks, Maisbottich, Mahlwerk und Getreidespeicher rauf- und runter.
Den eigenen Alkohol zu trinken ist da kein Thema. „Da bin ich eher reserviert“, sagt Ernst-Peter Esser fast entschuldigend, „höchstens mal hier und da ein Schlückchen zum Probieren.“