Die jüdische Familie Brünell aus Oberaußem und ihre Nachkommen!
Ausarbeitung von Gerd Friedt, Textergänzungen und Seitenlayout U. Reimann
Für den kleinen Ort Oberaußem ist mit dem Namen Brünell schlechthin der Begriff des Juden in Oberaußem verbunden. Seit 1821 gab es hier eine kleine jüdische Ansiedlung, die durch Samuel Falk aus Bergheim und seine Gattin Gella Kaufmann aus Linnich begründet wurde. 15 Jahre später ließ sich Michael/Andreas Brünell aus Bliesheim mit seiner Gattin Adelheid Katz aus Frimmersdorf ebenfalls hier nieder. Andreas war ein kleiner Händler und bekleidete nebenbei die Funktion des stellvertretenden Vorbeters der Judengemeinde in Bergheim. Die Familie kam via Bliesheim und Liblar nach Oberaußem und ist mit den rheinischen Juden auf vielfältige Weise verwandt und verschwägert. Mit den Nachbargemeinden war sie durch Heirat mit der Familie Gottschalk in Glesch und der Familie Simons in Ichendorf eng verbunden. Auch stammt der ehemalige schon verstorbene israelische Staatskontrolleur, Dr. Nebenzahl, mütterlicherseits aus dieser Familie. Der Name Brünell erfreut sich heute noch in den jüdisch - deutschen Kreisen in New York großer Wertschätzung. Die direkten Nachkommen der Oberaußemer Brünells leben heute in und um Tel Aviv in Israel. Nach der sogenannten Reichs-Kristallnacht in Oberaußem, bei der nach Aussagen von Emma Simons geb. Brünell, geringe Schäden von zwei auswärtigen SA- Leuten angerichtet wurden, ging die Familie nach Köln zu ihren Verwandten. Von dort wurden sie in die Lager im Ostens deportiert und umgebracht.
Die frühe Familie des Michael/Andreas Brünell wohnte in Oberaußem, in einem Anwesen, Haus Nr. 15, in der heutigen Büsdorferstraße, die früher Schlangengasse genannt wurde.
Der Sohn Abraham Brünell wohnte dann an der Kirchstrasse, dort wo heute das Kriegerdenkmal steht, im Haus Nr. 20. Hier befanden sich bis nach dem Krieg ein paar kleine Häuser. Hier hat auch die in Oberaußem als "Jüdde Kalin" bekannte Händlerin gewohnt.
Die Tochter Emma Brünell hatte den aus Ichendorf stammenden Händler und Kraftfahrer Max Simons geheiratet. Die Familie Simons wohnte seit 1912/13 in dem noch heute bestehenden Anwesen Am Berg Nr. 1.
Zwischen diesem Haus und der bewachsenen Böschung führte ein Weg zum Eingang eines größeren Luftschutzbunkers des II. Weltkrieges, der teilweise unter dem Friedhof verlief.
Max Simons war u. a. Mitglied der Schützengilde Oberaußem. Er ritt bei den Umzügen der Schützenfeste auf einem Pferd der Gilde voran. Es gab 3 Kinder. Rosa Simons, Ella Simons und Joseph Simons. Josef Simons spielte erfolgreich in Oberaußem Fußball. Er war wohl ein ausgezeichneter Torwart und im Verein sehr beliebt.
Die Familie hatte ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis mit den Familien der Bergstraße. So hütete Emma Simons manchmal die Kinder der nebenan wohnenden Familie Haas, die beiden heute noch lebenden Josef (Schuster Haas) und Jacob Haas, wenn deren Eltern auf dem Feld arbeiten mussten oder anderweitig beschäftigt waren.
Die Ehe Simons - Brünell wurde um 1930 geschieden. Max Simons, lebte danach in Quadrath Ichendorf. 1933 heiratete er eine Rosa (Reisel) Streysel oder Steger, hier sind die Angaben widersprüchlich, die aus Polen kam. Sie hatten die Kinder Philipp, Samuel und Gerhon. Die ganze Familie Brünell aus Oberaussem und Simons aus Ichendorf wurde in den Todeslagern im Osten umgebracht.
