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Rede von Gerd Friedt im Rahmen der Gedenkfeier 70 Jahre Kristallnacht am 9. Nov. 2008 und Buchpräsentation der "Carpena Judaica" in Kerpen

 

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Weise", sowie andere, hatten den Gedanken der Veränderung in den Köpfen vieler Juden eingepflanzt. Veränderung nicht der jüdischen Glaubensinhalte, sondern dies bedeutete eine "bürgerliche Verbesserung der Juden", wie sie, Christian Wilhelm Dohm, bereits 1781 eingefordert hatte.

 

Man sollte sich bei diesen umwälzenden Veränderungen immer die Lage großer Teile der Juden um 1750 in Deutschland, diesem gehäuften Bündel von Kleinstaaten, der fürstlichen und geistigen Besitztümer, der Kleinstherrschaften vor Augen halten, um diesen Wechsel fassen und würdigen zu können. In ein enges geistiges und physisches Ghetto eingezwängt, vom freien Wandel und Handel ausgeschlossen, führten große Teile dieser Juden ein elendes und menschenunwürdiges Dasein. Hier war eine Änderung von Nöten gewesen. Bereits im Jahre 1783 setzte Nordamerika die Religionsfreiheit für alle Menschen ein.

 

Die Revolution in Frankreich läutete das Ende des Ancien Regimes der Feudalzeit ein. Anno 1789 war die Verabschiedung der Bürgerrechte in Frankreich. Im Oktober 1794 rückten die französischen Truppen auch in Kerpen und den umliegenden Ortschaften ein. Die Hoffnungen die man in Frankreichs liberale Verfassung gesetzt hatte, sollte sich für die rheinischen Juden nicht über Nacht erfüllen.

Im Jahre 1796 verlor die Judenschaft in Kerpen ihre Synagoge, welche beim grossen Stadtbrand mit allem Inventar niederbrannte und zerstört wurde. Bis 1836 hielt man dann in einer Übergangssynagoge Gottesdienst, die im Stalle eines Bauernhofes gelegen war und dessen Örtlichkeit uns nicht bekannt ist.

 

 

1799 lebten 37 Juden in Kerpen.

 

1801 wurden die Einwohner der besetzten linksrheinischen Gebiete offiziell französische Staatsbürger. Die Mairie (Gemeinde) Kerpen war nun Teil des Roerdepartements und dessen Kanton Bergheim. Nach einer Reihe von Gesetzen und Neuerungen wurde am 17. März 1808 ein neues Juden Dekret erlassen, welches bekannt als Dekret infâme (schändliches Dekret) war. Man kann dieses Dekret als Angelpunkt der napoleonischen Judenpolitik betrachten. Dieses griff einschneidend in den direkten Lebensbereich des einzelnen Juden ein. Im Juli 1808 das Dekret der festen Namensannahme für die Juden. Trotz vieler Widrigkeiten und manchen Vorbehalten kann man sagen, dass trotz aller Dekrete, Einschränkungen etc., die „Gleichberechtigung" (in Gänsefüs'chen), für die Juden ein Schritt in Richtung Fortschritt darstellte.

 

Jetzt eine Anmerkung zum Judenwucher und den so genannten betrügerischen Juden, einem der beliebten Klischees schon der damaligen Zeit, die auch noch heute gerne bedient werden.

 

Ein einziger Fall meine Damen und Herren, ein einziger ist mir in unserer Heimat bekannt und zwar der des Abraham Ajacoby aus Bergheim, der wegen des Versuches überhöhter Zinsnahme, sprich Wucher, umgehend nach 1800 sein Patent, sprich seine Gewerbeberechtigung, verlor. Es ist mir daher unverständlich, woher die generellen Vorurteile in unseren Landen, dass Juden grundsätzlich wuchern, überhöhte Zinsen berechnen, ihre Geschäftspartner

 

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