DIE PFARRKIRCHE ST. BARBARA
Ausarbeitung von Ulrich Reimann
Vorworte:
Nachfolgend soll hier nun die Geschichte der Pfarrkirche „St. Barbara“ im einstigen Bergarbeiterort Fortuna etwas detaillierter geschildert werden. Damit ist beabsichtigt, einstigen Fortunesen und anderen an diesem Thema interessierten, eine Möglichkeit zu bieten, sich an die kurze Geschichte der kath. Pfarrgemeinde Fortuna und deren Kirche, zu erinnern oder diese kennen zu lernen, wobei an dieser Stelle auch ausdrücklich auf bereits vorhandene Werke hingewiesen wird.
Es wurden ganz bewußt bereits an anderen Stellen publizierte Informationen, teils wortgetreu, hier eingearbeitet, deren Herkunft im abschließenden Quellenverzeichnis hinterlegt wurde. Natürlich besteht die Möglichkeit diese Ausarbeitung bei Erfordernis, jederzeit zu korrigieren und natürlich auch, sie zu ergänzen. Zusatzinformationen bzw. auch Kritik sind erwünscht und werden vom Autor auch gerne entgegengenommen.
Die Kirchengemeinde und die Kirche St. Barbara
Getreu der bergmännischen Tradition waren auch im Fortuna der Anfangsjahre viele Menschen christlichen Glaubens. Man besuchte die heilige Messe im nahen Kloster Bethlehem. Fortuna gehörte zur Kirchengemeinde Oberaußem. Doch recht früh kam bei der kath. Ortsbevölkerung der Wunsch nach einer eigenen Kirche auf. Der damalige Oberaußemer Pfarrer Werner Leuchter akzeptierte diesen Wunsch und unterstützte ihn dann auch. Bereits im Jahre 1908 wurde ein Kirchenbauverein gegründet, dessen Vorsitz Pfarrer Leuchter übernahm. Am 19. Dezember 1909 fand dann die konstituierende Versammlung des Kirchenbauvereins im damaligen „Hotel Leopoldshöhe“ statt. Eine dabei durchgeführte 1. Sammlung erbrachte 45 Mark. Es wurde eine vorher ausgearbeitete Vereinssatzung verabschiedet. Laut Satzungsdokument wurde der damalige Direktor des Kraftwerkes Fortuna, Haug, Vorsitzender. Die Verwaltung des zum Zweck des Kirchenbaus gesammelten Geldes lag laut Satzung in der Verantwortung des Kirchenvorstandes von Oberaußem mit Pfarrer Leuchter an der Spitze.
Leider war es eine schlechte Zeit für solche Vorhaben. Der I. Weltkrieg und die darauf folgenden schwierigen Jahre brachten die großen Pläne immer wieder zum Erliegen. Nach der Errichtung des Rektorates Fortuna verfügte das erzbischöfliche Generalvikariat mit Schreiben an Rektor Meurers vom 24. Juni 1921, daß mit der Errichtung des Rektorates Fortuna der Vorsitz des Kapellenbauvereines sinn und sachgemäß auf den Rektor von Fortuna übergeht. Die Satzung ist entsprechend zu ändern. Durch diese Anordnung hatte die Pfarrgemeinde Oberaußem mit Pfarrer Leuchter, wohl auch zur Freude der Fortunesen, jegliches Mitspracherecht im Kirchenbauverein verloren.
Am Sonntag den 11. Juni fand im Saale von Grothaus in Fortuna, ein großes Konzert „ZUM BESTEN DES KIRCHENBAUES“ statt.
Es dauerte dann aber noch bis zum 12. April 1921 ehe die Verwirklichung der Kirchenbaupläne konkrete Formen annahm. An diesem Tag traf sich der damalige Vorstandsdirektor der RAG, Dr. Paul Silverberg mit Vertretern des Kölner Erzbistums im Kloster Bethlehem, wobei man sich fest vornahm den Bau einer Kirche in Fortuna in die Tat umzusetzen.
