Als die Amerikaner kamen
Vor 50 Jahren, Oberaußemer Augenzeugen berichten
Augenzeugenbericht von Frau Gertrud Paus
Wir führen unsere Reihe fort mit einem Augenzeugenbericht von Frau Gertrud Paus
"Es ist Februar 1945. Die letzten deutschen Soldaten, die im Westen hart gegen den Angriff der US-Truppen gekämpft haben, kommen in unser Dorf. Sie requirieren fahrbereite Autos, auch das meines Schwiegervaters. Sie haben versucht diesen gewaltigen Ansturm aufzuhalten, aber sie werden immer mehr zurückgedrängt. In unserer Straße haben die Anwohner einen Bunker gebaut, in dem sie sich während des Krieges vor den Bombenangriffen schützen konnten. Wir hören Ende Februar die Artillerieschüsse aus dem Bethlehemer Wald. Unsere Kirche und andere Gebäude werden beschädigt. Wir alle haben Angst und verbringen viele Stunden im Bunker. Als die Schüsse näher kommen, laufe ich nochmal zu meinen Eltern, die in einer anderen Straße wohnen. Es ist eine gespenstische Stimmung draußen. Kein Mensch auf der Straße, nur die Schüsse schon sehr nah. Meine Eltern sind sehr ruhig und gefaßt. Ich laufe wieder zurück. Die meisten Anwohner unserer Straße sind im Bunker. Die Angst kriecht in uns hoch. Was mag mit uns passieren? Wir sind nur Frauen, Kinder und alte Männer. Die Berichte vom Einmarsch sowjetischer Truppen in Ostdeutschland haben wir alle gehört und befür-chten, daß auch hier so schlimme Dingen passieren könnten. - Dann kommt der Augenblick, in dem US-Soldaten mit vorgehaltenem Gewehr in unseren Bunker kommen. Es sind große farbige Soldaten, ich wage kaum zu atmen. Sie fordern die Männer auf, mitzukommen. Eine Lehrerin, Frl. Giebel, die mit uns im Bunker ist, versucht zu erfahren, was mit den Männern geschehen würde. Aber sie wird nur schroff abgewiesen. Wir sind stumm vor Angst. Nach einiger Zeit wagen wir uns wieder in unsere Wohnungen. Auf der Straße stehen große Panzerwagen, besetzt mit vorwiegend farbigen Soldaten, die immer noch die Gewehre im Anschlag haben. Was aus den Männern geworden ist, die mitgenommen wurden, wissen wir nicht. Dann am anderen Tag die Nachricht, daß die Männer alle an eine Wand gestellt wurden und mit vorgehaltenem Gewehr befragt wurden, ob sie im "Volkssturm" seien. Einige Tage sind voller Ungewißheit. Dann kommt die Nachricht, die auf Ermittlung unseres Pfarrers Oehm bekannt wurde, daß die Männer nach Belgien gebracht wurden. Ich muß aus dem Haus und mit anderen Nachbarn zusammen wohnen. Nach einigen Tagen darf ich mit unseren nächsten Nachbarn tagsüber in unserer Waschküche wohnen, die draußen auf dem Hof liegt. Am offenen Fenster zum Büro, es ist dort eine Schreibstube eingerichtet, liegen Schokolade und Apfelsinen. Aber meine noch jüngere Nachbarin und ich gehen vorbei und tun so, als sähen wir die Leckereien nicht. Unsere Angst legt sich allmählich, da wir sehen, daß die Soldaten uns gegenüber anständig sind. Nach einiger Zeit darf ich wieder ins Haus, ich bin alleine. Meine Schwiegermutter ist noch bei Bekannten im Rechtsrheinischen um einige Sachen zu retten, mein Schwiegervater in Belgien. Von meinem Mann, mit dem ich seit 7 Monaten verheiratet bin, habe ich die letzten Wochen nichts mehr gehört. Im Haus ist alles ganz geblieben, einige Sachen sind weg, aber ich finde im Küchenschrank einige gute Lebensmittel. Nur auf dem Sofa liegt eine Handgranate, von der ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Sie wird abgeholt.
Nach einigen Monaten sind wir Gott sei Dank alle wieder zusammen.
Augenzeugenbericht von Frau Elisabeth Stieber.
Wir führen unsere Reihe fort mit einem Augenzeugenbericht von Frau Elisabeth Stieber.
