Der einstige Schumacherbetrieb Cremer in Oberaußem
Ausarbeitung von Ulrich Reimann 2020
Einer der heute noch bekannten, einstigen Oberaußemer Schumacherbetriebe, war der traditionelle Familienbetrieb Cremer am damaligen Euelsend, heute Niederaußemerstraße.
Gegründet wurde die Schuhmacherei Cremer 1890 von Wilhelm Cremer, einem Sohn des aus Niederaußem kommenden Ackerers Christian Cremer (* 12.03.1835 Niederaußem, + 18?? Oberaußem).
Dessen Eltern waren die Eheleute Peter Cremer (* 1794 Niederaußem, + 18?? Niederaußem) und Anna Sofia Tambour (* 1796 Niederaußem, + 26.02.1853 Niederaußem), die am 13.10.1821 in der Pfarrkirche zu Niederaußem geheiratet hatten.
Peter Cremer und Anna Sofia Tambour waren u.a. auch die Stammeltern von Adelheid Jordans, die zusammen mit ihrem Ehemann Cornelius Schmitz, in Oberaußem lebte. Noch heute ist das Ehepaar Schmitz als die ehemaligen „Kaufleute Schmitz“ im Ort bekannt.
Die beiden sind u.a. auch Stammeltern von Ulrich Reimann, dem Verfasser dieser Ausarbeitung.
Christian Cremer hatte am 06.03.1859 in der kleinen, alten Oberaußemer Pfarrkirche auf dem Tonnenberg, Elisabeth Esser (* 15.09.1831 Oberaußem, + 15.09.1878 Oberaußem), eine Tochter der Eheleute Sebastian Esser und Gertrud Moll, geheiratet.
Insgesamt bekam das Ehepaar Cremer - Esser 7 Kinder:
Peter Cremer (* 13.04.1859 Oberaußem, + )
Apollonia Cremer (* 15.10.1859 Oberaußem, + 05.04.1920 Oberaußem)
Wilhelm Cremer (* 13.06.1863 Oberaußem, + 1944 Oberaußem), der Firmengründer
Heinrich Cremer (* 18.04.1865 Oberaußem, + )
Maria Anna Cremer (* 11.11.1867 Oberaußem, + 02.12.1867 Oberaußem)
Gerhard Cremer (* 12.01.1869 Oberaußem, + )
Jakob Cremer (* 13.05.1872 Oberaußem, + )
Im Juni 1883 wurde dem Sohn Wilhelm Cremer, durch die Königliche Ober-Ersatz-Commission im Bezirk der 30. Infanterie-Brigade, per Ausmusterungs-Schein, aufgrund des § 36 der Ersatz-Ordnung, eine andauernde Untauglichkeit zum Dienst im Heer und in der Marine bestätigt.
Anfang der 1890ger Jahre heiratete Wilhelm Cremer in 1. Ehe Sofia Klosterhalfen.
Man kann davon ausgehen, daß Wilhelm Cremer im Jahr 1890 den Schuhmacherbetrieb in dem kleinen Haus Nr. 119 am damaligen Euelsend, heute Niederaußemerstraße, ins Leben gerufen hat.
Das Ehepaar Cremer – Klosterhalfen hatte insgesamt drei Kinder:
Christian Cremer (* 09.08.1892 Oberaußem, + 27.10.1961 Oberaußem)
Wilhelm Cremer jun. (* 24.02.1897 Oberaußem, + 14.08.1973 Oberaußem)
Gertrud Cremer (* 03.03.1900 Oberaußem, + 19.06.1918 Stommeln)
Da Sofia Cremer geb. Klosterhalfen bereits im Jahr 1905 verstarb, heiratete Wilhelm Cremer danach in 2. Ehe die aus Borr, heute ein Stadtteil von Erftstadt, stammende Katharina Empt (* 16.01.1867 Borr, + nach 1935 Oberaußem).
Beide Söhne erlernten bei ihrem Vater das Schuhmacherhandwerk.
Sohn Christian Cremer hatte am 27.11.1920 in Rommerskirchen die aus Köln stammende Gertrud Schmitz geheiratet. Das Ehepaar errichtete in Oberaußem in der Büsdorferstraße ein Wohnhaus mit einer Schuhmacherwerkstatt, wo er sich als selbständiger Schumacher eine eigene Existenz einrichtete. Die beiden hatten einen Sohn. Wilhelm Cremer (* 1921 Oberaußem, + im II. W.K. in Russland vermisst).
Christian Cremer war schwerhörig. Seine Schwerhörigkeit hatte ihn davor bewahrt, als Soldat in den Krieg ziehen zu müssen.
Bis kurz vor seinem Tod 1961, hat er in seiner kleinen Werkstatt, selbständig das Schuhmacherhandwerk ausgeübt.
