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Oberaußem - Fortuna und die Braunkohle

Betriebe Grube Fortuna um 1926

3. Der Braunkohlenbergbau im Umfeld von Oberaußem und Fortuna

3.1 Zeittafel:

 

Nachfolgend eine stichpunktartig aufgebaute Zeittafel zu der Entwicklung des Braunkohlenbergbaus in der Gegend um Oberaußem, teilweise übernommen aus einer Veröffentlichung von Heinz Andermahr

  • 1515/16 Kolberch (Kohlegrube) in der Nähe von Bergheim und Frens,
  • 1771 Pfarrangehörige aus Paffendorf fahren mit ihrem Fuhrwerk zum Kohlberg, wahrscheinlich Bestandteil der Villeanhöhe bei Bergheim-Schlenderhahn,
  • 1774 Erwähnung der Grube Schlenderhan, der Familie Raitz von Frentz ,
  • 1776 Abbau am Turf-Berg im Oberaußemer Busch zwischen Oberaußem und Schlenderhan durch 3 Klüttenbäcker aus Oberaußem,
  • 1802 wird berichtet, in der Umgebung von Bergheim werde Torf gegraben,
  • 1809 3 Abbaugruben bei Bergheim für Torf: eine bei Ichendorf, die anderen bei Schlenderhan,
  • 1810 Konzessionsgesuch des Kentener Mühlenbesitzers Ludwig Colping für das Grubenfeld „Urwelt“ zwischen Oberaußem und Quadrath,
  • 1810 Erwähnung des Braunkohlenbergwerkes Geretzhoven bzw. Geretzhover Torfkaule im Bereich des Abbaufeldes Urwelt,
  • 1812 Braunkohlegrube des Grafen Beissel v Gymnich mit Lageplan (Beißelgrube)
  • 1813 Erwähnung von 4 Holzkohlenbergwerken, darunter Quadratherbusch, Clarenbusch bei Oberaußem und Schlenderhan,
  • 1820 Verleihung Braunkohlenfeld Schlenderhan,
  • 1822/23 Vergabe von Konzessionen für verschiedene Bergwerke in Bergheim, Ichendorf, Oberaußem, darunter Schlenderhan, Beisselgrube und Urwelt,
  • 1832 folgt Vergabe der Konzessionen für Geretzhoven 1,
  • 1845 14. August, Geburt von „Adolf Silverberg“ in Goch am Niederrhein
  • 1854 Konzessionsgesuch für das Braunkohlenfeld Giersberg-Fortuna durch den Gutsbesitzer Johann Peter Meul aus Niederaußem,
  • 1856 Vergabe der Konzession an Meul,
  • 1859 Verleihung Felder Urwelt I und Urwelt II,
  • 1861 Gründung der Bergwerkssiedlung Fortuna,
  • 1882 Erste Brikettfabrik auf dem Feld Giersberg mit sieben Pressen,
  • 1897 Aufnahme der Produktion der Brikettfabrik für die Beisselsgrube,
  • 1898 Errichtung von 2 Brikettfabriken für die Grube Fortuna,
  • 1898 Verkauf der Konzessionen an den Gruben Giersberg-Fortuna, Schlenderhan und Urwelt durch den Freiherrn v Oppenheim an ein Konsortium unter der Führung von Kommerzienrat Adolf Silverberg aus Bedburg und Rechtsanwalt Balduin Trimmborn aus Köln, Gründung der Gewerkschaft Fortuna,
  • 1899 Mehrheitsbeteiligung der Gewerkschaft Fortuna an der Beisselgrube,
  • 1899 Gründung Braunkohlen-Brikett-Verkaufsverein (BBV),
  • 1903 Umbenennung der Gewerkschaft Fortuna in „Fortuna Aktiengesellschaft für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation“ (Fortuna AG),