"Im Sommer 1944 spitzte sich die Kriegslage immer mehr zu. Tag und Nacht Fliegeralarm. Am Tag war es besonders schlimm mit den Tieffliegern, die beschossen sogar einzelne Menschen auf den Straßen oder Feldern. Ich fuhr damals mit dem Fahrrad nach Bergheim zur Arbeit und mußte oftmals absteigen und wegen des Beschusses in den Schanzgraben fliehen. Diese Gräben liefen neben den Straßen her. Die kleine Bummelbahn die derzeit nach Bergheim ging, fuhr nur noch unzuverlässig und unregelmäßig. Die Leute fühlten sich in ihren Kellern nicht mehr sicher genug. Sie beschlossen straßenweise oder gruppenweise Bunker zu bauen. Etwa 6-7 Familien bauten jeweils einen Bunker. Wir verbrachten fast jede Nacht in den Bunkern. Wir hörten jede Nacht die schweren Bomberverbände über uns, im Anflug auf westdeutsche Städte. Man muß sich die Ängste vorstellen, es hätte ja auch mal eine Bombe irrtümlich abgeworfen werden können. Es war der 3. Dezember 1944. Wir kamen aus der Kirche. Plötzlich kamen mehrere Bomber heran und warfen eine Bombe ab. Ich war gerade in der Mittelstraße am Gemeindehaus. Ich hab mich an die Wand gedrückt, denn bis dahin flogen die Steine. Die Bombe hatte das Wohnhaus der Familie Bock getroffen "An der Bahn". Getötet wurde Adam Bock. Er war im Haus geblieben, seine Frau und 2 Kinder waren im Bunker. Die Tiefflieger hatten wahrscheinlich sehr gezielt getroffen, denn im Hause nebenan befand sich eine
Funkstation der Flak (Flakabwehr). Meine Familie und ich wohnten ein paar Häuser weiter. Ausser, daß sämtliche Fensterscheiben zu Bruch gingen, war bei uns nichts kaputt. Neue Glasscheiben gab es nicht, die Fenster wurden mit Holz und Pappe vernagelt.
Im Westen war jetzt Tag und Nacht Kanonendonner zu hören. Ich habe damals jeden Morgen, ganz ganz heimlich, den englischen Sender gehört und wußte sehr gut über den Verlauf der Front Bescheid. Ich war am 25. oder 26. Februar wieder mit dem Fahrrad in Bergheim. Mein Chef schickte mich zurück und sagte, daß der Ameri-kaner schon vor Elsdorf stünde.
Als ich zu Hause ankam, hieß es die deutschen Truppen wären getürmt und hätten in der alten Brennerei Esser ein Lebensmittel-Depot hinterlassen. Mit vielen anderen Leuten bin ich dorthin. Ich weiß noch genau, daß ich etwa 10 Brote ergattert hatte und die im Bunker verteilt habe. Auf dem Weg zum Depot haben wir uns 5-6 mal hinwerfen müssen, weil wir unter Beschuß standen. In den Straßen wurden Panzersperren errichtet. Wir fühlten uns nicht mehr sicher genug und beschlossen in der Nacht mit unseren Handwagen in die Grube Fortuna zu flüchten. Wir erreichten den tief in die Grube hineingetriebenen Stollen. Hier waren wir sicher und fühlten uns irgendwie wohl. Wir haben hier, ich weiß nicht mehr genau, einige Tage und Nächte verbracht. Auf einmal hörten wir nachts Panzer. Sie rollten unaufhörlich. Wir haben unsere Wagen geladen, an jedem Wagen ein weißes Laken, sind wir
durch die Grube gezogen. Als wir an die Straße kamen, sahen wir die ersten Amis. Wir haben die Hände hochgehoben und haben geheult wie kleine Kinder. Ich kann heute nicht mehr sagen, war es Angst oder Freude. Einige Soldaten haben uns sogar geholfen, die Wagen eine kleine Anhöhe raufzuziehen. Als wir ins Dorf kamen, sah ich, daß die Kirche schwer getroffen war. In den Wohnungen war alles durcheinander. Pfarrer Oehm bat um Frauen, die helfen sollten, die Trümmer in der Kirche mit Schubkarren und Spaten zu beseitigen. Die Hilfsbereitschaft war groß. Einmal knieten im unteren Teil der Kirche einige Besatzungssoldaten und gaben uns Schokolade und andere Sachen. Einer sprach gut Deutsch. Er war Jude und war in den 30-er Jahren nach Amerika ausgewandert. Ich konnte nicht lange miträumen, da ich nach Bergheim zur AOK mußte, ebenfalls aufräumen. Das sind so einige Erinnerungen an die schlimme Zeit.
