Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialismus im Januar 1933, wurden durch „Verordnung des preußischen Staatsministeriums vom 4.2.1933, die Gemeindevertretungen der Stadt- und Landgemeinden und die Amtsvertretungen in der Rheinprovinz aufgelöst. Das galt auch für Oberaußem. Am 12.3. 1933 erfolgte die Neuwahl der Gemeindevertretung. Der Nationalsozialist Karl Hensen wurde am 25.4.1933 neuer Gemeindevorsteher, ab April 1935 Bürgermeister. Ab dieser Zeit galten neue Regeln, die mit Demokratie nicht mehr viel zu tun hatten. Mehrere gewählte Gemeindevertreter wurden nicht mehr zu den Gemeinderatssitzungen zugelassen. Im November 1933 wurde dann ein neuer Gemeinderat berufen. Im Januar 1934 wurde entsprechend einer Entschließung des Gemeindevorstehers Hensen, die Zahl der Gemeinderäte auf nur noch 5 festgelegt. Es waren ausschließlich NSDAP-Genossen von Karl Hensen. Damit war jegliche Demokratie in Oberaußem abgeschafft. Eines der ersten größeren Projekte der neuen Machthaber war 1935 der Beschluß zum eines Hitler-Jugend-Heimes. Die veranschlagten Projektkosten betrugen 50.000,- Reichsmark. Die Frage eines Mitgliedes des beschließenden Ausschusses nach dem Zweck des Jugendheimes, wurde wie folgt beantwortet: „Die Errichtung eines Hitler-Jugend-Heimes entspricht einer selbstverständlichen Forderung der Zeit als Ausfluss der nationalsozialistischen Idee“. Das Oberaußemer HJ-Heim wurde 1936, von der Gemeinde, an der Büsdorfer Straße errichtet. Der Bau war auch als eine Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gedacht. Das Baugrundstück hatte die Gemeinde bereits vor 1935 aus dem Besitz derer von Bodelschwingh – Knyphausen, die in unserem Ort größere Ländereien aus dem Nachlass des einstigen, niedergebrannten Katzenhofes besaßen, erworben.
Nach der Fertigstellung diente das Jugendheim überwiegend den Organisationen und Gruppierungen der örtlichen NS-Partei. Die gewaltige steinerne Zugangstreppe und der Vorplatz dienten der Partei häufig zu öffentlicher zur Schau Stellung ihrer Größe und ihrer Aktivitäten sowie zu Propagandaveranstaltungen. So hatte man im August 1940 die beiden ersten Oberaußemer Zivilopfer des II. WK., auf Veranlassung der Nazi-Partei, auf der großen Freitreppe des Jugendheimes, zwecks Abhaltung einer Trauerfeier, öffentlich aufgebart. Die beiden Frauen Katharina Friedt geb. Hoppen, *1882 in Rheidt, Ehefrau von Johann Friedt und Barbara Friedt geb. Aussem, *16.11.1905 in Ichendorf, Ehefrau von Andreas Friedt (Duve Andres), waren am 02.08.1940 als die ersten Zivilpersonen in unserem Ort, durch einen alliierten Bombenabwurf in der Fortunastraße ums Leben gekommen. Neben den zwei Todesopfern gab es große Schäden an einigen Häusern dieser Straße. Der 1. Luftangriff auf unseren Ort, mit den beiden Toten, der wohl eher als zufällig betrachtet werden kann, wurde von den hiesigen Nationalsozialisten zu diesem Zeitpunkt noch propagandistisch ausgeschlachtet. Es gab eine Großveranstaltung mit einer öffentlichen Aufbahrung der beiden Särge auf der Treppe des Oberaußemer Jugendheimes. Beigesetzt wurden die Opfer dann nach einem pompösen Trauerzug in einem Ehrengrab auf dem alten Oberaußemer Friedhof. Das Grab besteht noch heute, es befindet sich recht neben der Priestergruft in unmittelbarer Nähe des alten Hauptkreuzes. Die späteren Zivilopfer unseres Ortes erhielten kein Ehrengrab. Es gab auch keine pompösen Totenfeiern mehr. Sie wurden rasch, ohne großes Aufsehen auf unserem Friedhof beerdigt.
Zum Jugendheim gehörte eine Wohnung für einen Hausmeister.
Der Oberaußemer Peter Wintz („Schusters Pitter“) fand Ende 1936 einen Arbeitsplatz als Postzusteller bei der Stadt Bergheim. Neben der Anstellung als städtischer Bote, bekleidete er den Posten des Hausmeisters im Oberaußemer Jugendheim in der Büsdorfer Straße, wo er mit seiner Familie dann auch bis zum Ende des Krieges wohnte.
So manch einem weniger betuchten Oberaußemer, hatte Peter Wintz in dieser Zeit die Benutzung, der im Jugendheim schon damals vorhandenen Sanitäreinrichtungen (Bad mit Duschen) ermöglicht. Dies Entgegenkommen haben heute noch lebende Oberaußemer Bürger, die Nutznießer seiner sozialen Einstellung waren, nicht vergessen und danken es ihm noch bei seinen Kindern.
Nach dem Krieg diente das gemeindeeigene Haus dann lange mehreren Familien zu Wohnzwecken. In den 1960ger Jahren hatte die erfolgreiche Jugendrotkreuzgruppe unter der Leitung von Willi Weiss im Jugendheim ihr Stammquartier. 1961 fand die Proklamation des Oberaußemer Dreigestirns, "Prinz Heinrich Conrads, Bauer Christian Schuh und Jungfrau Martin Schmitz auf der Treppe des Jugendheimes statt. Auch Kochkurse wurden im Jugendheim unter der Leitung von Frau Büttgen durchgeführt.
Inzwischen wird das Jugendheim von vielen Gruppen und Vereinen unseres Ortes als Vereinshaus und Treffpunkt genutzt. Der Oberaußemer Ortsbürgermeister hat heute sein Bürgerbüro im Jugendheim. Des Weiteren wird das Haus auch stets als Wahllokal genutzt.
Das Gebäude wurde seit seiner Fertigstellung bereits mehrfach saniert und befindet sich in einem guten Zustand.
Quellen:
- Chronik "100 Jahre St. Vinzentius, Christian Kämmerling
- Stadtarchiv Bergheim
- Fotos privat, U. Reimann
- Text, Layout U. Reimann