  • 1903 Am 9. September verstirbt „Adolf Silverberg“. Am 29. 9. wird sein Sohn, „Paul Silverberg“ zum neuen Generaldirektor der Fortuna AG gewählt,
  • 1908 4. Januar, Gründung der Rheinischen Aktiengesellschaft für Braunkohlen-Bergbau und Brikettfabrikation (RAG), die aus der Gewerkschaft Fortuna hervorgeht. Sie wurde das größte Braunkohlenunternehmen der Welt,
  • 1910 Verträge zwischen Fortuna AG und Stadt Köln und Bergheim zur Versorgung der Städte mit Elektrizität aus dem Kraftwerk Fortuna I,
  • 1912 Inbetriebnahme des Kraftwerkes Fortuna I für die Erzeugung von Elektrizität,
  • 1920/22 Errichtung des Kraftwerkes Fortuna II mit Bau eines 110 kV-Hauses, erstmaliger Anschluß des Kraftwerkes an das 100-kV-Netz des RWE,
  • 1940 Inbetriebnahme Grube Fortuna-Nord,
  • 1941 Oktober, Inbetriebnahme der Brikettfabrik Fortuna-Nord I,
  • 1948 Inbetriebnahme der Brikettfabrik Fortuna-Nord II,
  • 1954 Inbetriebnahme der Nord-Süd-Bahn, 1. Bauabschnitt von Fortuna-Nord bis zur Hauptwerkstatt Grefrath,
  • 1954/55 Einstellung Grube Fortuna-Nord, Übergang in Tgb. Fortuna-Garsdorf,
  • 1955 Beginn Tieftagebau Fortuna-Garsdorf mit 1. Großschaufelradbagger, Nr. 255, Tagesleistung 100 000 fm³. Hersteller: Maschinenbau, Lübecker Maschinenbau Gesellschaft (LMG), Elektroausrüstung, Fa. AEG
  • 1957 Fertigstellung der Nord-Süd-Bahn
  • 1958 31. Mai, Stilllegung der Brikettfabriken Fortuna I und II
  • 1959 Am 5. Oktober stirbt „Paul Silverberg“ in Lugano
  • 1959 28. Dezember, große Fusion: Zusammenschluss der noch bestehenden Einzelgesellschaften des Rheinischen Reviers zur „Rheinischen Braunkohlewerke Aktiengesellschaft“, kurz „RHEINBRAUN“,
  • 1960 Grube Fortuna/Beisselsgrube ist ausgekohlt,
  • 1961 30. Mai Grundsteinlegung Kraftwerk Fortuna IV, heute Niederaußem,
  • 1962 Grundsteinlegung für den ersten neuen Bauernhof auf der Kippe der alten Grube Fortuna/Beisselsgrube,
  • 1963 Kraftwerk Niederaußem mit 2 x 150 MW-Blöcken in Betrieb,
  • 1965 28. Juni, Inbetriebnahme erster 300 MW Turbogenerator in Deutschland im Kraftwerk Niederaußem,
  • 1967 9. Mai, Eröffnung des Rheinbraun-Infozentrums Schloß Paffendorf
  • 1976 Inbetriebnahme der ersten Gerätegruppe mit Tagesleistungen von 200.000 / 240.000 f m³ in Fortuna-Garsdorf. Bagger 285, Absetzer 739 mit BSW 944,
  • 1984 Beginn Tagebau Bergheim,
  • 1985 Abschluss der Umsiedlung der Einwohner von Fortuna,
  • 1988 22. Dezember, endgültige Abschaltung der Kraftwerke Fortuna, danach erfolgte der vollständige Abriss,
  • 1993 Der Großtagebau Fortuna-Garsdorf ist ausgekohlt,
  • 1998 Ende Bergbaubetrieb mit Großgeräten im Tgb. Fortuna-Garsdorf,
  • 2002 Inbetriebnahme des weltweit 1. BoA-Kraftwerksblocks in Niederaußem (BoA = Braunkohlenkraftwerk mit optimierter Anlagentechnik),
  • 2002 Der Tgb. Bergheim ist ausgekohlt,