Der Beginn des eigenständigen katholischen Kirchenlebens in Fortuna war die Errichtung eines seelsorgerischen Rektorates Fortuna in der Pfarrei Oberaußem. Initiator dazu war der Rektor des zur Bergheimer Pfarrei St. Remigius gehörenden Kloster Bethlehem, Heinrich Meurers. Am 16. April 1921 erließ der Erzbischofs von Köln eine Dienstinstruktion für den zukünftigen Rektor des neuen Rektorates Fortuna , die diesem über den Oberaußemer Pfarrer Werner Leuchter zugestellt wurde. Diese Dienstanweisung beinhaltete im Wesentlichen die dem Rektor verliehenen kirchlichen Vollmachten und natürlich auch die auferlegten Pflichten. Sie trat am 24. April 1921 in Kraft.
Das öffentliche Leben in der Kolonie Fortuna drehte sich in den zwei folgenden Jahre fast ausschließlich um den Bau der Kirche St. Barbara. Die Einrichtung des „Pfarrrektorates“ und der Bau der St. Barbara Kirche in Fortuna, wurde von der RAG, insbesondere von Dr. Paul Silverberg, intensiv unterstützt. Als Dank für seinen Einsatz erhält der gebürtige Jude Silverberg, der zum evangelischen Glauben übergetreten war, ein Bild des damaligen Papstes Pius XI., versehen mit seiner Unterschrift und persönlicher Widmung sowie eine silberne Papst-Medaille.
Der 1919 neugegründete Kirchenbauverein, hatte noch 1921 den Düsseldorfer Regierungsbaumeister Brokker mit dem Entwurf eines Bauplanes beauftragt. Der später ausgeführte barocke Stil wurde aber von Paul Silverberg vorgeschlagen und letztendlich auch durchgesetzt.
Der erste Spatenstich für die neue Kirche erfolgte dann trotz erheblicher, überwiegend finanzieller Schwierigkeiten, am 15. September 1922 durch den Schreiner Peter Phiesel. Er hatte sich das Recht dazu, bei einer hierfür durchgeführten „Amerikanischen Versteigerung“, mit einer erreichten Endsumme von 7.800 Reichsmark, erworben. Die offizielle Grundssteinlegung erfolgte am 12. November 1922 unter Anwesenheit des Kölner Kardinals Schulte. Nach anfänglichen Problemen, die Bevölkerung hatte die zugesagte Hilfe am Bau nicht lange eingehalten, ging es nach dem Einsatz von Bauarbeitern im Tagelohn, doch rech zügig weiter.
Die Umwandlung des Rektorates Fortuna in eine selbständige Pfarrei erfolgte am 12. Februar 1923. Wie der leider nicht vollständig erhaltene Briefwechsel zwischen dem Rektor Meurers, dem Pfarrer Leuchter und dem Generalvikariat zeigt, gingen der Umwandlung schwierige Verhandlungen voraus, die wohl auch unter dem offensichtlich nicht problemlosen Verhältnis zwischen Pfarrer Leuchter und Rektor Meurers litten. Dieser hatte massiv versucht auf die künftige Abgrenzung der neuen Pfarrei Fortuna zur Pfarrei Oberaußem Einfluß zu nehmen, was in Oberaußem zu großem Unmut geführt hatte. Letztendlich entschied das Generalvikariat in der strittigen Sache dann aber im Sinne der Oberaußemer.
Die Grenzen der neuen Pfarrei entsprachen, bis auf die Abgrenzung zur Ortschaft Oberaußem hin, dann weitestgehend den politischen Grenzen, der Gemeinde Oberaußem zu den Nachbarn Hüchelhoven (Glessen), Quadrath und Bergheim (Kenten). Lediglich im Bereich des Klosters Bethlehem lag die neue Pfarrei auf dem Gebiet der Gemeinde Bergheim.
Auf Beschluß des Kirchenvorstandes Bergheim, war das Kloster Bethlehem bereits am 2. Juli 1922 an Fortuna abgetreten worden.