P.S. In Oberaußem sind damals etwa 15-20 deutsche Soldaten gefallen. Sie wurden damals von den Amerikanern auf den Friedhof gelegt. Pfarrer Oehm hat sie identifiziert (Wehrpaß und dergl.). Sie wurden zunächst in Oberaußem beerdigt, später aber (soviel ich micht erinnere) nach Elsdorf zum Heldenfriedhof umgebettet.
Chronik von Prälat Eligius Kastenholz:
Aus der Büsdorfer Chronik von Prälat Eligius Kastenholz:
"Im Oktober 1944 kamen Flüchtlinge aus der Umgegend von Aachen ins Dorf. Am 16. Okt. erhielten wir im Pfarrhaus eine Familie (Mann, Frau u. 3 Kinder) aus Würselen, die am 22. Nov. nach
Winterberg weiterzogen. Sie hatten ein Lastwagenauto bei sich. Andere kamen hindurch mit Pferdekarren und Wagen mit wenigen Habseligkeiten für mehrere Familien, die eine oder andere Kuh oder Schaf hinten angebunden, die Tiere oft mit blutenden Füßen, ein trauriges Bild. Die Leute kamen aus der Gegend von St. Jöris, Kinzweiler, Hattenrath. Am 22. Nov. wurde die Belegschaft sehr stark. "Wegen Fliegergefahr fanden mit So. 26. Nov. die hl. Messen morgens 1/2 7 und 1/2 8 Uhr statt." Der Landrat teilte mit: Wie in den Schulen bei Luftalarm und Vorentwarnung kein Unterricht stattfindet, so daß auch in denselben Fällen kein Religionsunterricht (Christenlehre) gehalten werden. Die örtlichen Luftschutzleiter sind angewiesen, darauf zu achten. Am Ende 1944 kam das Landratsamt nach Büsdorf u. richtete sich im Bürgermeisteramt ein. Eine Reihe von Beamten des Landratsamtes quartierte sich in Büsdorf ein. Ein Beamter nahm Wohnung im Pastorat. Im Febr. 1945 einige Tage vor dem Anmarsch der Alliierten verließen alle Beamten das Amt u. zogen auf die andere Rheinseite. Längere Zeit lebten die Bewohner in Ungewißheit, ob sie die Heimat verlassen müßten, da die Bewohner der Dörfer bis Düren zwangsweise evakuiert wurden. Glücklicherweise kam ein solcher Befehl nicht, nur einige Bewoh-ner verließen Büsdorf, um nach einigen Monaten wieder zurückzukehren. Alle übrigen blieben zu Hause.
Am Samstag, dem 3. März 1945 kamen morgens um 7 Uhr die Amerikaner. Einige Soldaten kamen in das unverschlossene Pfarrhaus u. einer in den Keller, den Finger am Drücker des Gewehres. Als er erfuhr, daß nur der Pfarrer mit seinem Haushalt aber kein Soldat im Keller sei, zog er sich sofort zurück. Jedes Haus wurde nach Soldaten durchsucht, die dann gefangengenommen wurden. Um 11 Uhr wurde ich von einem amerik. Soldaten in die Kirche geholt, wo viele Leute des Dorfes, Männer, Frauen u. Kinder versammelt waren in großer Angst. Die Männer wurden einer Leibesvisitation unterworfen, wobei Taschenuhren, Uhrketten etc. konfisziert wurden. Alle wurden von einigen Soldaten bewacht. Des Nachmittags kam der Befehl, daß die Männer während der Nacht in der Kirche bleiben, die Frauen und Kinder in die Bunker gehen sollten. Der Pfarrer konnte sich frei bewegen. Nachdem ich einige Zeit bei den Männern in der Kirche verweilt hatte, die Nacht über war es kalt in der Kirche und die Männer waren für die Kälte nicht warm genug angezogen."