 

3.2 Der Braunkohlenabbau und die Industrieentwicklung in unserer Gegend.

 

Gemäß ersten bekannten Schilderungen, wurden in der Nähe von Oberaußem bereits im 16. Jahrhundert sogenannte „Knabben“ abgebaut. 1774 findet der Kohlenabbau in der Grube Schlenderhan, der Familie Raitz von Frentz, Erwähnung. Es soll schon damals einen Tunnel gegeben haben, der von dieser Grube in Richtung Erft führte und der Abführung des Grubenwassers diente.

Unter der Jahreszahl 1776 findet man folgende Erwähnung: 3 Klüttenbäcker aus Oberaußem haben auf einem Gelände des Klosters St. Clara zu Köln, den „Turf-Berg im Oberaussemer Busch, unweit des Rittersitzes Schlenderhan ahngenohmen“.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es zwischen Quadrath und Oberaußem bereits mehrere kleine Braunkohlengruben, welche die Braunkohle noch mittels unterschiedlicher Techniken förderten. Hier seien genannt. Die Grube Schlenderhan und die Beisselgrube des Freiherren von Frentz, die Grube Urwelt des Müllers Colping aus Kenten und der Gruben-Betrieb Geretzhoven des Freiherren von Bodelschwingh.

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts dachte man allgemein über eine wirtschaftliche Weiterentwicklung der hiesigen Braunkohlengewinnung nach. Dies galt auch für den Gutsbesitzer Johan Peter Meul aus Niederaußem. Im Laufe des Jahres 1854 machte er Schürfversuche am Giersberg bei Oberaußem, die offensichtlich positive Ergebnisse zeigten. Er schreibt ein Konzessionsgesuch für den Betrieb einer Grube.

Sein Gesuch belief sich neben Braunkohle auch auf Eisenerz, für nahezu 7.350 Morgen Betriebsfläche (ca.18,7 km²). Die Fläche beinhaltete fast die Hälfte der späteren Tagebaue Fortuna-Nord, Fortuna-Garsdorf und Bergheim. Wie alle Braunkohlekonzessionen, so erhielt auch dieses Feld einen Namen. Meul nennt das Konzessionsgesuch „Giersbergs Fortuna“. Am 10. Februar 1857 wird es durch Bekanntmachung rechtskräftig.

Zwischen 1880 und 1910 erlebte die Braunkohlenindustrie ihre erste große Blütezeit. In diese Zeit fallen auch die ersten von der Braunkohle beeinflussten, bedeutenden Veränderungen des Landschafts- und Siedlungsbildes unserer Heimat.

Auftrieb erhielt der Braunkohlenbergbau durch die Erfindung der Brikettherstellung. Die ersten Brikettpressen wurden 1877 im südlichen Revier bei Brühl montiert. Der höhere Heizwert des Braunkohlenbriketts (nur noch 15-20% Wassergehalt) brachte den Sieg der Kohle über das Holz in der Hausbrandversorgung. Da sich in den 80er Jahren die Steinkohle stark verteuerte, stellten Industriebetriebe auf Braunkohle um. Auch bis dahin unbedeutende Gruben wie die „Beisselsgrube“ bei Quadrath und „Fischbach“ bei Horrem entwickelten sich außerordentlich.

Beim Abbau der Kohle ging man vom Tummelbau zum Rollochbetrieb über. Hierbei schlägt der Hauer die Kohle in einer trichterförmigen Grube. Die "Knabben" fallen durch das am Boden des Trichters befindliche Loch in eine unter Tage stehende Lore. Eine Erhöhung der Förderung wurde hierdurch möglich. Der Abtransport der Kohle aus den Gruben erfolgte ausnahmslos mit Pferdefuhrwerken. Die verkehrsungünstige Lage der hiesigen Gruben und die allgemein schlechten Straßenzustände, -es gab damals nur Kiesbeläge-, behinderten die Entwicklung der Braunkohlenindustrie noch sehr. Eine gute Gelegenheit, die Grubenbetriebe besser ans übergeordnete Verkehrsnetz anzubinden, ergab sich beim Plan, eine Provinzialstraße zwischen Düren und Neuß zu bauen. Diese Straße sollte über Oberaußem führen. "Einflussreichen Oberaußemer Personen" gelang es aber, die Durchführung des Projekts in der geplanten Form zu vereiteln. Man berief sich dabei auf die angeblich mit einer Landstraße verbundene Gefahr von Einquartierungen und der Landstreicherplage. Die Straße wurde daraufhin nicht über Oberaußem, sondern über Niederaußem geführt. Allgemein sah man den schlechten Zustand der Straßen zu den Gruben aber auch ein. Zur Befestigung der Straßen war Basalt erforderlich. Fehlende Eisenbahnstrecken ließen jedoch den Transport zu kostspielig werden. Trotz aller Probleme wurde wenigstens die für den Braunkohlenabsatz wichtige Straße von Oberaußem nach Kenten mit schwerem Steinschlagmaterial ausgebaut. Dies war die erste brauchbare Anbindung der Braunkohlengruben an die bedeutende Köln-Aachener Straße. Kurz darauf folgte der Ausbau der Straße zwischen Oberaußem und Quadrath, die direkt an der Grube Fortuna vorbeiführte.

Erst kurz vor der Jahrhundertwende führte der Bau von Eisenbahnen zu einer enormen Verbesserung der Transportmöglichkeiten für die Braunkohle. Der Kreis Bergheim baute 1897 eine Schmalspurbahn. Die erste Strecke verlief von Horrem über Bergheim nach Bedburg. Die Beisselsgrube erhielt in Ichendorf einen Anschluß. Damit wurde eine erste, wichtige Querverbindung zwischen den Staatsbahnstrecken Köln-Aachen und Neuß-Düren eingerichtet.