Nach dem Krieg kam es zu einem Prozess zwischen denn Überlebenden der Familie Brünell und der Kirchengemeinde Oberaußem, dessen Verlauf nur dem Sinn gemäß hier wiedergegeben werden kann. Die Kirchengemeinde Oberaußem hatte anscheinend der Ella Simons genannt Brünell, jährlich Geld für den Einkauf von Waren geliehen, damit diese ihre Hausiererware im Kölner Großhandel z. B. bei der Fa. Brüggelmann, einkaufen konnte. Ella hatte dann jährlich am Ende des Jahres über Debit und Zinsen mit dem Pfarrer abgerechnet, wie dies schon ihre Tante Karoline („Jüdde Kalien“) gehandhabt hatte. Die zog mit einer Art Kinderwagen über die Dörfer bis nach Pulheim und verkaufte dabei ihre Textilien. Karoline Brünell wie auch ihre Erbin, Emma Simons Brünell, waren nicht ganz arm und konnten sich zur Verwunderung ihres Neffen Alfred aus Köln, beim Kaufhaus Heinen in Oberaußem guten Kaffee kaufen.
-Jüdde Kalien starb 1929 in Oberaußem. Sie wurde unter großer Anteilnahme der Oberaußemer Bevölkerung (es war wohl halb Oberaußem bei der Beerdigung) auf dem Judenfriedhof in Bergheim beerdigt.-
Durch die politischen Bedingungen und Repressalien in der NS–Zeit, konnte Ella Simons 1938 ihren jährlichen, finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Kirchengemeinde nicht nachkommen. Sie wurde den Zeitumständen entsprechend deportiert und umgebracht. Danach hatte anscheinend die Kirchengemeinde Anspruch auf das Haus 20, nebst Grundstück in der Kirchstraße erhoben. In der besagten Gerichtsverhandlung ist es zu tumultartigen Szenen gekommen.
Ernst Brünell, inzwischen in Israel gestorben, erzählte Gerd Friedt vor langen Jahren, mit großer Erregung und Betroffenheit diese Geschichte.
Hier bestünde von Seiten der Kirchengemeinde Oberaußem ein moralischer Aufklärungsbedarf. Die rechtliche Seite der Angelegenheit wurde natürlich damals geklärt.
Die 1. Generation Brünell in Oberaußem
Andreas Brünell Kleinhändler * 1810 Bliesheim +1864 Oberaußem S.v. Mendel Seligmann und Gudula Samson
Hausbesitzer in Bliesheim | oo 1836 in Paffendorf | Adelheid Katz/Edel Abraham * 1807 Frimmersdorf + nach 1876 Oberaußem
T.v. Abraham Heumann/Jean Katz und Gudula Schönneberg aus Frimmersdorf |
Kinder von Andreas Brünell und Adelheid Katz
Emanuel Brünell * 1836 Oberaußem + 1917 Bedburg (G) | oo | Carola Gottschalk * 1837 Glesch + 1913 Bedburg |
Karoline Brünell
Hausiererin in Textilien im Umland von Oberaußem
* 1842 Oberaußem + 1929 Oberaußem | unverheiratet | Erbin war Ella Simons ein angenommenes Kind * 1889 Fliesteden + ermordet 1941 Lodz |
Abraham Brünell Kleinhändler * 1844 Oberaußem + 1896 Oberaußem (G) | oo vor 1874 | Rosalie Haas * 1847 + 1910 an einem Hundebiss Grab in Bergheim Eltern bis dato unbekannt. |
Seligmann Brünell * 1848 Oberaußem + 1920 Oberaußem | unverheiratet | als Erben fungieren seine Geschwister |
Kinder von Abraham Brünell und Rosalie Haas
Emma Brünell * 1880 Oberaußem