Die Amerikaner erlaubten, daß die Heizung in der Kirche angezündet wurde. Das konnte aber nicht viel helfen, weil viele Fensterscheiben in der Kirche zerbrochen waren, ging ich zu den Frauen und Kindern in den Keller der Wirtschaft Helmig, sprach ihnen Mut zu und gab ihnen die Generalabsolution. Dann ging ich in den Bunker, im Garten von Edmund Wolf. Es war ein langer Gang tief unter der Erde, mit Holzstämmen abgestützt, rechte und linke Seite mit Sitzplätzen versehen und an beiden Enden mit einer eisernen Tür verschlossen. Der lange Gang war dichtge-drängt voll von Menschen. Die Zugänge waren schlecht. Wir beteten zusammen einen Rosenkranz, worauf ich die Generalabsolution gab. Die Anwesenden bewahrten trotz des wenigen Kerzenlichtes, der schlechten Luft, des dichten Gedränges bei vielen kleinen Kindern bis zum Morgen eine mustergültige Ruhe, obwohl am frühen Morgen eine motorisierte Kanone ganz nahe beim Bunker vorüberfuhr und ununterbrochen feuerte, so daß die Erde erzitterte. Der Bunker war von amerikanischen Soldaten bewacht. Ein deutschblütiger amerikanischer Soldat erzählte, seine Eltern seien in Deutschland geboren und er freue sich mit einem deutschen Priester gesprochen zu haben. Die Soldaten waren behilflich, daß während der Nacht frisches Wasser geholt werden konnte, um die Durstigen zu tränken. Als beim Morgengrauen des 3. März 1945 die Soldaten verschwunden waren, gingen die Leute in ihre Häuser, fanden dieselben aber von Soldaten besetzt. Sie mußten nun zum Frohnhof gehen, wo sie dicht gedrängt in allen Räumen bis zum Keller 4 Tage interniert wurden. Im Frohnhof wurde nun täglich Suppe zur Messenspeisung gekocht. Mit Erlaubnis der Soldaten dürfen die Leute von Zeit zu Zeit nach Hause gehen, um ihr Vieh zu versorgen, soweit es noch vorhanden war. Am 2. Tag durfte der Pfarrer im Keller des Pfarrhauses abends sein Nachtquartier beziehen, während das Haus bis zum Nachmittag des folgenden Tages von amerikanischen Soldaten bewohnt war. Dann zogen sie ab. Nun durften einige Kranke vom Frohnhof zum Pastorat kommen, so daß dieselbe als Lazarett diente, bis die Leute wieder nach Hause gehen konnten. Hier und da blieben einige Leute im Hause, weil die Soldaten sie duldeten. Die Belegung des Dorfes mit amerikanischen Soldaten dauerte glücklicherweise nur wenige Tage, da die Soldaten ohne besonderen Widerstand zu finden weiterrückten. Nach dem Abzug der Truppen sah es im Dorf wüst aus. Die Häuser hatten mehr oder weniger Schaden erlitten. Das Pastorat hatte einen Granattreffer ins Dach, ebenfalls die Scheune, von deren Dach die meisten Dachpfannen weggeschleudert waren.
Augenzeugenbericht von Frau Grete Wroblewski
Da im Juni 1944 das Geschäft in Köln, in dem ich arbeitete, ausgebombt war, wurde ich dienstverpflichtet zum Kraftwerk 1 in Fortuna und dort als Maschinistin an den Turbinen eingesetzt.
Ende Februar 1945 kamen Soldaten und bereiteten die Turbinen für eine Sprengung vor für den Fall, daß die amerikanische Armee einträfe. Die Angriffe der Flugzeuge wurden immer stärker, Tiefflieger waren bald an der Tagesordnung. Die Scheiben im Maschinenhaus waren dadurch fast alle kaputt. Eines Morgens kam Josef Rauwald, Schreinermeister aus Oberaußem, um Scheiben zu erneuern. Ich hatte gerade noch mit ihm gesprochen, und 5 Minuten später war er tot - von Splittern getroffen. Es war furchtbar. Ich hatte schreckliche Angst. An diesem Tag war es besonders schlimm. Ich flüchtete mich in die Schaltbühne, wo ein dreieckiger Zementblock war, der zwei Personen ein wenig Schutz gab. Als der Angriff vorbei war, und ich zu meinem Platz zurückkehrte, hatte ein Splitter meinen Stuhl durchschlagen.
Am nächsten Tag hatte ich Spätschicht und stand am Fenster. Da sah ich, wie die Leute auf die Straße wegliefen. Ich konnte durch den Krach im Maschinenhaus nicht hören, ob die Sirene ertönt war und lief deshalb den Arbeitern nach, in einen großen Raum unter dem hohen Kamin. Doch bald mußten die Männer zum Feuerlöschen raus, da das Kesselhaus getroffen war. Die Tiefflieger hatten einen Trafo zer-schossen und das ganze Öl war in Brand geraten. Da ich Angst hatte und nicht alleine zurückbleiben wollte, schloß ich mich gefangenen Russen an, die aus dem Bunker kamen und von Hermann Poulheim nach Oberaußem gebracht wurden. Da auf dem Werk nun nicht mehr gearbeitet werden konnte, war meine Dienstverpflichtung beendet.