Mit dem Kauf der Grube Fortuna und der Beisselsgrube durch eine Gesellschaft unter Führung von Kommerzienrat Adolf Silverberg und dem Bankhaus Sal. Oppenheim zu Köln, hatte sich ab 1898 das Großkapital in den Braunkohlenbergbau eingeschaltet. Mit dessen Unterstützung konnte der Kreis Bergheim die "Kohlenbahn", die von Bergheim über Oberaußem nach Rommerskirchen führte, errichten. Die Grube Fortuna erhielt ein eigenes Anschlußgeleis und einen Bahnhof. Gleich nach der Fertigstellung der Bahnstrecke erfolgte ein Ausbau der Straßen. Durch Aufbringung von Basaltdecken waren sie dem ständig zunehmenden Verkehr zunächst gewachsen. Die Gemeinde Oberaußem hatte darauf das beste Straßennetz im ganzen Kreisgebiet. Die verbesserten Verkehrswege trugen dann erheblich zu der raschen Entwicklung des Braunkohlenbergbaues in unserem Raume bei.

Neue Brikettfabriken entstanden bei der Beisselsgrube und bei der Grube Fortuna und die Zahl der aufgestellten Brikettpressen stieg ständig. (In Fortuna bis 1903 vierzehn Pressen). 1902 führte Adolf Silverberg auf der Grube Fortuna erste Versuche zur maschinellen Kohlegewinnung im Grubenbetrieb durch. 1908 wurde in der Grube Fortuna der erste Kohlenkratzbagger aufgestellt. Die gewonnene Kohle wurde damals durch eine Kettenbahn aus der Grube in die Fabrik befördert. Ein Teil einer solchen Bahn, beim alten Kraftwerk Fortuna, diente noch eine lange Zeit nach dem 2. Weltkrieg zur Notversorgung.

Dies waren für die Entwicklung des gesamten rheinischen Braunkohlenbergbaues sehr entscheidende Fortschritte.

Die Ausdehnung der Grube Fortuna war aus kleinen Anfängen zu einer bedeutenden Fläche angewachsen, die überwiegend auf ehemaligem Waldboden lag. Beim Beginn des Abbaues war man zunächst in nördlicher Richtung vorgestoßen, um dann aber bald den Abbau an den südlichen Rand der Grube zu verlegen. Der Grund dafür war das Absinken des Flözes am Nordrand der Grube und die damit steigende Abraumhöhe.

Die Beisselsgrube bedeckte bis 1910 eine Fläche von knapp 15 Hektar. Das gesamte Gelände dieser Grube war ein ehemaliges Waldgebiet. Die anfangs unbedeutenden Abraummengen wurden in der Nähe der Brikettfabrik und der Ortschaft Ichendorf aufgeschüttet.

Die Entwicklung des Braunkohlenbergbaues nach 1910 ist durch weitgehende Mechanisierung gekennzeichnet. Die Grube Fortuna dehnte sich schnell in südöstlicher Richtung aus. Der Kohleabbau von Hand, im Rolllochbetrieb, verlor ständig an Bedeutung. Nur weil sich in der Kriegszeit ab 1914 die Lieferung und der Bau erforderlicher Maschinen und Geräte verzögerten, wurde der Handbetrieb noch einige Jahre beibehalten. Aus dem damals in Grube Fortuna anstehenden, etwa 20 Meter mächtigen Abraum, wurde aufgrund des schnell nachdrängenden Kohleabbaus, zwischen 1910 und 1920 auf dem Gebiet der Kentener Heide eine riesige Abraumhalde angelegt. Nach Beendigung der Anschüttung 1922, wurde die Halde direkt mit Akazien und Weißerlen aufgeforstet. Die Kulturen entwickelten sich gut. Nach ca. 25 Jahren war die Halde mit hohen Bäumen dicht bestanden. Die "Fortuna-Kippe" war die erste Braunkohlenhalde des rheinischen Reviers, an der Aufforstungsversuche gemacht wurden. Auf der Kippe im Schutz der hohen Bäume entstanden eine Schießanlage und ein Sportplatz.

