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Besondere Persönlichkeiten der Kraftwerke Fortuna

Ausarbeitung Ulrich Reimann 2024

 


 

Kommerzienrat Adolf Silverberg,

 

* 1845 in Goch; † 1903 in Köln, war ein jüdischer Industrieller.

Er trug Ende des 19. Jahrhunderts maßgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung Bedburgs bei. Unter Führung von Adolf Silverberg entwickelte sich im Rheinland eine moderne Braunkohlenindustrie. Für seine Verdienste erhielt er den Titel eines Kommerzienrates.

Durch die Heirat mit Theodora Schönbrunn 1872 entstand die erste Verbindung zu Bedburg. Er und seine Familie verhalfen der Stadt im Rhein-Erft-Kreis (NRW) zu einigem Wohlstand. Adolf Silverberg arbeitete zunächst im Betrieb seines Vaters in Goch mit, bevor er seinen Teil des Gewinns in die Gründung der Bedburger Wolle und die Rheinischen Linoleumwerke investierte. Er schuf damit in dem beschaulichen Städtchen an der Erft 1000 Arbeitsplätze. Der Anschluss Bedburgs an die Bahnlinie im Jahr 1869 war eventuell der Grund für Silverbergs dortige Aktivitäten.

Auf seine Initiative hin, genehmigte der Kreistag 1894 den Bau eines Netzes von meterspurigen Kleinbahnen, den Bergheimer Kreisbahnen. Sie dienten u.a. dem Transport von Rohbraunkohle und Briketts.

In der weiteren Umgebung der Grube Giersberg-For­tuna entstehen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts Kleinindustriebetriebe, u. a. Wollspinnereien, Zuckerfa­briken und eine Linoleumfabrik. Die Eigentümer sehen sehr bald den Vorteil, ihre Kesselanlagen mit der in der Nähe lagernden Braunkohle zu befeuern. Am besten ist es, so eine Grube selbst zu besitzen.

Zu diesen Unternehmern gehören u. a. Justizrat Balduin Trimborn aus Köln sowie Adolf Silverberg aus Bedburg.

1898 kaufte eine Gesellschaft unter der Führung von Adolf Silverberg und dem Bankhaus Sal. Oppenheim aus Köln die Braunkohlegrube Fortuna auf. Kurze Zeit später wurde auch die Beisselsgrube erworben.

Zu den Unternehmern gehörte auch der Justizrat Balduin Trimborn aus Köln.

Trimborn hat anscheinend dem Baron Oppenheim die Idee der Gründung einer Gewerkschaft nahegebracht. Am 15. Mai 1898 verkauft Oppenheim seine Konzessionen: „Giersberg-Fortuna, Schlenderhan, Urwelt und Urwelt II (zusammen 5416 Morgen)“ an die „Ge­werkschaft Fortuna zu Grube Giersberg-Fortuna bei Quadrath“, die offiziell am 20. Mai 1898 gegründet wird.

Eine Gewerkschaft ist eine juristische Person, die, ohne daß eine Gründung offiziell vollzogen werden muß, ent­steht, wenn zwei oder mehrere Personen Eigentümer ei­nes Bergbaubetriebes werden. Ein Grundkapital, wie es z. B. bei Aktiengesellschaften erforderlich ist, muß bei einer Gewerkschaft nicht vorhanden sein. Wenn Geld gebraucht wird, schießen die Herren Gewerken es zu, entsprechend der Anzahl ihrer Kuxe, d. h. Anteile. Nach Preußischem Bergrecht hat eine Gewerkschaft 100 Kuxe.

Am 23. Mai 1898 findet die erste Versammlung der 28 Herren Gewerken der aus 1000 Kuxen bestehenden Ge­werkschaft statt. Repräsentant der Gewerkschaft wird Balduin Trimborn. Beteiligt sind u. a. die Herren Silver­berg und Suermondt, letzterer ist ein Bankier aus Aa­chen.

Obwohl dem Anschein nach Trimborn die ersten Schritte zur Verwirklichung der Gewerkschaft Fortuna getan hat, kristallisiert sich von Anfang an Adolf Silver­berg als leitende Figur heraus. Ihm wird im Übrigen 1899 der Titel „Kommerzienrat“ verliehen. Der damalige Han­delsminister berichtet dem Kaiser: Silverberg habe sich durch hohe kaufmännische Begabung und regen Unter­nehmergeist aus kleinen Verhältnissen emporgearbeitet und zähle jetzt „zu den ersten Industriellen des Dürener Bezirkes“.