Rektor Heinrich Meurers wurde von Kardinal Schulte mit Urkunde vom 28. März 1923 zum ersten Pfarrer von Fortuna ernannt, später war er sogar zum Dechant ernannt worden.
Am 13. April 1923 wurde Rektor Heinrich Meurers, als erster Pfarrer der neuen Kirchengemeinde Fortuna, feierlich in sein Amt eingeführt.
Für die neue Kirche erhielt man zwei geschichtsträchtige Glocken. Eine stammte aus einer einstigen Kapelle der Grube Fortuna, die zweite kam aus einer Kapelle der Grube Klarenberg bei Frechen, die den Stempel 1612 trug und zu dem Zeitpunkt des Einbaus in den Glockenturm der Fortunakirche bereits über 300 Jahre alt war. Am 10. Juni erfolgte die feierliche Glockenweihe und am 7. Oktober 1923 ging der langgehegte Wunsch vieler Fortunesen in Erfüllung, die feierliche Konsekration (Einweihung) der neuen Kirche „St. Barbara“ durch den Kölner Kardinal Schulte. Die Kirche war beim Einweihungsfest bis auf den letzten Platz gefüllt gewesen und auch auf dem Kirchenvorplatz hatte sich noch eine große Menschenmenge versammelt. Den Kirchennamen St. Barbara hatte man bewußt ausgewählt weil die heilige Barbara die Schutzpatronin der Bergleute ist.
In seiner Festansprache dankte der Kardinal besonders der Bergbaugesellschaft RAG und Dr. Paul Silverberg, für die tatkräftige und finanzielle Unterstützung sowie den Schwestern des Klosters Bethlehem für deren jahrelange Gastfreundschaft, die sie den Bewohnern von Fortuna in ihrer Kapelle gewährt hatten.
Der bereits erwähnte Streit mit dem bisherigen Pfarrherrn in Oberaußem, es ging wohl über die Festlegung der Pfarreigrenzen, muß wohl doch recht intensiv gewesen sein, denn dieser hatte nachdem er bereits in seiner Kirche bittere Worte gegen die neue Pfarre gepredigt hatte, auch nicht an der Einweihungsfeier in Fortuna teilgenommen
Dem wenig später gewählten Kirchenvorstand gehörten, sicher nicht ohne Grund, der Oberingenieur des Kraftwerkes, Otto Ermert, und der Betriebsführer der Grube, Adam Berrendorf, an. In seinem 1929 neuerbauten Pfarrhaus brauchte Pfarrer Meurer nicht zu frieren, denn das Haus erhielt eine elektrische Direktheizung.
In der neuen Pfarrgemeinde gab es auch rasch den Kirchenchor „St. Cäcilia, einen Mütterverein, einen Jünglingsverein, eine Jungfrauenkongregation u.a.m.
Damit die sangesfreudigen „Fortunesen“ in der neuen Kirche eine instrumentale Begleitung bekamen, gründete man 1929 den Orgelbauverein.
Ins Innere der Kirche waren im Laufe der Zeit zahlreiche recht wertvolle Einrichtungsgegenstände eingebracht worden. Das bedeutendste Stück war wohl ein aus dem Jahre 1640 stammender, mit herrlichen Schnitzereien verzierter Beichtstuhl, dessen genaue Herkunft leider nicht mehr feststellbar war. Des weiteren ist wohl an dieser Stelle die weithin bekannte Weihnachtskrippe der St. Barbarakirche unbedingt zu erwähnen. 1926 hatte man die Schnitzschule Gebr. Lang in Oberammergau mit der Anfertigung von großen Krippenfiguren aus Lindenholz beauftragt. Die Anschaffung der Figuren zog sich über etliche Jahre hinweg. Die wunderschönen Krippenfiguren waren alle mit edlem Stoff bekleidet.