Die Fortschritte bei der Feuerungstechnik führten dazu, dass die Fabriken, die bisher Brikett verfeuerten, nun auch Rohbraunkohle für ihre Kesselanlagen einsetzen konnten. Das ergab eine wesentliche Verbilligung der Energie für die Industrie und damit verbunden ein Ansteigen der Kohlenförderung für die Gruben. Die Versorgung der Industrie und der Städte mit Energie aus der Braunkohle, führte rasch zum Gedanken der Elektrizitätserzeugung in der Nähe der Braunkohlengruben. Nachdem Stromliefer-Verträge mit der Stadt Köln und dem Kreis Bergheim geschlossen waren, entstand 1910 - 1912 das erste Großkraftwerk auf Braunkohlenbasis. Das Werk wurde direkt neben der Brikettfabrik Fortuna erbaut. Es erhielt den Namen „Kraftwerk Fortuna I“. Die zehn Kessel des Werkes wurden mit Rohbraunkohle aus der Grube Fortuna geheizt, die Schlote erreichten eine Höhe von 85 Meter und waren weit bis in die Eifel und in das Bergische Land hinein zu sehen. Die anfangs installierte Kraftwerksleistung mußte mehrfach erhöht werden. Nach dem 1. Weltkrieg stieg der Stromabsatz so schnell, daß das Kraftwerk Fortuna den Anforderungen nicht mehr gewachsen war. 1921 begann man deshalb mit dem Bau eines zweiten Kraftwerkes, „Fortuna II“, es ging 1923 ans Netz.

Billige Rohbraunkohle und die hiesige Energieerzeugung sorgten für die Ansiedlung verschiedener Industriezweige im Bergheimer Raum. (z.B. Martinswerk, Glashütte Ichendorf, Elektrometallurgisches Werk Lurgie-Thermie in Ichendorf u.a.)

Die allgemeine gute wirtschaftliche Entwicklung nach 1935, gab auch dem Braunkohlenbergbau weiteren Aufschwung. Durch Modernisierung der Anlagen, wie der Übergang beim Kohlentransport zu Großraum-Förderwagen anstelle der Kettenbahnen, erhöhten sich die Förderzahlen der Gruben bedeutend. Eine wesentliche Erhöhung der einzelnen Werksbelegschaften erfolgte aber nicht.

Die Gruben fraßen sich nach 1935 noch schneller in die Waldgebiet hinein. Grube Fortuna baute in der hauptsächlich an ihrem Südostrande ab. Die Beisselsgrube erreichte 1938 die Köln-Aachener Landstraße. Die beiden Gruben wurden dann 1947 vereinigt. Allein in den Jahren von 1938 bis 1947 fielen hier weit über 100 Hektar Wald der Braunkohle zum Opfer.

Im Jahre 1941 wurde zwischen Niederaußem und Auenheim die Brikettfabrik „Fortuna-Nord“ in Betrieb genommen.

Seit 1935 führte die RAG im Raume zwischen Niederaußem - Wiedenfeld - Garsdorf mehr als 1000 Such-Bohrungen auf Braunkohle durch. Das zwischen Fortuna und Oberaußem abgesunkene Flöz hob sich bis Niederaußem wieder so weit an, daß ein Tagebau lohnend wurde. Die überlagernden Abraummengen waren dort allerdings erheblich mächtiger als bei der alten Grube Fortuna. Sie bestanden aus reinem Löß, im Gegensatz zum sandigen Abraum der Fortunagrube. Aufgrund des Umfanges und der Mächtigkeit des gefundenen Flözes, sowie der Fortschritt im Bereich der Tagebautechnik, war es wirtschaftlich geworden in diesem Bereich, 1955 den ersten Tieftagebau der Welt, den Tagebau „Fortuna-Garsdorf“, aufzuschließen.

Anfang der 60ger Jahre wurde vom RWE zwischen Niederaußem und Auenheim als Ersatz für die Kraftwerke Fortuna, ein neues Großkraftwerk gebaut. 1963 erfolgte die Inbetriebnahme des Kraftwerkes „Niederaußem“ mit 2 x 150 MW-Blöcken, das dann kontinuierlich ausgebaut wurde.

Innerhalb dieses Werkes ging 2001 der weltweit 1. BoA-Kraftwerksblock in Betrieb

(BoA = Braunkohlenkraftwerk mit optimierter Anlagentechnik).

Neun Jahre vor der Auskohlung von Fortuna-Garsdorf erfolgte ab 1984 der Betrieb des Tagebaus Bergheim. Diesem Grubenbetrieb vielen u.a. das Kloster Bethlehem, der Ort Fortuna und die Kraftwerke Fortuna zum Opfer. Der Tagebau wird nach der Auskohlung derzeit verfüllt und rekultiviert.

Kaum 160 Jahre sind vom Beginn des planmäßigen Braunkohlenabbaues bis heute vergangen, in denen die Braunkohlenindustrie und damit eng verknüpft auch unsere Heimat, eine beispielhafte Entwicklung genommen haben.