Schuhmacherbetriebe in der Gemeinde Oberaußem
Ausarbeitung von Ulrich Reimann 2020
„Früher haben die Menschen ihre Schuhe fast ein Leben lang getragen. Sie wurden als geschätztes und teures Eigentum betrachtet. Oft wurden Schuhe dem Schuster gebracht, in der Hoffnung, dass sie Ihren alten Glanz wieder herstellen könnten.
Heutzutage, obwohl traditionelle Schuster noch existieren, sind sie sehr selten geworden. Wie viele andere Handwerker schließen auch die Schuster ihre Türen. Schuhe sind seit vielen Jahren Teil einer Massenproduktion und sind bei geringen Kosten leicht austauschbar.
Nichtsdestotrotz wecken der Geruch von echtem Leder und die handwerkliche Qualität noch in vielen von uns Erinnerungen und führen uns zurück in eine andere Zeit. Eine Zeit, in der die Liebe zum Detail, Einzigartigkeit und Qualität groß geschrieben wurden. Aber leider sieht es so aus, als ob der Beruf „Schuster“ bald ausgestorben sein könnte.“
(Textauszug: MyHeritage Blog, Karen)
Bis etwa 2012 hatte das Schuhmacherhandwerk auch in Oberaußem eine große Tradition. Über Jahrhunderte hinweg, waren hier ständig mehrere Schuhmacher und Schuster ansässig und auch selbständig tätig gewesen.
Bei der Sichtung alter Dokumente und Aufzeichnungen zu Oberaußem, stößt man vielfach auf Personen, die diesen ehrbaren Handwerksberuf hier ausgeübt haben.
Ein erster, noch vorhandener Hinweis auf einen Schuhmacher in Oberaußem, bietet ein Königsschild an der Königskette der St.-Vinzentius-Schützen-Bruderschaft.
Der Historiker Dr. Heinz Braschoß schreibt dazu in seiner Ausarbeitung über die Geschichte der St. Vinzentius Schützenbruderschaft Oberaußem anlässlich des 450-jährigen Bestehens im Jahre 2000:
„Kostbar ist das Königsschild von 1721. Es zeigt auf der Vorderseite einen Heiligen mit dem Modell einer Kirche. Es ist der heilige Kaiser Heinrich. Auf der Rückseite ist der Name des Schützenkönigs vermerkt: "Henricus (Heinrich) Schuhmacher, Junger Gesell (Junggeselle) von Oberaussem Vincentius Bruderschaft Anno (im Jahre) 1721. Der Schuh, der dort abgebildet ist, mag sich auf den Namen des Königs beziehen, vielleicht war er auch Schuhmacher.“
Eine Übersicht zur Berufsstruktur der Dörfer und Wohnplätze in der Kommune Bergheim aus dem Jahr 1799 zeigt, zu dieser Zeit lebten in der Pfarre Oberaußem 347 Seelen, in ca. 90 Häusern und ca. 5 – 7 größeren, bäuerlichen Hofanlagen.
An Berufen der Einwohner werden aufgelistet:
44 Tagelöhner, 28 Ackerer, 2 Schmiede/Hufschmiede, 1 Förster, 4 Schuster / Schumacher, 1 Kaufmann/Händler, 4 Leinweber, 5 Landwirtschaftspächter, 3 Lumpensammler, 1 Zimmermann, 2 Schneider, 1 Tischler/Schreiner, 1 Böttcher/Fassmacher, 1 Waagemeister, 1 Pfarrer, 1 Haushaltsvorstand und zwar Georg Langen ist blind und übt keinen Beruf aus.
Hinter Quadrath (5), hatte Oberaußem (4), die größte Anzahl derer aufzuweisen, die selbständig das Schuhmacherhandwerk ausübten.
In der Gesamtkommune Bergheim waren es 1799, bei einer Einwohnerzahl von 5354 Einwohnern, insgesamt 27 Schuhmacher und Schuster.