Adolf Silverberg macht sich 1900 schon Gedan­ken darüber, auf der Grube Fortuna ein „Elektrisches Kraftwerk“ zu errichten. 1902 werden sogar konkrete Verhandlungen mit der Stadt Köln geführt. Aber die Zeit ist noch nicht ganz reif für ein solches Unterneh­men. Der Zündfunke dieser Idee aber glimmt weiter.

1902 führte Adolf Silverberg auf Grube Fortuna die ersten Versuche zur Einführung der maschinellen Kohlegewinnung im Grubenbetrieb durch.

Silverberg hat auch maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der damaligen Arbeitersiedlung Fortuna. Für die vielerorts, auch im Ausland angeworbenen, notwendigen Arbeitskräfte errichtet die Gewerkschaft Wohnhäuser in Fortuna. Die Übernahme sozialer Verantwortung für ihre Arbeitnehmer dokumentiert die Gewerkschaft unter Führung von Adolf Silverberg mit der Einrichtung der „Silverberg-Stiftung“. Die Gelder dieser Stiftung dienten zur „außerordentlichen Unterstützung“ von Arbeitern. Fortuna wächst schnell zu einem ansehnlichen Ort.

Als Adolf Silverberg 1903 stirbt, wird sein Sohn Dr. Paul Silverberg sein Nachfolger, der auch das soziale, fürsorgliche Handeln in Bezug auf Fortuna und dessen Bewohner in starkem Maße fortsetzt.

 

Dr. jur. Dr.- Ing. E.h. Dr. rer. pol. h.c. Paul Silverberg,

 

* 6. Mai 1876 in Bedburg; † 5. Oktober 1959 in Lugano war ein deutscher Industrieller.

Paul Silverberg hat in Bonn und in München studiert und ab­solviert dort auch eine einjährige Militärzeit beim Ersten Schweren Reiterregiment „Prinz Carl von Bayern“. Er wird als Leutnant der Reserve entlassen. Anschließend, im Sommer 1902, promoviert er in Bonn. Den üblichen juri­stischen Vorbereitungsdienst übt er am Amtsgericht in Grevenbroich sowie am Amts- und Landgericht Köln aus. Im Frühjahr 1903 wird er als Rechtsanwalt beim Oberlandesgericht zu Köln zugelassen.

In seiner Freizeit arbeitet Paul Silverberg an kirchenrechtlichen Themen.

Am 25. September 1903 wurde der noch recht junge und unerfahrene Paul Silverberg in der Nachfolge seines verstorbenen Vaters, Kommerzienrat Adolf Silverberg, Generaldirektor der Fortuna AG für Braunkohlebergbau und Brikettfabrikation, aus der später die Rheinische AG für Braunkohle und Brikettfabrikation (Rheinbraun) entstand. 1926 wechselte er in den Aufsichtsrat des Unternehmens.

Mit ausgeprägtem Pflichtgefühl arbeitet sich Paul Silverberg ein und schafft es, unterstützt von einer günstigen Wirt­schaftsentwicklung, die Fortuna AG in den folgenden Jahren wesentlich voranzubringen. „Der Doktor“, wie Paul Silverberg in Zukunft immer bezeichnet wird, er­langt schnell einen großen Bekanntheitsgrad.

Aufgrund seiner fürsorglichen Art gegenüber allen Mitarbeitern war er sehr schnell auch außerordentlich beliebt. Dies galt vor allem für die Bewohner der zu Oberaußem gehörenden Kolonie Fortuna. So hatte er maßgeblichen Anteil an der Einrichtung einiger für den kleinen Ort so wichtiger Instutitionen wie z. B. Schule, Kindergarten und Kirche. Besonders bei der Einrichtung eines Pfarrrektorates und beim Bau der St. Barbarakirche hat sich Paul Silverberg sehr verdient gemacht. Als Dank für diesen Einsatz erhielt der gebürtige Jude, der zum evangelischen Glauben übertrat, ein Bild des Papstes mit persönlicher Widmung und eine silberne Papst-Medaille.

Als stellvertretender Vorsitzender des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (RDI) (ab 1927), Vorsitzender der Vereinigungsgesellschaft Rheinischer Braunkohlenwerke (ab 1914) und Aufsichtsratsvorsitzender des Rheinischen Braunkohlesyndikats (ab 1914), war DVP-Mitglied Dr. Paul Silverberg einer der einflussreichsten Vertreter der Montanindustrie in der Weimarer Republik.