Einige Tage später wurden die Soldaten aus unserem Dorf abgezogen. Man kam sich alleine und verlassen vor. Die Front kam immer näher. Jetzt gingen wir nicht mehr in den Keller, sondern suchten den Bunker Lieven-Lützenrath auf. In der Nacht zum 2. März 1945 kam mein Freund, mein späterer Ehemann, zu uns in den Bunker. Er kam von einem Spähtrupp aus Quadrath. Er sagte uns, daß bis spätestens 10 Uhr morgens die Ameri-kaner da wären. Ich ging mit ihm aus dem Bunker bis auf die Straße, weil er weg mußte zu seiner Truppe. Da sah ich, daß der schwere Baum, der vor der Wirtschaft Poul-heim stand, quer über der Straße lag. Die Häuser von Poulheim, Hilgers Ruland und Kremer/Wienand lagen ebenfalls zerstört am Boden. Mit vereinten Kräften zogen die Männer den Baum von der Straße, damit es für die Amerikaner nicht nach Panzersperre aussähe.
Am Morgen kamen dann die fremden Soldaten auf beiden Straßenseiten Mann hinter Mann gehend, begleitet von tieffliegenden Flugzeugen, mit ihren Gewehren im Arm. Für uns war hier der Krieg zu Ende.
Brief von Martin Schneider an die Neue Rhein Zeitung
Leserbrief
Martin Schneider, Oberaussem, den 17.9.1954
Kreis Bergheim/Erft Bahnstraße 29
An die
NEUE RHEIN ZEITUNG
Köln-Deutz
Deutz-Kalkerstraße 46
Betrifft: Bericht „Als der Ami kam“
In diesem Bericht schreiben Sie, dass der Ami am 3. März 45 Oberaußem erreichte.
Ich bitte Sie, Ihren Bericht wie nachstehend aufgeführt zu ergänzen:
Am 3. März 45 kamen die Amerikaner nach Oberaußem. Wir hatten diese Stunde sehnlichst erwartet. Der elende Krieg sollte in diesem Moment für immer zu Ende sein. Aber 120 unschuldige Männer von Oberaussem wurden, trotz aller Rundfunkpropaganda der Alliierten, eines Besseren belehrt. Am 6. März wurden alle männlichen Einwohner ab 12 Jahren registriert. Am 8. März erhielten 120 Männer von Seiten des Ostskommandanten die Aufforderung, um 13 Uhr an der alten Schule zu sein. Es wurde uns bekantgegeben, dass wir abtransportiert würden und in 2 Tagen wieder zurück seien. Aus diesen 2 Tagen wurden bis zu 10 Monaten. Die Fahrt mit 2 Lastkraftwagen ging zu einem Lager in Ichendorf. Dort wurden unsere Taschen durchsucht und uns alle erdenklichen Gegenstände wie Uhren, Ringe, Glasschneider usw. abgenommen. Anderen Tages, nach Übernachtung im Freien, wurden wir mit Lastkraftwagen nach Stolberg gebracht und dort unter Faust- und Peitschenschlägen in verriegelten Eisenbahnwaggons verstaut. In Namur angekommen, erfolgte eine Vernehmung. Tage vorher mußten wir 12 Stunden in einem Schlammlager im Freien verbringen. Nachdem uns die letzten Habseligkeiten abgenommen wurden, erfolgte die Trennung in Partei- und Nichtparteigenossen. Die Parteigenossen wurden nach Frankreich deportiert, wo diese 10 Monate ausharren mußten. Wir übrigen kamen in ein Lager nach Konberg hinter Aachen und wurden am 26. April entlassen.
Da es sich um Leute bis zu 65 Jahren handelte, war es nicht verwunderlich, dass Krankheiten um sich griffen. Durch einen Autounfall kamen 5 Schwerverletzte in deutsche Krankenhäuser, ein Leidensgenosse starb in Namur.
Ich weise darauf hin, dass es sich bei den Parteigenossen zum größten Teil um unschuldige Menschen handelte. Diejenigen, die etwas auf dem Kerbholz hatten, waren bereits vorher über den Rhein geflüchtet.
Gez. Martin Schneider