Das Anwesen wurde nach dem Tod von Christian Cremer und seiner Frau Gertrud von den Erben verkauft. Das Wohnhaus wurde vom neuen Besitzer umgebaut und modernisiert. Die einstige kleine Werkstatt wurde zur Garage umgebaut. Das Anwesen dient heute ausschließlich zu Wohnzwecken.
Sohn Wilhelm Cremer jun. blieb dagegen im Hause seines Vaters. Über Jahre hinweg, arbeitete er zusammen mit dem Vater, in dem kleinem Betrieb in der Niederaußemerstraße. Anfang der 1930ger Jahre übernahm er den Schuhmacherbetrieb von seinem Vater Wilhelm sen., der aber weiter, bis kurz vor seinem Tode im Jahr 1944, in der Werkstatt mitgearbeitet hat.
Die Fotografiererei, hatte sich im Laufe der Jahre für Wilhelm Cremer wohl zu einem gewinnbringendem Nebenerwerbszweig entwickelt. Da es in Oberaußem damals keinen gewerbsmäßigen Fotografen gab, ließen sich viele Oberaußemer von Wilhelm Cremer fotografieren. Er hatte noch eine Kamera benutzt, die mit Glasplatten als Negativbildträger arbeitete.
Es ist überliefert, daß er sehr belesen war und sich für alles mögliche interessierte. In der kleinen Werkstatt hatten er und sein Vater oft Besuch von Freunden, mit denen man die Neuigkeiten aus dem Ort und der großen Politik austauschte und so manches mal grenzwertig diskutiert hat, vor allem wenn es Leute waren, die mit der Nazi-Partei sympathisierten oder sogar Amtsträger und Parteimitglied waren.
Alle Mitglieder der Familie Cremer waren sehr gläubige Katholiken. Eigentlich war ihnen alles, was mit dem NS-Regime zusammenhing ein Gräuel. Aber mit Kornelius Schmitz, dem Ehemann, der in direkter Linie mit ihnen verwandten Adelheid geb. Jordans, bestand eine innige Freundschaft. Dieser war wie sie streng gläubiger Katholik, obwohl er Mitglied der NSDAP war und von 1933-1945 den Posten des Oberaußemer Schiedsmannes inne hatte.
Laut Zeitzeuge Christian Cremer, der bereits als kleiner Junge, oft in der heimischen Werkstatt, den Gesprächen zwischen seinem Großvater, Vater und Onkel Kornelius interessiert zugehört hatte, gab es zwar oft große Meinungsunterschiede, vor allem wenn es um den Nationalsozialismus ging, aber niemals ernsthaften Streit zwischen den dreien.
Wie sein Vater, fotografierte auch Christian Cremer gerne. Etliche seiner unzähligen Fotos sind erhalten. Über den Tode des Vaters hinaus, bewahrte er dessen Nachlass, hunderte Negativ-Glasplatten mit Aufnahmen von alten Oberaußemern, sorgfältig in Kartons verpackt, auf dem Dachboden des neuen Wohngebäudes. Es war immer sein Wunsch gewesen, in seinem Ruhestand noch einmal Fotos von den alten Negativ-Glasplatten abzuziehen. Bedauerlicher Weise blieb ihm die Umsetzung dieses Wunsches versagt.
Im Oberaußemer Gesellschaftsleben, war Christian Cremer fast Zeit seines Lebens bei der St.-Vinzentius-Schützen-Bruderschaft stark engagiert gewesen.
Leider viel zu früh, verstarb Christian Cremer, nach kurzer schwerer Krankheit, mit 77 Jahren, etwas vereinsamt, am 1. April 2012. Er blieb unverheiratet.
Da es keine Nachkommen von ihm gibt, wurde sein gesamter Besitz verkauft. Nach dem Verkauf des Anwesens Cremer, fand man bei der Räumung des Hauses, die tollen fotografischen Zeitzeugnisse seines Vaters. Leider wurde ein großer Teil dieser Schätze der Oberaußemer Historie einfach entsorgt. Sie sind damit wohl auch für immer verloren gegangen.
Per Zufall entdeckte der aus Fortuna stammende Peter Dörr, einige persönliche Dinge aus dem Nachlass von Christian Cremer bei einer Internetauktion. Er hat nicht lange überlegt und die Sachen käuflich erworben um sie als wichtige Zeitzeugnisse der Oberaußemer Geschichte für spätere Generationen zu erhalten.
Quellen:
Kirchenbücher kath. Pfarrei St.-Vinzentius-Oberaußem
Dokumente aus der Familie Cremer, Oberaußem
Dorf-Chronik von Martin Schneider
Privatfotos: Wilhelm und Christian Cremer, Ulrich Reimann, Oberaußemer Bürger
Recherchen,Text, Layout: Ulrich Reimann, 2020