1926 wird Silverberg Vorsitzender des Aufsichtsrates der RAG. Seine in diesem Jahr in Dresden vorgetragene Rede „zum Sozialempfinden“ findet im Reich starke Be­achtung. Silverberg wird zwei Jahre später auch Mit­glied der „Ruhrlade“, einer Gruppierung von zunächst 12 Großindustriellen, die in der Kruppschen Villa Hügel, Absprachen zur Lohn- und Gewerkschaftspolitik sowie zu Mengen­produktionsquoten treffen.

1928 hielt er eine berühmt gewordene Rede vor den Mitgliedern des RDI, in der er für einen "staatsbejahenden Standpunkt" der Unternehmer, für Zustimmung zur Weimarer Republik und für eine Zusammenarbeit mit SPD und Gewerkschaften eintrat. Dies trug ihm herbe Kritik von Industriellen ein, die wie Fritz Thyssen, Emil Kirdorf und Albert Vögler der Republik weiterhin feindlich gegenüberstanden. Das Angebot, im Oktober 1931 als Verkehrsminister in das zweite Kabinett Brüning einzutreten, lehnte er ab.

Der Privatsekretär von Paul Silverberg, Otto Meynen, gab seit 1928 die Deutschen Führerbriefe heraus. Das Blatt unterstützte eine Regierungsbeteiligung der NSDAP im Sinne eines Zähmungskonzeptes. Es ist nicht bekannt, ob Silverberg diese Haltung teilte. Im November 1932 nahm er über das Mitglied des Herrenklubs, Werner von Alvensleben Kontakt zu Hitler auf.

Anfang der dreißiger Jahre gelingt es dem RWE die Aktienmehrheit der RAG zu erlangen. Man erreichte die Zustimmung der Aktionäre, die „Rheinische (RAG)“ dem RWE anzugliedern.

Paul Silverberg akzeptiert die Art der Angliederung nicht und tritt daher als Vorsitzen­der des Aufsichtsrates der RAG zurück. Den wesentli­chen Grund für seine Resignation faßt er in folgendem Satz zusammen:

 

„….Damit wird künftig über die Geschicke der Rheini­schen Braunkohle nach den Gesichtspunkten des über­geordneten Unternehmens entschieden werden.“

 

Mit der Generalversammlung am 31. März 1933 beginnt die Zugehörigkeit der RAG zum RWE.

 

Kurz nach seinem Ausscheiden aus der RAG be­kommt auch Dr. Paul Silverberg die neue politische Macht zu spü­ren. Kurzerhand muß er das von ihm besonders ge­schätzte Amt des Präsidenten der Kölner IHK aufgeben.

1934 musste Paul Silverberg aufgrund seiner jüdischen Herkunft in die Schweiz emigrieren. Das tat er aber erst nachdem gute Freunde ihm sehr lange und intensiv zugeredet ha­ben. In Lugano läßt er sich nieder.

Während und nach dem II. Weltkrieg hält sich in der Fortuna-Belegschaft hartnäckig das Gerücht, Silverberg habe durch seine hervorragenden internationalen Verbindungen dafür sorgen können, daß die Fortuna­-Werke nicht, wie andere vergleichbare Anlagen, in Schutt und Asche gebombt wurden.

Trotz Bitten Konrad Adenauers lehnte Dr. Paul Silverberg nach 1945 eine Rückkehr nach Deutschland ab. Auch die 1951 er­folgte Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Bedburg, sowie die gleichzeitige Wahl zum Ehrenvorsitzenden der Kölner IHK haben Dr. Paul Silverberg nicht dazu bewegen können­, seinen Wohnsitz wieder in Deutschland zu nehmen. Er stirbt am 5. Oktober 1959 in Lugano – 83jährig - und wird am 8. Oktober auf dem neuen Wald-Friedhof in seiner Heimatstadt Bedburg, im Grab seiner Eltern beigesetzt. In der großen Grabstätte fanden auch seine Schwester und ihr Mann ihre letzte Ruhe.

 

Sehr ausführlich beschreibt der Frechener Rechtsanwalt Fritz Wündisch den Werdegang und die Verdienste von Paul Silverberg in seinem 1964 erschienenen Buch „Von Klütten und Briketts“.

 

 

Betriebsdirektor Otto Ermert

 

Stellvertretend für alle Leiter der einstigen Kraftwerke Fortuna, soll hier neben den Herren Silverberg, der bei allen Fortunesen äußerst beliebt gewesene Otto Ermert besonders erwähnt werden.