Das große Adressbuch der Rheinprovinz vom Februar 1901, zeigt für den Ort Oberaußem, bei insgesamt bereits 985 Ortseinwohnern, sogar 5 Personen an, die hier das Handwerk selbständig ausübten. Dies waren:
Wilhelm Conrads, Abtsend heute Fortunastraße
Wilhelm Cremer, am Euelsend, heute Niederaußemerstraße
Peter Josef Friedt, Abtsend heute Fortunastraße
Wilhelm Friedt, Abtsend heute Fortunastraße
Johann Wintz, Kirchstraße heute Vinzentiusstraße
Hinzu kam wenig später noch der Schuster Franz Esser, der „An der Bahn“ wohnte und neben der Schusterei noch weißen Streusand zur Hauspflege verkaufte.
Laut Informationen von Zeitzeuge Martin Schneider, wurden vor 1914 in vielen Häusern die vorhandenen Holzfußböden nicht mit Farbe gestrichen. Diese blieben in Natur und nach dem Putzen wurden sie mit weißem Sand bestreut.
Die 2 letzten Sandlieferanten in Oberaußem waren Andreas Friedt aus der Fortunastraße und sein Nachfolger, der Schuster Franz Esser.
Ein kleiner Eimer Sand kostete damals 5 Pfennige, genau so viel wie 1 Schnaps.
In den Jahren bis etwa 2012 gab es natürlich noch weitere kleine Schustereibetriebe in der Gemeinde Oberaußem - Fortuna wie zum Beispiel:
Der wohl heute noch bekannteste Oberaußemer Schumacherbetrieb war wohl, der traditionelle Familienbetrieb Cremer, am damaligen Euelsend – Niederaußemerstraße.
Da es hierzu noch reichhaltige Informationen von Zeitzeugen, Fotos und Dokumente gibt, soll nachfolgend, beispielhaft für alle übrigen einstige Oberaußemer Betriebe, die Schuhmacherei Cremer etwas umfangreicher beleuchtet werden.
Details durch Klick auf folgenden Titel
Schuhmacherfamilienbetrieb Cremer - Niederaußemerstraße
Heute, im Jahre 2020, gibt es in Oberaußem eigentlich keinen selbständigen Schuster und Schuhmacher mehr, der das alte Handwerk ausübt.
Aber der Oberaußemer Orthopädie-Schuhmachermeister Jakob Haas, ein Sohn des einstigen Schuhmachermeisters Josef Haas, und sein Sohn Orthopädie-Schuhmachermeister Jochen Haas setzen die Familientradition im Schuhmacherhandwerk noch insoweit fort, indem ihre Mitarbeiter auf Wunsch von Kunden ihres großen Geschäftes für Orthopädisches Schuhwerk und Zubehör in Oberaußem, Sonderschuhe anfertigen. Dazu können in der im Geschäft eingegliederten Werkstatt, auch Schuhe instand gesetzt werden.
Wohl zum Leidwesen der Schuhmacherzunft, gelten Schuhe heute für viele Menschen nur noch als Gebrauchsgüter, die man möglichst billig erwerben möchte und auch kann, und bei denen es sich nicht lohnt sie reparieren zu lassen. Nach meistens nur geringer Benutzungsdauer werden sie einfach in den Müll geworfen und entsorgt.
Quellen:
Übersicht zur Berufsstruktur der Dörfer und Wohnplätze in der Kommune Bergheim aus dem Jahr 1799
Das große Adressbuch der Rheinprovinz vom Februar 1901
Textauszug: MyHeritage Blog, Karen
Kirchenbücher kath. Pfarrei St.-Vinzentius-Oberaußem
Dr. Heinz Braschoß, Ausarbeitung über die Geschichte der St. Vinzentius Schützenbruderschaft Oberaußem
Dokumente aus der Familie Cremer, Oberaußem
Dorf-Chronik von Martin Schneider
Privatfotos: Wilhelm und Christian Cremer, Ulrich Reimann, Oberaußemer Bürger
Webseite:haas-orthopaedie.de/ Text und Fotos
Recherchen,Text, Layout: Ulrich Reimann, 2020
Was willst du werden, um 1880