Der zur Krippe gehörende Holzstall wurde von Einwohnern des Ortes selbst gebaut. Anton Haag berichtete, daß sein Vater am Stall mitgearbeitet hatte. Da die Krippe stets erweitert wurde, war sie sehr schnell in aller Munde. Wegen ihre außergewöhnlichen Schönheit war sie von Heiligabend an, bis nach dem Fest der heiligen drei Könige, Anziehungspunkt für Menschen aus nah und fern. Das blieb so bis zur Aufgabe der Kirche 198o. Heute befinden sich die Krippenfiguren in der Kirche St. Michel in Rheidt-Hüchelhoven.
1951 war das zur Pfarrgemeinde gehörige Jugendheim errichtet worden.
Glockenturm in Oberaußem
Zur Erinnerung an den einstigen Bergarbeiterort Fortuna wurde 1984, u.a. auf Anregung des damaligen Oberaußemer Pfarrers Bursy, in einer spektakulären Aktion die komplette Spitze des Kirchturmes der Barbarakirche nach Oberaußem umgesetzt.
Kapelle St. Barbara in Oberaußem
Am 10. November 1991 ging für viele ehemaligen Bewohner von Fortuna ein weiterer, langgehegter Wunsch in Erfüllung. Ein schmuckes Kapellchen, das auch an die Sankt-Barbara-Kirche im alten Ort Fortuna erinnern soll, wurde in Oberaußem auf Anregung des alten Fortunesen und heutigen Ortsvorstehers von Oberaußem, Willi Weck, errichtet und von Pfarrer Achim Brennecke feierlich eingesegnet.
Ziel massiver Kritik beim Abbruch des Ortes Fortuna war der unwürdige Umgang mit einigen altehrwürdigen Gebäuden, wie der Pfarrkirche, dem Jugendheim und dem Pfarrhaus. Nach Auflösung der Pfarrgemeinde ging es dort teilweise recht wüst zu. In einem Zeitungsartikel wetterte der damalige Stadtverordnete Willi Weck diesbezüglich massiv gegen das Kölner Generalvikariat. Unter dem Titel „Kirche wurde zum Tummelplatz für die Ratten“ machte man auf die Missstände aufmerksam. Weck hatte diesbezüglich auch an den damaligen Leiter des Bergheimer Ordnungsamtes, Vinzenz Drexler, einen Brief geschrieben und unter Schilderung der unwürdigen Zustände um Hilfe zu deren Beseitigung gebeten.
St. Barbara erhält noch heute Zinsen
Einen interessanten Artikel zu nach der Auflösung der einstigen Pfarrgemeinde Fortuna noch vorhandenem, zinsbringend angelegtem Vermögen, veröffentlichte der Kölner-Stadt-Anzeiger in seiner Ausgabe Nr. 86, am Freitag den 12. April 1996.
Bis heute, im Jahre 2023, ist der Vermögensstatus unverändert.
Über den weiteren Verlauf mit dem Umgang des Vermögens von Seite der Kirche darf man sehr gespannt sein, zumal es in der Pfarrgemeinde Oberaußem sicherlich mehrere Verwendungsmöglichkeiten gibt, die der vorgegebenen Zweckgebundenheit entsprechen würden.
Quellen:
- Josef Dürbaum, Heimatkunde von Oberaußem von 1912, sowie die Neuauflage Oktober 2000 von Hans-Josef Weck, Hans-Joachim Mörs, Carsten Meyer
- F. W. Noll, Heimatkunde des Kreises Bergheim von 1928
- Artikel aus Revier und Werk
- Kölnische Rundschau
- Kölner Stadtanzeiger
- Werbepost
- Kraftwerke Fortuna von Detlev Witt
- In Gedanken durch Fortuna gehen von Hans Joachim Mörs
- Privatunterlagen
- Fotos: Rolf Kremer, privat
- Helmut Schrön
- Eigene Recherchen, neue Texte und Textergänzungen, Ulrich Reimann
- KSta Nr. 86, Freitag 12. April 1996
- Heimatfreunde Niederaußem; Heimatblätter Heft 12 u. 15