Zu seinem Gedenken erschien in der der ersten Ausgabe der Werkszeitschrift "Revier und Werk" 1950 ein ausführlicher Artikel.

 

REW-Fortuna

Direktor Ermert zum Gedenken

Dankbarkeit und Pietät gebieten, beim ersten Erscheinen der Werkzeitschrift eines Mannes zu gedenken, des allzufrüh verstorbenen Betriebsdirektors Otto Ermert. Was Otto Ermert uns, seiner Belegschaft, war, und was er für das Werk, besonders in Kriegs- und Nachkriegszeit, geleistet hat, das recht zu würdigen können nur wir, die wir viele Jahre mit ihm zusammen arbeiten

durften.

 

Wenn man von einem Menschen behauptet, daß sich unter seiner rauhen Schale ein guter Kern verbirgt, so trifft das auf Direktor Ermert zu, der am 1. Januar 1927 Leiter der Kraftwerke Fortuna wurde. Es war kein Mann vom „Bau", als er die Leitung übernahm. Als Oberingenieur auf der Grube Fortuna und vorher auf verschiedenen Gruben des rheinischen Braunkohlenreviers und auf Gruben in Mitteldeutschland, war er eigentlich ein Mann der Kohle. Wenn er trotzdem nach dem Tode des ersten Direktors, Herrn Hesse, durch das Vertrauen seiner Vorgesetzten, insbesondere des unvergeßlichen Dr. Silverberg, zum Leiter der Kraftwerke ernannt wurde, so waren hierbei nicht nur seine fachlichen, sondern auch seine menschlichen Qualitäten ausschlaggebend.

 

Die Aufgabe, die ihm gestellt wurde, war nicht einfach zu lösen. Deutschland befand sich in diesen  Jahren in einem wirtschaftlichen Wiederaufbau, der seinen Höhepunkt um das Jahr 1929 erreichte. Kraftwerk Fortuna I, das seit dem Jahr 1911 erstmalig weite Gebiete mit elektrischen Energien versorgte, war durch die allzu große Beanspruchung im Kriege 1914/18 ziemlich herunter-gewirtschaftet und konnte nur langsam in den Nachkriegsjahren mit all ihren Hemmnissen auf eine einigermaßen wirtschaftliche Höhe gebracht werden. Der Energiehunger der Wirtschaft verlangte gebieterisch den Bau neuer Energiequellen, was zum Bau von Fortuna II führte. Als Direktor Ermert die Leitung von Fortuna I und II übernahm, war Fortuna II bereits vier Jahre in Betrieb. Es galt, diese Anlage auf technischer Höhe zu halten. Neue Erfahrungen, die man besonders auch im Ausland gesammelt hatte, fanden in Herrn Ermert einen großen Förderer. So wurden in Werk II immer wieder technische Neuerungen durchgeführt.

 

Schwer traf den Menschen Ermert die Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre und der damit verbundene wirtschaftliche Niedergang in unserem Vaterland. Obwohl Fortuna I damals wegen Absatzmangels stillgelegt werden mußte, versuchte Direktor Ermert immer wieder, auch durch unproduktive Arbeiten, seine Belegschaft zu halten. Wenn es in der damaligen Zeit nicht zu Massenentlassungen kam, so war das sein Verdienst. In dieser schweren Zeit zeigte sich seine echte soziale Einstellung. Wie wäre das auch anders denkbar gewesen. Als jüngstes von 13 Kindem, aufgewachsen in einer kleinbäuerlichen Familie, kannte er von Hause aus die Nöte und Sorgen des „kleinen Mannes". Eine Not-gemeinschaft, die auf seine Initiative in der Gemeinde Oberaußem-Fortuna gebildet wurde, konnte zwar nicht die Not beseitigen, wohl aber lindern. Manch einem blieb durch dieses Hilfswerk der Glaube an die Menschheit erhalten.

