Der Wasserturm in Fortuna
Unter Berücksichtigung der rasch fortschreitenden Entwicklung des Kreises Bergheim, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, hatte der Bergheimer Kreistag am 17. November 1902 den Beschluß gefasst, für den Landkreis Bergheim eine zentrale Wasserversorgung aufzubauen.
Bereits am 19. Dezember 1902 beauftragte man den Düsseldorfer Ingenieur Hermann Ehlert mit der Planung, Projektleitung und Überwachung der Bauarbeiten des für die damaligen Verhältnisse gewaltigen Projektes.
Das Projektziel war: „Anschluss aller Gemeinden des Landkreises an die neue zentrale Wasserversorgung mit der Lieferung von gutem Trink- und Brauchwasser“.
Die Projektierung ergab, ein erforderliches Hauptleitungs-Straßenrohrleitungssystem von etwa 230 km Länge.
Es wurden Gesamtprojektkosten in Höhe von 2.250.000,-- Mark veranschlagt.
Am 23. August 1904 wurde vom Kreisausschuss-Vorsitzenden, Graf Hoensbroech, eine öffentliche Ausschreibung für die zum Projekt „Kreiswasserwerk Bergheim“ gehörigen Baugewerke herausgegeben.
Teilprojekt dieser Ausschreibung war der dann 1905, in der Nähe der Fortuna Grube, an der Bethlehemer Straße, am Ortsausgang der 1900 gegründeten Bergarbeitersiedlung Fortuna erbaute Wasserturm:
Pos. 5, Herstellung eines Wasserturmes, ausschließlich des eisernen Behälters
Pos. 6, Herstellung des schmiedeeisernen Hoch-Behälters im Wasserturme.
Das zentrale Kreiswasserwerk wurde dann in Sindorf gebaut. Es sollte über ca. 230 km Hauptleitungs-Netz die damaligen etwa 50.000 Einwohner in ca. 9.400 Häusern versorgen. Der Fortuna-Wasserturm spielte dabei im Gesamtsystem der zentralen Wasserversorgung eine wesentliche Rolle. Er diente der Wasserversorgung der nordöstlichen Ortschaften des Kreises; Quadrath, Grube Fortuna, Oberaußem, Büsdorf, Glessen, Niederaußem, Auenheim, Rheidt, Hüchelhoven, Rath, Garsdorf, Wiedenfeld, Montagsend, Frauweiler, Buchholz, Winkelheim, Kenten und Bergheim.
Eine wesentliche Aufgabe des Wasserturmes bestand darin, einen Ausgleich zwischen der nächtlichen, den Wasserverbrauch übersteigenden Wasserförderung und dem höheren Tagesbedarf zu schaffen, sozusagen als System-Pufferung.
Das Zentralwasserwerk Sindorf versorgte nach seiner Fertigstellung, bis 1929 den gesamten Kreis Bergheim mit Wasser.
Auch das 1912 in Betrieb gegangene Kraftwerk Fortuna wurde über viele Jahre hinweg vom Wasserwerk Sindorf versorgt. Mit dem Bau des Wasserwerkes Kenten im Jahr 1920 erhielten die Kraftwerke Fortuna eine eigene Wasserversorgung.
Im Jahre 1935 errichteten die Kreiswerke Bergheim einen zusätzlichen Wasserturm in Glessen, der zur Versorgung des Ortes mit Trink- und Löschwasser aus dem vom Wasserwerk Sindorf gespeisten Leitungsnetz diente.
Der Glessener Wasserturm ist noch heute in Funktion, wobei er inzwischen Wasser aus Sindorf und aus dem Wasserwerk Paffendorf erhält. Heimatverbundene Bewohner des Ortes möchten den Turm als Industriedenkmal erhalten. Laut einem diesbezüglichen Gutachten von Prof. Dr. Walter Buschmann, liegt die Erhaltung des Glessener Wasserturmes im öffentlichen Interesse.
Für die Fortunesen war der aus Ziegelsteinen gemauerte Turm in Fortuna über mehr als 80 Jahre hinweg eines der allgemein bekannten und bewunderten Wahrzeichen ihres Ortes. Das runde Bauwerk mit dem Wasserspeicherbehälter und das angebaute Treppenhaus glich mit den oben abschließenden Zinnen dem Wehrturm einer Ritterburg.
Das Behältergebäude hatte eine Gesamtbauhöhe von 21,90 m. Das Treppenhaus mit den anfangs vorhandenen vier Eckentürmchen hatte eine Gesamtbauhöhe von 30,40 m. Das Fassungsvermögen des schmiedeeisernen, zweiteiligen Wasserbehälters betrug 400 m³. Der Behälter ruhte auf einem gemauerten Unterbau. Der Wasserturm Fortuna entsprach dem Konstruktionsprinzip des Professors für Wasserbau Otto Intze. Die Behälterhöhe betrug ca. 10,40 m, der Unterbau hatte eine Höhe von ca. 5,60 m. Das Bauwerk selbst stand auf dem Geländeniveau von + 125 m N.N. Daraus resultierte bei einem ganz gefüllten Wasserbehälter ein maximaler Wasserstand von ca. + 141 m N.N.
Zur Wasserversorgung des Turmes diente eine 250 mm-Druckwasserleitung aus dem Wassernetz vom Zentralwasserwerk Sindorf. Die Steuerung der Wasserturmanlage erfolgte mittels einer elektrisch arbeitenden Fernwirkanlage vom Wasserwerk Sindorf aus. Der jeweilige Wasserstand im Turmbehälter wurde über eine elektrisch arbeitende Wasserstandsmesseinrichtung erfaßt, über eine Fernmeldeanlage nach Sindorf geleitet und dort als Steuerungsparameter für die Turmbetreibung benutzt.
Beim Bau des Turmes wurden u.a. die Maurerarbeiten von der Firma „Wwe. Nicolas Simon“ aus Horrem-Hemmersbach ausgeführt. Den schmiedeeiserne Wasserbehälter baute die „Aktiengesellschaft für Brückenbau und Eisenkonstruktion“ aus Neuwied.
Die gesamten Baukosten betrugen wohl ca. 26.000,- Mark.
Da der Ort Fortuna dem Braunkohlenabbau des Tgb. Bergheim weichen mußte, war auch der Abriß des Wasserturmes unvermeidbar. Die Inneneinrichtungen des Turmes wurden demontiert und als wieder verwertbarer Schrott abtransportiert.
Am 30. September 1986 war es dann soweit. Das leere Steingebäude des Turmes wurde mittels einer vorausberechneten Sprengladung gezielt niedergelegt. Damit verschwand ca. 80 Jahre nach seiner Inbetriebsetzung, das letzte bekannte Wahrzeichen der Bergarbeitersiedlung Fortuna.
Quellen:
- Werkszeitschrift Revier und Werk
- Ausarbeitung von Helmut Schrön, Die Kolonie Fortuna und ihr Wasserturm
- Fortunabuch von Volker H. W. Schüler und Helmut Schrön
- Baupläne Ing. Hermann Ehlert
- Kölner Stadtanzeiger, 1.10.1986
- Kreiswerke Bergheim
- LVR, Gutachten von Prof. Dr. Walter Buschmann, 31.08.2010
- Fotos Archiv RWE-Power
- Fotos privat
- Recherchen, Text und Layout U. Reimann - 2011