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10.11.2008

Das Buch der Erinnerung

 

Geschichtsverein veröffentlicht Arbeit über Juden in Elsdorf

 

DIETMAR FRATZ

ELSDORF. Am 9. November jährte sich die sogenannte Reichspogromnacht zum 70. Mal. Pünktlich zu diesem Gedenktag stellte der Elsdorfer Geschichtsverein seine neueste Publikation vor, die der bekannte Autor Gerd Friedt verfasst hat.

 

Der Oberaußemer wohnt seit vielen Jahren in München, beschäftigt sich aber weiter intensiv mit der Geschichte der Juden im Altkreis Bergheim. Vor zwei Jahren wurde mit dem Rheinlandtaler des Landschaftsverbandes Rheinland ausgezeichnet.

 

Seine jüngste Publikation, an der Friedt über ein Jahr gearbeitet hat, befasst sich mit der Genealogie (Familienforschung) der jüdischen Familien in Elsdorf. Erst seit 1705, Jahrzehnte später als in den umliegenden Gemeinden, sind jüdische Einwohner in Elsdorf nachweisbar. Bis zu acht Generationen listet die Fleißarbeit auf. Oft ist die neunte und zehnte Generation nur deshalb nicht erwähnt, da die noch lebenden Familienmitglieder nicht genannt werden wollten. 165 Familienmitglieder kommen da zum Beispiel bei Familie Baum aus Elsdorf zusammen. Die Daten musste Friedt aus Archiven und in Gesprächen mit Nachfahren mühsam erheben. Bis nach Übersee sind die Quellen verstreut.

 

Einige Highlights kamen beim Forschen zutage: Aus der Familie Schönbrunn hat es ein Mitglied als Countess of Breckneck in den britischen Hochadel geschafft. Die Familie Harf ist mit einem Düsseldorfer Bankhaus in Verbindung zu bringen. Das Gerücht, dass Anne Frank direkte Wurzeln in Elsdorf gehabt hätte, musste er jedoch entkräften. Ein Lesefehler führte zur Verwechslung von Elsdorf mit Elsoff im Siegerland.

 

Manfred J. Junggeburth, der die Publikation vonseiten des Geschichtsvereins betreute, erinnerte sich, dass seine Ur-Urgroßmutter den Namen Behr oder Bähr trug, den Fried in Esch und Berrendorf nachweist, und nahm sich vor, der Sache nachzugehen.

 

Er unterstrich, dass die Juden in Elsdorf ganz normale "Nachbarn, Freunde, die Kölsch sprachen wie die übrigen Einwohner" waren. Friedt macht deutlich, dass zu den Zahlen ermordeter Juden Gesichter gehören. "Aus den Zahlen sollen wieder Menschen werden" beschreibt er seinen unermüdlichen Forschungsantrieb.

 

Bürgermeister Wilfried Effertz stellte die Bedeutung des Buches für das Verstehen heraus: "Wichtig ist, dass deutlich wird, dass die Juden in Elsdorf Mitmenschen waren".

 

"Die Juden brauchen einen solchen Anlass nicht. Die Überlebenden erinnern sich täglich", machte auch Friedt deutlich, dass das Buch von allgemeiner Bedeutung ist, auch über den Gedenktag hinaus.

 

Ein großer Teil der Publikation, die zum Preis von fünf Euro in der Elsdorfer Buchhandlung Weisweiler und in der "Alten Torwache" in Bergheim erhältlich ist, widmet sich, reich bebildert, den Gräbern auf dem jüdischen Friedhof.

 

 

Buch über die Elsdorfer Juden

Von Elsdorf bis an den britischen Königshof

von Ralph Jansen, 07.11.08

 

Das einzige erhaltene Foto aus dem Inneren der Synagoge (o.). Bild links: Autor Heinz-Gerd Friedt (Mitte) mit Manfred J. Junggeburth (r.) und Wilfried Effertz BILD/REPRO: JANSEN

Elsdorf „Elsdorf hatte lange eine sehr fromme jüdische Gemeinde. Davon zeugen die Inschriften auf dem Friedhof“, berichtete Heinz-Gerd Friedt - und er schickte ein Kompliment an seinen Tischnachbarn, Bürgermeister Wilfried Effertz hinterher: „Der Erhaltungszustand des jüdischen Friedhofs in Elsdorf ist einer der besten im gesamten Gebiet des Altkreises Bergheim.“ Nicht nur auf dem Friedhof und in Archiven hat Friedt recherchiert. Auch aus privaten Dokumenten, aus Gesprächen mit Überlebenden des Holocaustes und aus einer unüberschaubaren Vielzahl an privaten Kontakten und Freundschaften in der ganzen Welt hat der in München lebende Autor geschöpft, um sein gestern vorgestelltes Buch über die Juden in Elsdorf zu recherchieren.

Friedt war es eine Herzensangelegenheit, die Geschichte der Juden auch in der Gemeinde Elsdorf von ihren Anfängen an zu beleuchten. So findet sich auf dem Friedhof in Elsdorf der älteste bekannte jüdische Grabstein des früheren Kreises Bergheim. Er stammt aus dem Jahr 1783. Friedt räumt in seinem Buch mit der Annahme auf, dass die Familie der Anne Frank, des jüdischen Amsterdamer Mädchens, dessen Tagebuch weltberühmt wurde, aus Elsdorf stammte. Laut Friedt wurde Elsdorf dabei mit einem hessischen oder rheinland-pfälzischen Ort „Elsoff“ verwechselt. Allerdings kam bei diesen Recherchen auch heraus, dass Anne Franks Mutter mit Mädchenname Holländer hieß, ihre Herkunft liegt im Jülich-Aldenhovener und Aachener Raum. Verwandte wohnten auch im Bereich Bergheim und Elsdorf.

 

Friedt schreibt über die Familie Mendel aus Elsdorf, aus der der Mitbegründer der Kölner jüdischen Orthodoxie hervorging. Er informiert die Leser über die Familie des 1839 in Elsdorf geborenen Louis Schönbrunn, dessen Nachkomme Felix Schönbrunn-Cassel es zum Kronanwalt in London brachte und dessen Schwester Anna Schönbrunn-Cassel Countess of Breckneck wurde - von Elsdorf an den britischen Hof.

 

Doch Friedt beschränkt sich nicht nur auf Anekdoten aus der Geschichten, sondern liefert mit statistischen Angaben, Namenslisten und Stammtafeln eine nüchterne umfassende Bestandsaufnahme jüdischen Lebens ab. Auf und in dem Buch findet sich auch die einzige Fotografien eines Synagogen-Innenraums aus dem Raum Bergheim, die erhalten ist. Dazu hat Friedt Grabinschriften übersetzt. Gemeinsam mit Junggeburth und Effertz teilt er die Meinung: „Viel zu oft wird die Geschichte der Juden auf zwölf Jahre Nazizeit und sechs Millionen Ermordete verkürzt. Wir müssen hinter diesen Zahlen wieder die Menschen und ihre Kultur, ihre Geschichten entdecken.“

 

„Das Buch der Erinnerung“ hat 176 Seiten und ist für 5 Euro in der Buchhandlung Weisweiler, Gladbacher Straße, Elsdorf, bei der Buchhandlung Alte Torwache, am Aachener Tor, und über den Geschichtsverein erhältlich.

 

 

Kölnischen Rundschau vom 7. Januar 2006


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