 

Dieser Notzeit folgten wieder „Jahre wirtschaftlicher Gesundung. Als in den Jahren 1936/37 in Fortuna I die ersten Hochdruckkessel gebaut wurden, gab es auch für Otto Ermert große und schwere Aufgaben zu bewältigen. Und doch ließ ihn diese Zeit nie recht froh werden. So kam es, daß ihm der Kriegsanfang 1939 keine Überraschung bedeutete. Neue, weit größere Sorgen drückten ihn. Es ließ sich nicht vermeiden, daß auch ein großer Teil der Belegschaft zum Kriegsdienst einberufen wurde. Als Soldat des Weltkrieges 1914/18 mochte er gefühlt haben, wieviel Schweres von diesen Soldaten verlangt wurde. Schwer wurde ihm der Abschied von jedem einzelnen. Aber Schweres wurde auch von der Belegschaft verlangt. Wenn wir uns heute daran erinnern, daß rund 200 Sprengbomben und ungezählte Brandbomben auf das Werk und seine nahe Umgebung fielen, die mehr oder weniger großen Schaden an Maschinen, Kesseln und Gebäuden anrichteten und die Leistung trotzdem gehalten wurde, so ist das ein Beweis für die gute Zusammenarbeit zwischen Belegschaft und Betriebsleitung. Direktor Ermert kam es darauf an, das Werk über den Krieg hinaus -- über dessen Ausgang er sich

nie Illusionen machte -, betriebsbereit zu halten. Aber auch seine Belegschaft wollte er erhalten. Überall wurden Volksstürme aufgestellt; von der Betriebsleitung der Kraftwerke wurde die Aufstellung einer Kompanie verlangt. Ganz kategorisch erklärte Otto Ermert, daß es für ihn nicht in Frage komme, auch nur einen einzigen Mann zum Volkssturm abzustellen, da er es nicht verantworten könnte, seine Leute in den Tod zu jagen.

 

Die Front rückte näher. Ein Kommando der damaligen Wehrmacht wurde in daß Werk gelegt: um zu gegebener Zeit „zu lähmen", d. h. betriebswichtige Teile aus den Maschinen zu nehmen. Das hatte zur Folge gehabt, daß sich hier auf lange Zeit hinaus kein Rad mehr gedreht hätte. Dank des Eingreifens von Direktor Ermert, der, wie man nachträglıch erfuhr, für diese mutige Tat vor ein Krıegsgerıcht gestellt werden sollte, konnte diese Maßnahme hindert werden. Die Belegschaft dankte ihm dafür durch besondere Treue in den letzten Kriegstagen. Bis zur Besetzung durch die Amerikaner waren wir hier tatsächlich eine verschworene Gemeinschaft.

 

Unermüdlich war Direktor Ermert nach der Besetzımg am 2. März 1945 bestrebt, das schwer angeschlagene Werk wieder in Gang zu bringen. Schon nach zwei Tagen konnten wir wieder in den Betrieb hinein und unsere Arbeit beginnen. Wenn die Bevölkerung des Kreises Bergheim und die Krankenhäuser schon bald wieder mit Wasser und Strom versorgt werden konnten, so war das nur möglich dank des guten Einvemehmens und der aufopferungsvollen Tätigkeit von Betriebsleitung und Betriebsangehörigen. Noch schwere Zeiten standen uns bevor. Von hungrigen Menschen konnte man keine Arbeit verlangen. Ob es sich um Verpflegung oder Bekleidung für die Betriebsangehörigen handelte, immer war Otto Ermert bereit, soweit es in seinen Kräften stand, helfend einzugreifen.

 

In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß es damals gelungen ist, für die Belegschaft der Kraftwerke dieselben Vergünstigungen zu erhalten, wie sie auch im Bergbau gegeben wurden.

 

Die Arbeit im Betrieb mußte weitergehen. Die Kriegsschäden wurden Zug um Zug beseitigt. Ein neues Projekt tauchte auf: die Erweiterung des Werkes Il durch den Bau einer Vorschaltanlage. Wohl mag Direktor Ermert dieses gewaltige Projekt in seinen Gedanken stark beschäftigt haben, den Beginn der Arbeiten sollte er nicht mehr erleben. Eine schwere Erkrankung, deren Keim er schon lange gespürt haben mochte, warf ihn im Mai 1948 aufs Krankenlager, von dem er sich nicht mehr erheben sollte. Wohl hörten wir ihn am Silvestertag 1948 noch in einer kurzen Ansprache, in der er seiner treuen Belegschaft für die erfolgreiche Arbeit in dem zu Ende gehenden Jahre dankte und ihr und den Familien ein gesundes und glückliches Jahr 1949 wünschte. Für ihn selber sollte dieses Jahr 1949 sein Sterbejahr sein. Am 23. Mai 1949 starb er, und an seinem 63. Geburtstag betteten wir ihn, der sein Leben lang rastlos tätig war, zur letzten Ruhe.                                                               -rh-