1941 von Köln nach Riga deportiert
1945 umgebracht | oo | Max Simons aus Quadrath
Ehe 1932 geschieden
* 1887 Ichendorf + ermordet in Riga, Holocaust |
Julie Brünell * 1877 Oberaußem + ermordet 1942 Minsk | Oo, Ehepaar lebte in Köln keine Kinder | Leo Wolff Malermeister
* 1879 + ermordet Holocaust |
Hermann Brünell
Viehhandel / Schlachter
* 1875 Oberaußem + ermordet in Theresienstadt | oo 1900 Wahn
Ehepaar lebte in Zündorf / Porz / Köln | Eva Tobias * 1873 Zündorf + ermordet in Lodz |
Albert/Andreas Brünell
Kaufmann
* 1874 Oberaußem + 1922 Köln | oo 1904 in Gladbach
Ehepaar lebte in Köln | Alwine Herz * 1875 M. Gladbach
via Westerboork / NL
+ermordet 1943 |
Albert Simons/Brünell
Viehhändler in Frechen
1937 von Frechen n. Pirna
S.v. Peter Hensen *1902 Oberaußem
deportiert nach Lodz + ermordet Holocaust |
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Albert Brünell * 1901 Porz + ermordet Lodz | oo 1935 in Niedermendig | Melanie Mayer |
Alfred Brünell * 1906 Köln Kalk + nach 1996 in Amsterdam | oo
keine Kinder | Hedwig Kiesewetter * 1907 Köln Sülz + um 1995 Amsterdam |
Joseph Simons * 1913 Oberaußem
lebte in Frechen u. Köln
deportiert Minsk
+ ermordet in Treblinka | oo
Sohn Gerson Simons * 1940 Köln deportiert mit den Eltern | Silvia Klara Samuel * 1910 Frechen + deportiert Minsk verschollen |
Klara Brünell * 1903 Zündorf
deportiert 1942 Lodz +ermordet Holocaust |
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Edith Brünell * 1907 Köln Kalk + ermordet Holocaust |
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Moritz Brünell * 1905 Zündorf
1941 nach Riga deportiert
Moritz stirbt 1980 in Burgbrohl | oo 1940
oo 1948 2. Ehe | Irma Berger * Niederzissen + erm. Stutthof Holocaust |
Ernst Brünell * 1910 Köln + um 1983 | oo | Reta Brünell geb. Katz * ca. 1915 Berlin + ca. 1995 Israel
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Rosalie Simons * 1915 Oberaußem
1941 von Köln nach Riga deportiert + ermordet in Treblinka |
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Kinder von Ernst und Reta Brünell
Mirjam Brünell, Verwitwete Glaser
* 1941 Tel Aviv, lebt 2005 in Tel Aviv, 7 Enkelkinder
Ilana Brünell,
* 1943 Tel Aviv, lebt 2005 Tel Aviv
Somit hat die Familie Brünell aus Oberaußem, trotz des Holocaust, Bestand bis zum heutigen Tag.
Abraham Brünell und Rosalie geb. Haas ruhen auf dem jüdischen Friedhof in Bergheim
Die Inschriften auf ihren noch vorhandenen Grabsteinen lauten wie folgt:
Abraham Brünell,* 1845, + 1896 Oberaußem
Abraham bar Ascher / Abraham Sohn des Herr Ascher
Hier ruht in Gott / unser geliebter Gatte Herr / Abraham Brünell / geb. 1. Oktober 1845 / gest. 21. April 1896 / Friede seiner Asche
Rosalie Brünell, * 1847, + 1910 Oberaußem
Davidstern / Hier ruht / unsere innigstgeliebte / herzensgute Mutter / Rosalie Brünell / Zirlah bat Chaim Zirlah Tochter des Chaim / geb. Haas / geb. am 10. April 1847 / gest. am 9. Januar 1910 / Ruhe sanft